Von A an C – das kann kompliziert werden . . . Umsatzsteuer: Vorsicht bei grenzüberschreitenden Reihengeschäften

Tim Woehler

Tim Wöhler, Rechtsanwalt,
Fachanwalt für Steuerrecht.

Grenzüberschreitende Lieferverträge gehören in der globalisierten Welt zum täglichen Geschäft. Zwei Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) führen zu einer neuen umsatzsteuerlichen Beurteilung solcher Reihengeschäfte und stehen in einem deutlichen Widerspruch zur bisherigen Auffassung der Finanzverwaltung. Der klassische Fall eines Reihengeschäfts sieht so aus, dass Unternehmer B bei Unternehmer A ein Wirtschaftsgut bestellt, das dieser direkt an den Kunden C liefern soll. Umsatzsteuerlich liegen zwei Lieferungen vor, von denen eine als „ruhend“ und die andere als „bewegt“ angesehen wird. Da nur die „bewegte“ Lieferung eine Umsatzsteuerbefreiung für Ausfuhr oder innergemeinschaftliche Lieferungen begründen kann, ist diese Unterscheidung von großer Bedeutung.

Bisher galt grundsätzlich der Transport als maßgebliches Kriterium. Wurde die Beförderung oder Versendung des Wirtschaftsguts von Unternehmer A durchgeführt, so stellte die Lieferung von Unternehmer A an Unternehmer B die bewegte Lieferung dar. Organisierte Unternehmer B, der sowohl Abnehmer als auch gleichzeitig Lieferer ist, den Warentransport, so wurde die Lieferung von Unternehmer A an ihn zwar bisher als die „bewegte“ Lieferung angesehen, aufgrund entsprechender Nachweise konnte Unternehmer B jedoch seine Rolle als tatsächlicher Lieferer dokumentieren. Als Folge galt seine Lieferung von ihm an C als die „bewegte“ Lieferung. Dieser bisherigen Handhabung der Finanzverwaltung tritt der BFH nun entgegen. Nach Ansicht des BFH ist zur Abgrenzung nicht der Transportauftrag von Unternehmer B an Unternehmer A das maßgebliche Kriterium, sondern nur der Zeitpunkt der Übertragung der Verfügungsmacht am Liefergegenstand. Dieser Übertragungszeitpunkt ist aufgrund einer umfassenden und objektiven Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu bestimmen.

Problematisch wird nun die Bestimmung des Zeitpunkts, wann tatsächlich die Verfügungsmacht im umsatzsteuerlichen Sinne übergeht, weil es bislang dazu weder in der sogenannten Mehrwertsteuersystemrichtlinie noch in der Rechtsprechung klare Aussagen gibt. Folge ist bei einem Reihengeschäft ein erhebliches Risiko für den ersten Lieferer, wenn er keine Kenntnis über die zwischen dem zweiten Lieferer und dem Abnehmer getroffenen Abreden hat.

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Für die Praxis bedeutet dies, dass entgegen der bisherigen Handhabung durch die Finanzverwaltung bei Reihengeschäften nun zuerst die letzte Lieferung in der Kette zu bewerten ist, da es stets darauf ankommt, wann der finale Abnehmer Verfügungsmacht am Wirtschaftsgut erhalten hat. Derzeit ist offen, wie die Verschaffung der Verfügungsmacht beurteilt und nachgewiesen werden kann. Hierzu hat der Bundesrat zwischenzeitlich eine klarstellende Regelung gefordert.

Bis zu einer gesetzlichen Regelung ist eine frühzeitige Dokumentation zur Verschaffung der Verfügungsmacht zu empfehlen. Denkbar ist, dass sich der erste Lieferer (im Beispiel Unternehmer A) von seinen Abnehmern versichern lässt, dass die Verfügungsmacht erst beim letzten Empfänger übergeht, um so die Umsatzsteuerfreiheit für seine Lieferung
sicherzustellen.

Fragen an den Autor: twoehler@dierkes-partner.de