„Da braut sich etwas zusammen“

Ein seltener Auftritt in Harburg: Verteidigungsminister a. D. Volker Rühe sprach beim Grünkohlessen des Harburger Handwerks über die brenzlige politische Weltlage. Foto: Wolfgang Becker

Beim Grünkohlessen des Harburger Handwerks: Verteidigungsminister a. D. Volker Rühe erläutert die Weltlage

Wer sich an alte Zeiten erinnerte, als einflussreiche Bundespolitiker wie Herbert Wehner und Hans-Ulrich Klose noch aus Harburg kamen, der hatte fast so etwas wie ein Déjà-vu: Beim alljährlichen Grünkohlessen des Harburger Handwerks präsentierte Bezirkshandwerksmeister Peter Henning mit Volker Rühe nicht nur einen ehemaligen CDU-Generalsekretär und Bundesverteidigungsminister aus der Ära Helmut Kohl, sondern auch einen gebürtigen Harburger, der – mittlerweile 75 Jahre alt – immer noch weltweit unterwegs ist und Vorträge hält. Die derzeitige Weltlage bietet allerdings wenig Anlass zu geselliger Freude, wie Rühe betonte: „Da braut sich etwas zusammen.“

Der prominente Heimfelder, der die lokalen Niederungen normalerweise meidet, nahm kein Blatt vor den Mund. Er kündigte Klartext an. Trump, Brexit, Migration, deutsche Einheit, Putin, China, Europa – wer in der Geschichte zu Hause ist, sie womöglich mitgestaltet hat, der weiß um die Zusammenhänge.

Die deutsche Einheit ist laut Rühe ein Unterkapitel der Wiedervereinigung Europas. Er berichtete von einem Treffen mit dem damaligen chinesischen Parteichef Deng Xiaoping, den er 1984 traf. Angesprochen auf die zu dem Zeitpunkt noch unwahrscheinliche deutsche Einheit, habe der Chinese einen tiefgründigen Satz gesagt: „Das große Wasser nimmt das kleine Wasser mit.“
Rühe: „Das große Wasser war Europa, das kleine Wasser Deutschland. Die deutsche Einheit wurde möglich, weil Westdeutschland fest integriert in der EU war. Die Solidarność-Bewegung in Polen, Gorbatschows zutiefst entschlossene Haltung, auf jegliche Gewalt zu verzichten – all dies spielte zusammen. Von Gorbatschow stammt die Aussage, er würde sich eher eine rostige Rasierklinge durchs eigene Gesicht ziehen, als Gewalt anzuwenden.“ Und: „Wenn es damals nicht 400 000 So­wjet­soldaten in der DDR gegeben hätte, dann wären DDR-Generäle gegen die Demonstrationen und das Niederreißen der Mauer vorgegangen – die hätten alles niedergeschossen.“ Vorbereitungen habe es bereits gegeben.

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