„Eine Lähmschicht kommt auf die andere Lähmschicht“

Als Hamburger Stadtentwicklungssenator haben Sie die Vision vom großflächigen Wohnungsbau in Wilhelmsburg vorangetrieben. 10 000 neue Wohnungen – das war die Ansage. War der Druck damals schon so hoch?

Nein. Wenig später kam dann die Weltwirtschaftskrise – da wollte niemand mehr so richtig investieren. Ich denke, wir haben in Deutschland damals einen Fehler gemacht und irgendwann aufgehört zu bauen. Selbst beständige Investoren wurden verunsichert, indem ihnen gesagt wurde, sie sollten erstmal nicht mehr bauen. Eigentlich muss aber immer gebaut werden – die Häuser und die Menschen entwickeln sich weiter. Mehr noch: Es muss sogar in Gegenden gebaut werden, in denen eigentlich Leerstände vorhanden sind. Sonst ziehen die letzten Menschen auch noch weg. Das beste Beispiel ist Osterode im Harz. Der Bürgermeister setzt erfolgreich auf hochattraktiven Wohnungsbau, damit die Ärztin vor Ort gehalten wird und nicht auch noch nach Göttingen abwandert. Gleiches galt auch für Hamburg 2006/2007.

Haben wir nicht eher ein Metropolregion-Thema? Immer mehr Single-Haushalte, die Alten ziehen zurück in die Städte . . .

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. . . das stimmt gar nicht. Die Stadtsoziologen predigen das zwar, aber es ist definitiv falsch. Wir haben über fünf Jahre jede Stadt und jeden Landkreis untersucht. Es gibt natürlich ältere Menschen, die wieder in die Stadt ziehen, aber das beschriebene Massenphänomen ist anders: Wenn sie wegziehen, dann entweder an die Küste, an die Berge und in ein paar spezielle günstige Regionen wie Lüchow-Dannenberg oder das Ammerland. Aber definitiv: Städte wie München und Hamburg verlieren ältere Menschen nach außen.

Gibt es weitere Hemmnisse für den Wohnungsbau auf kommunaler Ebene?

Es ist mittlerweile zwar politisch unkorrekt, Grundstücke nach Höchstpreisverfahren zu vergeben, aber in Wirklichkeit wird durch die Hintertür doch wieder der Preis als Hauptmomentum genommen. Dann kommen nur noch bestimmte Investoren zum Tragen, die auf diesen Flächen nur noch teure Eigentumswohnungen bauen können. Preiswerte Mietwohnungen lassen sich so nicht schaffen. Dann gibt es noch ein Phänomen: Selbst wenn sozialer Wohnungsbau gemacht wird, werden die Folge-Investitionen beispielsweise für die Erschließung, Schulen und Kindergärten noch obendrauf gepackt. Das wird nicht mehr als öffentliche Daseinsvorsorge gesehen, sondern das muss häufig noch der Investor erledigen, was wiederum die Mieten belastet. Dann wird es ganz dramatisch.

Ziehen sich Städte und Kommunen da aus der Verantwortung?

Ja. Sie müssten nur wissen, was sie wollen.  Ich kann ja verstehen, dass manche Komme finanziell klamm ist, aber sich dann zu beschweren, dass Wohnungsbau so teuer ist? Das sind Krokodilstränen! Hinzu kommt dann häufig noch der Ehrgeiz in den Räten und Bezirken, hier eine Passivhaussiedlung und dort eine Plus-Energiehaus-Siedlung zu bauen. Eine Lähmschicht kommt auf die andere Lähmschicht. Am Ende des Tages bauen wir so teuer, dass die Menschen, die dort eigentlich einziehen müssten, es nicht bezahlen können.

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