Wohnungsbau, Wohnungsbau, Wohnungsbau!

Visualisierung: Hafencity HamburgSo könnte die neue Wohnbebauung am Baakenhafen in der Hamburger Hafencity aussehen – ein neues Quartier am Wasser. Visualisierung: Hafencity Hamburg

PERSPEKTIVE Hamburgs Oberbaudirektor Jörn Walter zum Thema Wachstum: „Die Zeiten haben sich geändert!“ – Vortrag beim Wirtschaftsverein.

Seit 175 Jahren pflegt Hamburg das „Oberbaudirektorentum“. Bislang sind es neun an der Zahl – der aktuelle Oberbaudirektor, Professor Jörn Walter, war jetzt Gastredner bei der März-Veranstaltung des Wirtschaftsvereins für den Hamburger Süden. Mit rund 150 Gästen sorgte er im Kulturspeicher für ein ungewöhnlich volles Haus. Sein Thema war mit „NOlympia 2024 in Hamburg – und nun? Es geht weiter!“ überschrieben, lautete aber eigentlich „Hamburg metropolitan – Perspektiven des Wachstums“. Was Star-Motivator Walter dort in einer bilderreichen Präsentation mitteilte, dürfte manchen Besucher schwer beeindruckt haben. Die Devise der Hansestadt lautet „Wohnungsbau, Wohnungsbau, Wohnungsbau“.

Die Zeiten, als Bürgermeister Olaf Scholz den Bau von jährlich 6000 neuen Wohnungen ankündigte, sind noch nicht allzu lange her. 6000 – wie sollte das wohl gehen? Zweiflern sei gesagt: Diese Zahlen sind längst Makulatur. „Wir haben es zurzeit mit 20 000 Neubürgern pro Jahr zu tun. Das war in dieser Größenordnung nicht zu erwarten und wird die Stadt verändern“, kündigte Walter an. Die exorbitant hohe Zahl hat ihre Ursache zu einem großen Teil in dem Flüchtlingszustrom. Walters Haltung ist da eindeutig: „Wir können uns der Aufgabe nicht entziehen, diese Leute ordentlich unterzubringen. Wichtig ist, dass wir alle Stadtteile und Bezirke gleich behandeln. Es kann nicht sein, dass die Schwächsten die größte Last zu tragen haben. Das viele Geld, Hunderte Millionen Euro, sollten wir allerdings dazu nutzen, dauerhaften und guten Wohnraum zu schaffen. Wir müssen in den Wohnungsbau investieren und nicht in den Umbau von Baumärkten oder die Errichtung von Containerdörfern.“

Jörn Walter

Hamburgs Oberbaudirektor Jörn Walter im Kulturspeicher: Er sorgte für eine der am stärksten besuchten Monatsveranstaltungen des Wirtschaftsvereins. Foto: Wolfgang Becker

Walters Prognose: Mitte der 2020er-Jahre dürfte Hamburg die 1,9 Millionen-Einwohner-Grenze erreicht haben, selbst die Zwei-Millionen-Marke sei in Sicht. Was bedeutet: Binnen zehn Jahren müssen 120 000 neue Wohnungen her – 10 000 bis 12 000 pro Jahr. Der Oberbaudirektor: „Und darauf sind wir planungsrechtlich gar nicht eingestellt.“ Die Frage laute: Wo soll die Stadt wachsen? Die Antwort: vor allem in den Rand- und Außenbereichen, denn nur dort sei genügend Fläche vorhanden. Zum Beispiel in Sandbek an der Westgrenze zum Landkreis Harburg.

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Zwei Millionen Einwohner?

Wie die Mega-Aufgabe gelöst werden soll, ist noch unklar, aber Walter sagt: „Wir müssen schauen, wie es die anderen machen. Es geht um Standardisierung, Kostensenkung und Förderung im Wohnungsbau. Aber: Wir brauchen dazu den Ehrgeiz, es besser zu machen als die Vorgängergenerationen.“ Er erinnerte an die Nachkriegsjahre, aber vor allem auch an die 1920er-Jahre, als in Hamburg diverse Schumacher-Bauten entstanden. Der damalige Oberbaudirektor Fritz Schumacher drückte der Stadt seinen Stempel auf und löste schier unüberwindliche Probleme, denn schon damals stand Hamburg vor dem Problem, schnell zig Tausend Wohnungen bauen zu müssen, um die Menschen unterzubringen. Was Schumacher leistete, beeindruckt Fachleute und Stadtplaner bis heute.

Erhebliche Potenziale

Ähnliches gilt es jetzt zu wiederholen – qualitativ hochwertigen, aber dennoch günstigen Wohnraum zu schaffen. Walter sieht Potenzial unter anderem in der Hafen-City, in der neuen Mitte Altona, auf dem A7-Deckel, an den „endlosen Wasserlagen“ im Hamburger Osten, sogar auf dem Gelände der Trabrennbahn in Bahrenfeld (Wenn sich Galopper und Traber auf eine Rennbahn verständigen . . .) und natürlich im Hamburger Süden. Hier gebe es erhebliche Potenziale. Unter anderem soll ab 2019 eine Wohnungsbaubrücke auf der Trasse der Reichsstraße entstehen. Walter: „Das heißt: Rund 2000 Wohnungen am Wasser, denn dort fließt der Aßmannkanal.“ Für Wilhelmsburg müsse eine ganz neue Typologie des Wohnungsbaus entwickelt werden. Am Ende gehe es um die Verbindung  der Hamburger mit der Harburger City.

Planänderung im Süden?

Auch für Neugraben-Fischbek zeichnet sich ein Schwenk ab: „Die beiden Neubaugebiete sind so dünn besiedelt, wie wir es heute nicht mehr machen würden“, sagte Walter. „Und wir müssen uns fragen, ob wir das Gelände der ehemaligen Röttiger-Kaserne im Norden nicht mit zusätzlichen Wohnungen statt mit Gewerbe besetzen sollten. Zum Einen gibt es für Gewerbe keinerlei Nachfrage, zum Anderen würde sich planungsrechtlich nichts ändern.“ Dasselbe gilt für das Wohngebiet Vogelkamp. Dort ist zwischen Bahn und Parkanlage ein langgestreckter Streifen für Gewerbe freigehalten worden. Für das Mischgebiet gibt es laut Walter ebenfalls keine Nachfrage aus dem gewerblichen Lager. Dort wäre aber Platz für weitere 300 bis 350 Wohnungen an der Bahnstrecke. Den Protest hat er offenbar schon im Ohr, aber seine Botschaft ist eindeutig: „Die Zeiten haben sich geändert!“