„Rechner. Smartphone. Basta!“

Einblicke in die Arbeitswelten von morgen: Professor Dr. Sabine Remdisch referierte vor etwa 90 Unternehmern im ISI-Zentrum Buchholz. Foto: Wolfgang Becker

Zu Gast beim Treffpunkt Innovation im
ISI Buchholz: Professor Dr. Sabine Remdisch über das „Führen in der digitalen Welt“.

Silicon Valley übt ganz offensichtlich eine besondere Faszination auf Menschen aus, die innovativ sind und nach vorne schauen. Mit Unternehmen wie Facebook, Google, Microsoft und Amazon sind die ökonomischen Blockbuster der digitalen Welt an diesem Ort südlich von San Francisco versammelt, tatsächlich haben sich an der kalifornischen Ostküste jedoch hunderte Firmen niedergelassen – getrieben von dem berühmten Spirit, von dem Besucher berichten. Dr. Sabine Remdisch ist nicht nur Besucherin, sondern Gastwissenschaftlerin an der Stanford-Universität und regelmäßig im Silicon Valley unterwegs. Unter dem Titel „Führen in der digitalen Welt“ gab die Professorin für Personal- und Organisationspsychologie und Leiterin des Instituts für Performance Management an der Leuphana Universität Lüneburg im ISI-Zentrum für Gründung, Business & Innovation auf Einladung der Wirtschaftsförderung im Landkreis Harburg (WLH) einen Einblick in die Denkweise der Menschen im Silicon Valley – ein Vortrag der „Treffpunkt Innovation“-Reihe, der zu denken gibt.

„Leadershipgarage“ 

Seit 2014 ist Sabine Remdisch in Stanford aktiv – damals war die Digitalisierung „noch nicht ganz so hip und bedrohlich“ Das Silicon Valley ist eine eigene Welt, so ihre Botschaft, die sich offenbar nicht eins zu eins klonen lässt. „Wir müssen unseren eigenen deutschen Weg finden“, so die Referentin. Das erste, was ihr an der Stanford-Universität damals auffiel, war die in Deutschland eher verpönte enge Verknüpfung von Wissenschaft und Wirtschaft. Als Psychologin schob sie das Projekt „Leadershipgarage“ an und gewann namhafte deutsche Unternehmen als Teilnehmer an jeweils einjährigen Führungsworkshops. Der Begriff Garage steht in diesem Zusammenhang eher für ein Labor.

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Ein eindrückliches Erlebnis stand am Anfang dieser Phase. Sabine Remdisch berichtete von einem Treffen mit einer US-Wissenschaftlerin, die ihr als Patin zur Seite stand: „Wir tranken einen Kaffee, und sie sagte ‚Lass uns mal alle unsere Rechner auf den Tisch legen‘. Da lagen dann zwei Smartphones, ein iPad und ein Laptop. Sie fragte weiter: ‚Und was lernen wir daraus? – Wir sind in der Minderheit!‘“

Ein plastisches Beispiel für die Rolle von Computern. Die Referentin: „Daraus ergeben sich viele Frage. Zum Beispiel nach dem Arbeitsplatz. Schon heute gilt: Rechner. Smartphone. Basta! Mehr brauche ich nicht, um zu arbeiten.“ Das Arbeiten in der Cloud führe zu neuen Konstellationen – alle machten alles. Nur was mache dann eigentlich die Führungskraft? In Zeiten zunehmender Transparenz und Vernetzung müsse die Rolle der Führungskraft neu definiert werden – weg vom Wissensmanagement, hin zum Beziehungsmanagement.

Hierarchien lösen sich auf

Inwieweit das in Deutschland heute schon möglich ist, bleibt allerdings die Frage. Zu unterschiedlich ist beispielsweise der Umgang mit Wissen, um nicht zu sagen „Herrschaftswissen“. Wer mehr weiß als andere, könnte daraus eine herausgehobene Rolle ableiten, sich zumindest aber unverzichtbar machen. Diese Hierarchien lösen sich in der digitalen Welt jedoch zunehmend auf. Das zeigt auch der Spirit im Silicon Valley, der Sabine Remdisch nachhaltig beeindruckt hat: „Auf dem Campus oder auch an anderen Treffpunkten – überall stehen Gruppen von Leuten und tauschen sich offen über das aus, was sie gerade beschäftigt. Es gilt der Grundsatz: Je öfter du eine Idee erzählst, desto besser wird sie.“ In Deutschland sei dies so nicht anzutreffen, „dort meldet man erstmal ein Patent an, wenn man eine gute Idee hat“. Der offene Umgang mit Entwicklungsansätzen oder gar Geschäftsideen basiere auf dieser Überzeugung: Die Zeit ist so schnelllebig, dass ein Entwicklungsvorsprung des Ideengebers quasi nicht mehr einzuholen ist.

Bleibt die Frage, ob ein kollektiver Ideenfindungsprozess am Ende erfolgreicher sein wird, als der geniale Geistesblitz eines Einzelkämpfers. Schaut man auf die Art und Weise, wie im Silicon Valley kreativer Wandel zur Grundmaxime erhoben wird und Unternehmen wie Amazon ganze Märkte um-krempeln, könnte man auf die Idee kommen, diese Frage mit Ja zu beantworten. wb

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www.wlh.eu