Abgewickelt: Ende Dezember ist die internationale gartenschau hamburg Geschichte

Fotos: Wolfgang BeckerHeiner Baumgarten, Geschäftsführer der internationalen gartenschau hamburg (igs), auf einer der Brücken im Hybrid­house: Er macht Ende Dezember als Letzter das Licht aus und wechselt möglicherweise zurück in die Stadtentwicklungsbehörde, von der aus die Wilhelmsburger heute frei zugänglich ihren eigenen Volkspark erreichen. Fotos: Wolfgang Becker

28 der einst 80 Gärten im neuen Wilhelmsburger Volkspark sind vollständig erhalten – Neue Impulse durch Parksport-Konzept – Gespräch mit Heiner Baumgarten

Die Zimmerpflanze auf seinem Schreibtisch lässt die Blätter ein wenig hängen – aber das passt zum Thema: Ende Dezember stellt die internationale gartenschau hamburg (igs) endgültig ihre Aktivitäten ein – Geschäftsführer Heiner Baumgarten wird bis dahin mit den noch verbliebenen vier Mitarbeitern ausharren und vermutlich als Letzter das Licht im Hybridhouse am Inselpark ausschalten. Dann ist die igs Geschichte. Was in Wilhelmsburg bleibt und wie sich das igs-Abenteuer im Rückblick anfühlt, darüber sprach Baumgarten mit Business & People.

Wer sich 2013 jedoch auf den Weg nach Wilhelmsburg machte, der stieß auf eine bunte, neu gestaltete Landschaft mit 80 zum Teil skurrilen, aber immer interessanten Gärten aus aller Welt. Aufgeteilt in fünf Welten präsentierten sich Nationen, internationale Garten- und Landschaftsbauer, Religionen, Regionen und erstmals der Sport.

In wessen Kopf nur noch die Millionenverluste spuken, der dürfte übersehen, was die igs tatsächlich geleistet hat: Unter Baumgartens Führung entstand in Hamburg ein neuer Volkspark, der Maßstäbe setzt. So gesehen ist die Auflösung der igs-Gesellschaft zwar das Ende der aktiven Etappe, aber zugleich der Beginn einer neuen Zeit in der Neuen Wilhelmsburger Mitte: Jetzt haben es die Bewohner der Elbinsel in der Hand, ihren Park anzunehmen, pfleglich zu behandeln und neu zu entdecken.

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Fotos: Wolfgang Becker

Heiner Baumgarten, Geschäftsführer der internationalen
gartenschau hamburg (igs), auf einer der Brücken im Hybrid­house: Er macht Ende Dezember als Letzter das Licht aus und wechselt möglicherweise zurück in die Stadtentwicklungsbehörde, von der aus die Wilhelmsburger heute frei zugänglich ihren eigenen Volkspark erreichen.
Fotos: Wolfgang Becker

Auf dem Höhepunkt des Geschehens war Baumgarten direkt und indirekt für fast 700 Mitarbeiter verantwortlich – 160 bei der igs, etwa 100 im Service (beispielsweise Security), 100 bei der Monorail, weitere 100 im Bereich Gastronomie, 60 Gästeführer und 120 Ehrenamtliche. Heute ist es nicht einmal mehr ein Dutzend. Er sagt: „Da kamen ganz schnell richtige Größenordnungen zusammen. Unter unseren 160 Mitarbeitern waren auch 14 Arbeitslose, die im Zuge eines Programms im Garten- und Landschaftsbau qualifiziert und eingesetzt wurden. Heute haben alle einen Job. Zwei bleiben im Park und sind beim Bezirk Mitte eingestellt. Auch ein Planer wird dort weiterhin für den Park beschäftigt. Ein anderes Beispiel: 20 Mitarbeiter wurden für die igs-Ausstellungsphase beim DRK geschult, zehn wurden anschließend fest eingestellt. Das gilt für etliche andere igs-Mitarbeiter ebenfalls – sie sind in festen Jobs.“

Organisiert: „Freunde der igs”

30 Bewohner aus Wilhelmsburg haben sich als „Freunde der igs“ organisiert. Bis heute sind ehrenamtliche Mitarbeiter unterwegs und machen Führungen auf dem Parkgelände. Dort hat sich nach der Abwick-lungsphase einiges verändert, aber eben nicht alles. Baumgarten: „Die Welt der Häfen ist zurückgebaut, dort ist jetzt eine große Freifläche. Im Süden, wo die große Bühne und die Kulturlandschaften platziert waren, sind neue Kleingärten angelegt worden – mit den vorhandenen Kleingärten haben wir jetzt insgesamt 140 auf dem ganzen Gelände. Die Welt der Kontinente haben wir vereinfacht, aber es sind mehr Gärten geblieben als geplant.“

Das gilt auch für die Wasserwelten. Der Geysir und der Wasserspielplatz sind erhalten, aufwendige Installationen wurden dagegen abgebaut. Die Wüstenwellen, eine bei Kindern beliebte Berg- und Tal-Anlage, sind ebenso erhalten wie die Welt des Sports mit der stark nachgefragten Skateranlage und die Holzstege am Kuckucksbrack. Von der Welt der Religionen sind vereinzelte Bauteile noch zu finden. Baumgarten: „Von den 80 Gärten haben wir 28 vollständig erhalten – sogar der Garten Sansibar mit dem Felsen steht noch.“ Große Probleme sind bislang nicht aufgetreten. Baumgarten berichtet zwar von vereinzelten Vandalismus-Schäden, aber das halte sich im Rahmen.

Das innovative Parksport-Konzept, Novum im Rahmen einer Gartenschau, wirkt nach. Baumgarten berichtet von der angeleierten Gründung einer Parksport-Genossenschaft, in der unter anderem örtliche Vereine, aber auch Bäderland Hamburg, die Kletterhalle, die Inselakademie, der Hochseilgarten und als Sponsor die Spardabank vertreten sein werden. Ziel sei es, den Parksportgedanken zu fördern sowie Breiten- und Spitzensport zu verbinden.

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Kanustrecke ist freigegeben

Im Park finden sich heute sogar Angebote, die es während der igs gar nicht gab: So ist mittlerweile  die Kanustrecke freigegeben. Am Alten Wasserwerk ist sogar eine kleine Slipanlage vorhanden, um Boote ins Wasser zu lassen. Die Willi-Villa am Kuckucksbrack ist verpachtet. Und drei Initiatoren der insgesamt fünf Kulturlandschaften machen heute gemeinsame Sache: das Alte Land, die Vier- und Marschlande sowie das Pinneberger Baumschulland hatten bereits einen gemeinsamen Auftritt auf der Internationalen Grünen Woche in Berlin.

Baumgarten: „Wir haben einige Entwicklungen in Gang gesetzt. Das war auch unser Ziel. Das gilt insbesondere für das Parksport-Thema – ein neuer Impuls, der weiterwirken wird.“ Auch der scheidende igs-Chef will weiterwirken. Der 63-Jährige hat eine Rückkehrgarantie zur Behörde – die im Zuge der Internationalen Bauausstellung IBA 2013 schräg gegenüber vom Hybridhouse gebaut wurde. Der Weg dahin ist heute neu gestaltet, öffentlich nutzbar, für jedermann zugänglich – und führt im besten Fall sogar mitten durch Hamburgs neuen Volkspark.


Info: Rückblick

Wir erinnern uns an das Jahr 2013: Nach jahrelangen Vorarbeiten und teils aufwendigen Bauaktivitäten wurde die Gartenschau im Herzen von Wilhelmsburg eröffnet. Die Gärtner hatten ihre Mühe, die in Gewächshäusern vorgezogenen Frühblüher in den fast noch frostharten Boden zu bekommen. Ein Wettlauf mit der Zeit, denn das Programm mit mehreren Tausend Punkten stand – und schließlich hatte sich Bundespräsident Joachim Gauck angesagt. Es folgte der gefühlt bescheidenste Sommer aller Zeiten und am Ende ein finanzielles Desaster – die erwartete Besucherzahl war bei Weitem nicht erreicht worden. Das Defizit betrug 37 Millionen Euro.

>> Nach dem 31. Dezember 2014 geht die igs-Gesellschaft nach dem GmbH-Recht ins sogenannte Liquidationsjahr. Erst danach wird sie endgültig aus dem Handelsregister gelöscht. wb