Politik der kleinen Schritte oder Warten auf den „Sechser im Lotto“?

Auch verschiedene Popup-Stores wie Buchläden, trendige kleine Boutiquen oder Musikgeschäfte trugen dazu bei, den Standort wieder ins Gespräch zu bringen und zu einer „Adresse“ zu entwickeln. Ers-tes Ergebnis war der Kauf und Umbau des Forum Altona durch Investoren aus Nordrhein-Westfalen. Dann der „Lotto-Gewinn“: Ikea kaufte die Fläche 2010, ein Jahr später wurde das Frappant-Gebäude abgerissen. Seit 2014, dem Jahr der Ikea-Eröffnung, startet die Große Bergstraße wieder durch.

Dieses Ergebnis ist eine Folge des Zusammenspiels mehrerer Faktoren: des Ökonomischen Quartiersmanagements durch die konsalt GmbH, des finanziellen Engagement privater Eigentümer im Verein „Vitalisierung“, der die kulturelle Zwischennutzung durch die Bereitstellung der Immobilien und die Finanzierung des Ökonomischen Quartiersmanagements ermöglichte, sowie der politischen Initiative, die dafür sorgte, dass dieser Teil Altonas in das Programm Aktive Stadtteilentwicklung aufgenommen und zudem auch noch Sanierungsgebiet wurde (bis 2017). Damit waren neue Geldquellen erschlossen. Als professionelle Partner waren konsalt und seit 2009 die steg Stadterneuerungs- und Stadtentwicklungsgesellschaft Hamburg mbH als Sanierungsträger involviert.

Zeitlich bedeutet die beschriebene Entwicklung Folgendes: 15 Jahre Niedergang, fünf Jahre Strukturen schaffen und zehn Jahre Aufbau. Heute ist die Entwicklung im Gange – weil die Stadt Geld ausgegeben hat (allein eine Million Euro floss in die Sanierung des Fußgängertunnels), weil es örtliche Initiativen gab und weil ein großer Player wie Ikea ungeheure Schubkraft entwickelt und andere Grundeigentümer zum Investieren animiert.

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Was heißt das für Harburg?

Ob Harburg aus dem Fall Altona etwas lernen kann, sei dahingestellt. Bonacker: „Auch in Harburg haben wir private Eigentümer, die sich für die Straße im Rahmen des BID Lüneburger Straße engagieren. Es gibt zwei Optionen, die Entwicklung in der Lüneburger Straße voranzutreiben – durch eine große Lösung, wie sie Ikea in Altona darstellt, oder durch eine ständige Optimierung des Branchenmix, also viele kleine Schritte, die dazu führen, dass das Niveau und damit die Anziehungskraft wieder steigt. Unser Vorteil: Wir haben noch die Zentralität, die die Große Bergstraße bereits verloren hatte. Die Frequenz ist da – wie unsere jüngste Zählung ergeben hat. Die Ergebnisse sind sogar sehr positiv.“ Erste positive Veränderungen im Branchenmix sind bereits sichtbar: die Eröffnung von „Alpha Workwear“ von Kock & Sack und Irina Modeschmuck in der Bremer Straße, Toner Dumping sowie seit neuestem „Nanu-Nana“ mit Deko- und Wohn-accessoires in der Lüneburger Straße.

Frappierend ähnlich: Das Harburg-Center

Wie viele andere Städte auch, hat Harburg echte Problemfälle zu bieten (zum Beispiel Stade und das Hertie-Gebäude). Sogar gleich mehrere. Der eklatanteste Fall ist seit Jahren die Ruine des Harburg-Centers am Ring, ein verwahrloster Schandfleck mit höchstem Ärger-Potenzial. Einziger Vorteil: Die Immobilie steht nicht direkt in der Lüneburger Straße und gehört auch nicht zum BID-Gebiet, grenzt mit dem Untergeschoss allerdings an den besagten Fußgängertunnel. Und: Seit vielen Jahren steht der Großteil des Sobottka-Hauses am Ring leer. Das Haus ist durchsaniert, war zeitweise durch verschiedene Gastronomie-Betriebe im Erdgeschoss belegt und sollte nun zum Hotel ausgebaut werden. Während des Umbaus sprang der künftige Betreiber ab. Zukunft offen. Im Erdgeschoss will sich jetzt das Hofbräuhaus Harburg niederlassen – worauf Bonacker und der Vermietungsmanager Norbert Radszat große Hoffnung setzen.

Immerhin deutet sich eine mittelgroße Veränderung an. Der Komplex Lüneburger Straße 31/33 (gegenüber vom Lüneburger Tor) könnte einem Neubau weichen. Die Gespräche mit Investoren sind im Gange, wie Radszat sagt. Sein Rezept für Harburg: „Wir müssen die Kleinen stärken, damit die Großen angezogen werden.“ Das nun wiederum unterscheidet Harburg von Altona. Da kam ein Großer und zog die Kleinen. Dieser Große ist für Harburg derzeit jedoch nicht in Sicht.

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Für konsalt bedeutet das: Geduld haben und im Kleinen verbessern, was sich verbessern lässt. Konkret steht dabei auch das Management des öffentlichen Raums im Fokus. Will heißen: die Pflege und Verbesserung der öffentlichen Flächen. Zum Beispiel müssten die übergroßen Platanen seit Jahren gegen kleinere Bäume ausgetauscht werden. Dem Vernehmen nach ist dies jedoch ein Thema, das politische Profilierungsattacken auslöst – ein gefährliches Minenfeld für jeden Standortentwickler . . .

Web: www.bid-lueneburgerstrasse.de
www.konsalt.de

BID-Ansprechpartnerin in Harburg: Jana Braun

 Foto: Wolfgang Becker

Nach dem Wechsel von Peter C. Kowalsky in die Tourismus-Branche ist konsalt-Stadtplanerin Jana Braun jetzt Ansprechpartnerin für das BID Lüneburger Straße in Harburg.

Sieben Jahre lang hat Peter C. Kowalsky als Projektleiter die Geschicke des Business Improvement Districts (BID) Lüneburger Straße in Harburg gelenkt. Regelmäßig war er vor Ort – als Ideengeber, als Ansprechpartner für die Einzelhändler und als Berater für Politik, Verwaltung und Handel. Jetzt zieht es ihn zu neuen Ufern. Der 35-jährige Diplom-Ingenieur, der an der Technischen Universität Hamburg-Harburg Stadtplanung studiert hat, wechselt in die Tourismus-Branche. Vor Ort wird Jana Braun, ebenfalls Stadtplanerin und bereits seit April 2014 im BID aktiv, das Unternehmen konsalt vertreten. Die Projektleitung übernimmt zunächst konsalt-Chefin Margit Bonacker, die mit dem Thema Quartiersentwicklung seit vielen Jahren vertraut ist und den BID Lüneburger Straße 2008 angeschoben hat.

Kowalsky arbeitet ab dem 1. September von Hamburg aus deutschlandweit für das Beratungsunternehmen Projekt M. Er lobt die gute Zusammenarbeit mit Grundeigentümern, Politik, Verwaltung, Handel und Citymanagement zugunsten der Harburger City. Zum Abschied wurden die Arbeit des BID-Teams und das entstandene Netzwerk im BID Lüneburger Straße mit einem BID-Award des Deutschen Industrie- und Handelskammertages belohnt. „Das ist eine schöne Anerkennung unseres jahrelangen Engagements“, freut sich Peter C. Kowalsky.

Jana Braun (44) wird sich künftig neben der Verbesserung des Branchenmix in der neuen „Lü“ verstärkt dem Management des öffentlichen Raumes widmen – dabei geht es um Sauberkeit und die Pflege der Anlagen im BID Lüneburger Straße. Ziel ist es, die Aufenthaltsqualität in der Fußgängerzone noch weiter zu steigern (siehe auch Bericht oben). Jana Braun hat ebenfalls an der TU Hamburg-Harburg studiert und wohnt sogar in Harburg. wb