Noch kann die deutsche Eiche überleben . . .

Im Interview mit B&P mahnt er schnelles Handeln an: Bernhard von Ehren, geschäftsführender Gesellschafter der Baumschule Lorenz von Ehren GmbH & Co. KG in Harburg. Foto: B&P

INTERVIEW Bernhard von Ehren, Inhaber der Baumschule Lorenz von Ehren, über die Folgen des Klimawandels, Hausaufgaben für Stadtplaner und den Wald von morgen.

Bis zu 20 Jahre dauert es, bis ein Baum in der Baumschule von Ehren verkaufsreif ist. Eine lange Vorlaufzeit. Doch jetzt folgt ein Hitzerekord nach dem anderen und der Klimawandel scheint endgültig angekommen zu sein. Der jüngste Klimabericht bestätigt die schlimmsten Befürchtungen – wenn nicht umgehend gehandelt wird, sind weltweit umwälzende Veränderungen zu erwarten. Negative Veränderungen. Über die Folgen für das Pflanzen von Bäumen, für die Städte und die Wälder sprach B&P-Redakteur Wolfgang Becker mit Bernhard von Ehren, geschäftsführender Gesellschafter der Baumschule Lorenz von Ehren in Hamburg.

Nach so einem heißen Sommer – was geht einem Baumschulbetreiber da durch den Kopf?

Viel! Es gibt in Zukunft viele Herausforderungen für uns. Eigentlich sind wir schon in der Zukunft angekommen. Wir sehen, was in der Landwirtschaft und in den Wäldern passiert. Das sind zum großen Teil Nachrichten, die schlaflose Nächte bescheren.

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Man könnte also sagen, dass der Klimawandel jetzt angekommen ist?

Spätestens jetzt können wir ihn nicht mehr weglächeln und ignorieren. Diese Zeiten sind jetzt vorbei. Die Situation trifft uns ins Mark. Jetzt geht es an die Grüne Lunge Wald, auch an unsere Ernährungsquelle. Viele wichtige Früchte sind betroffen. Aber das sind alles erst die Anfänge – das dicke Ende kommt erst noch. Das sagen zumindest alle wissenschaftlichen Prognosen.

Wie meinen Sie das konkret?

2015 wurde das Pariser Klimaabkommen geschlossen und das Ziel formuliert, die Erd­erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Die Wirklichkeit: Sieben Jahre später sind wir da schon angekommen.

Halten Sie das Erreichen dieses Ziels für realistisch?

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Das ist so eine Frage – meine ganz persönliche Antwort lautet Nein. Da ist ein Prozess im Gange, der sich nicht mal eben so per Knopfdruck stoppen lässt. Das geht nicht. Ein Beispiel: Das ewige Eis ist sozusagen unsere Wetterküche. Jetzt schmelzen die Gletscher im Zeitraffer dahin. Es ist unfassbar. Das heißt: Unser Süßwasser in Mitteleuropa geht nach und nach verloren. Jetzt verlanden schon die ersten Seen in Brandenburg, weil das Grundwasser so stark abgesunken ist. Und in zehn, 15 Jahren soll es angeblich den Spreewald in Berlin nicht mehr geben – alle diese Botschaften bedeuten doch: Wenn wir es jetzt nicht hinkriegen, dieser Entwicklung entgegenzuwirken, dann wird es schwierig.

Was können wir denn tun?

Wir müssen unsere Hausaufgaben machen. Ein Baustein ist das Grün in der Stadt.

Das ist das Stichwort: Grün in die Stadt bringen, bedeutet vor allem auch Bäume pflanzen. Doch viele heimische Arten kommen mit den Klimaveränderungen, insbesondere hohen Temperaturen und Dürre, nicht so gut zurecht, wie wir an den Nadelwäldern beobachten können. Wie verändert sich das Portfolio der Baumschule von Ehren, die bundesweit unter anderem Städte und Kommunen beliefert?

Auch wir müssen anders vorgehen als bisher. Das heißt: Zuerst wird genau geschaut, wo ein Baum gepflanzt werden soll. Wie ist der Standort – haben wir extremen Betondruck oder Strahlungshitze durch nahegelegene Fassaden? Haben wir Trockenheit? Wie steht es um Wasseranschlüsse? Kurz: Wir brauchen Planungssicherheit – dann finden wir auch für jeden Standort den richtigen Baum.

Da verändert sich demnach das Einkaufsverhalten: Früher hat man sich einen schönen Baum ausgesucht und dann die passenden Verhältnisse geschaffen – das funktioniert nun nicht mehr?

Genau. Das gilt insbesondere für die Stadt. Im Wald haben wir immer noch ein Kleinklima, das bekommt auch dem heimischen Baum gut. Aber in der Stadt müssen wir Hausaufgaben machen. Das betrifft zum Beispiel die Pflege. Die Fertigstellungspflege braucht so etwa drei Jahre, danach folgt die Entwicklungspflege – und die ist ganz wichtig, da der Stadtbaum sonst nicht überleben kann.

Sie selbst haben ja auch noch einen Vorlauf von zehn, 20 bis zu 30 Jahren, bis ein Baum verkaufsreif ist. Passen die denn überhaupt noch ins Klima?

Der Klimawandel ist zwar schnell, aber so schnell nun auch wieder nicht, als dass die heimischen Bäume nicht mehr bestehen könnten. Aber wir müssen halt genau hinschauen, wo wir die hinpflanzen. Also bitte niemals die heimische Eiche in die Betonwüste setzen. Das mag die überhaupt nicht.

Für den TIP Innovationspark Nordheide in Buchholz haben Sie ausgewählte Klima­bäume geliefert – Arten, die auch mit Hitze und Trockenheit klarkommen. Wie viele Bäume dieser Art haben Sie im Angebot?

Auch für diese Bäume müssen wir gute Lebensverhältnisse schaffen – beispielsweise Wasserspeicher im Boden. Das haben die Planer in Buchholz gut umgesetzt. Das Prinzip der Schwammstadt, die das Wasser speichert, wird uns in Zukunft beschäftigen müssen, weil auf lange Phasen ohne Niederschlag plötzlich massive Regenfälle folgen. Wasser ist wertvoll – das muss gespeichert werden. Ein Thema für Stadtplaner. Auch eine große Hausaufgabe.

Da geht es ja nicht nur um einen Umbau der Städte, sondern auch um einen Umbau des Denkens. Plötzlich ist der eigene Garten eine Versickerungsfläche (siehe auch Bericht auf Seite 28).

In Dänemark gab es vor etwa zehn Jahren einen Jahrhundertregen, der zu einem kollektiven Umdenken geführt hat. Es kam so viel Wasser vom Himmel, dass die Autos durch die Straßen schwammen. Das war der Auslöser für den Bau von Versickerungsgruben in der Stadt. Freiflächen wie Sportplätze werden in Kopenhagen als Polder genutzt. Die haben das richtig gut hinbekommen, weil sie sich einig sind in der Einschätzung der Bedrohungssituation. Das kriegt man in unserem föderalen System irgendwie nie hin. Aber wir müssen doch endlich mal anfangen! Wir reden und reden, aber wir sollten auch mal konkret etwas machen.

Müssen wir uns langfristig von der deutschen Eiche verabschieden?

In der Stadt vermutlich ja, aber in städtischen Parks mit entsprechendem Kleinklima fühlt die sich durchaus noch wohl. Der Wald der Zukunft muss nicht nur fremdländisch sein, er kann auch heimisch sein – wenn wir eine Vielfalt haben. Mit den Monokulturen muss Schluss sein. Sonst haben wir irgendwann keinen Wald mehr. Die Fichtenwälder in der Lüneburger Heide kippen jetzt einfach um wie im Harz. Innerhalb von Wochen. Das ist ganz dramatisch. Deshalb müssen wir die Wälder umbauen. Die Stieleiche hat eine gute Klimaamplitude und wächst von Mittelschweden bis runter nach Tirol und Nordspanien. Da ist sie noch zu Hause. In einem Wald kann sie gut mit der Hitze umgehen, aber bitte nicht in der Betonwüste.

>> Web: www.LvE.de