Warum nicht einfach verbuddeln . . ?

Dr. Jürgen Pietsch Foto: Wolfgang Becker

Wohin mit dem Kohlendioxid? Jürgen Pietsch hat eine interessante Idee – vor allem für Unternehmen, die CO2-neutral werden wollen.

Für innovative Ideen ist er immer zu haben: Dr. Jürgen Pietsch, emeritierter Professor der TU Hamburg (Stadtökologie – Methoden der Umweltplanung) und der Hafencity Universität sowie Begründer des Ecosystems Cultivation Office mit Sitz in Harburg, schlug schon den Bau einer Seilbahn vor, um den Schwarzenberg in Harburg mit dem Binnenhafen zu verbinden. Er sorgte sich um die Luftqualität in den Städten und erfand vertikale mit Moos begrünte Filterwände. Jetzt treibt den 74-Jährigen der Klimawandel um. Gemeinsam mit Dr. Heino Kamieth (Hannover) stellte er in Hamburg ein Verfahren zur CO2-Speicherung im Boden vor. Im Fokus: die Kleingärten. Und ganz nebenbei könnten um Nachhaltigkeit bemühte Unternehmen im Zuge der Finanzierung des Projekts Zertifikate erwerben und sich einen „klimaneutralen Fußabdruck“ verschaffen.

Kohlendioxid in der Atmosphäre gilt als einer der Haupttreiber der Erderwärmung und damit des Klimawandels. Doch wohin mit dem Klimakiller, der auf der Erde in großen Mengen vorkommt und Teil des Systems ist. Kohlenstoff ist ein Grundbaustein der Natur und beispielsweise in Wäldern und Mooren gebunden. Die Idee von Pietsch: Wenn Holz nicht verbrannt, sondern zu Holzkohle verkokt wird, bleibt das CO2 darin gebunden. Er hat ein Substrat entwickelt, das aus Humus sowie Holzkohle und einem weiteren Bestandteil zusammengemischt wird und als Stabilisator in den Boden eingebracht werden kann. Dort wäre das CO2 zumindest für ein paar Jahrzehnte sicher verwahrt. Die Holzkohle hätte zudem einen positiven Einfluss auf die Bodenqualität.

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Über Aufforstung oder die Renaturierung von Moorflächen zur CO2-Speicherung wird seit Jahren gesprochen. Die Speicherung im Boden ist ebenfalls ein Thema – und zwar ganz aktuell, da es auf politischer Ebene eine Debatte darüber gibt, ob CO2 in tiefe Bodenschichten verpresst werden kann und soll. Eine Art Anti-Fracking. Das Duo Pietsch/Kamieth hat aber einen ganz anderen Ansatz und mittlerweile die Puzzleteile im oben beschriebenen Verfahren zusammengefügt: Der Grundstoff, nämlich Holzabfall in Form von Baumschnitt, fällt in Kommunen stetig und in großen Mengen an. Mit den Abfallentsorgern stünden institutionelle Akteure zur Verfügung, die auf ihren Betriebshöfen oder als Part einer Verbrennungsanlage auch Pyrolyse-Öfen betreiben könnten (wird in Freiburg und Darmstadt bereits praktiziert), in denen beispielsweise aus geschreddertem Baumschnitt Holzkohle werden kann. Die Kleingärten gelten als städtische Öko-Inseln, die sich durchaus naturnah verstehen und die CO2-Speicherung organisatorisch leisten können – ein großer Imagegewinn. Und: Insbesondere Finanzdienstleister und Versicherer dürften beim Bestreben nach Klimaneutralität ein Interesse daran haben, zertifizierten Klimaschutz nicht im unkontrollierbaren fernen Regenwald (beispielsweise durch kommerziell organisierte Aufforstungsprojekte), sondern quasi in Rufweite zu realisieren – in den Kleingartenanlagen vor der Haustür.

So passe alles zusammen, sagt Pietsch. Seinen Berechnungen zufolge könnten allein in den rund 35 000 Hamburger Kleingärten etwa 50 000 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr dauerhaft gespeichert werden. Das klingt gemessen am Gesamtproblem überschaubar, aber im Nachhaltigkeitsbericht der Haspa sind beispielsweise 6322 Tonnen ausgewiesen, die die Sparkasse pro Jahr an CO2-Äquivalenten zu kompensieren hat. Was es speziell mit den Kleingärten auf sich hat, erläutert Pietsch so: „Natürlich ließe sich das ‚ECO-Klimaschutzsubstrat S‘ auch auf Ackerböden einbringen. Untersuchungen haben aber ergeben, dass speziell Gartenböden aufgrund der zumeist ausgeprägten Humusschicht sechs Mal mehr CO2 speichern können als normale Böden. Hinzu kommt: Das Substrat muss in der richtigen Dosierung eingebracht werden, um den Boden optimal zu verbessern. In Kleingärten sind in der Regel Fachberater vorhanden, die für den korrekten Einsatz sorgen können.“ Enger Kontakt zur „Bahn-Landwirtschaft“ in Karlsruhe, einer bundesweit tätigen Folgeorganisation ehemaliger Bahner-Kleingärten, die auch Flächen in Hamburg hat, ist bereits geknüpft. Gespräche mit der Stadtreinigung Hamburg hat Pietsch auch geführt.

Das Monitoring für das CO2-Projekt, das sich zunächst auf Hamburg konzentrieren würde, und damit auch die Zertifizierung soll eine gemeinnützige GmbH übernehmen. Sukzessive könnten dann regionale Gesellschaften entstehen. Pietsch sieht seine Rolle als Berater. Er schließt allerdings nicht aus, dass es das Substrat eines Tages auch in den Handel gelangen könnte – so etwa wie Kompost­erde, die beispielsweise auf den Recycling­höfen im Landkreis Harburg angeboten wird.


Vorausschauend hat er schon mal einen Markennamen eintragen lassen: „HortiPreta“ – abgeleitet vom Begriff Hortisol. Darunter ist ein seit langer Zeit intensiv genutzter Gartenboden mit mächtiger Humusschicht zu verstehen – das ideale Speichermedium für CO2 im Holzkohleformat, sagt der Stadt- und Landschaftsplaner. Pro Quadratmeter, so Pietsch, ließen sich ein bis acht Kilogramm Substrat einarbeiten. Das entspräche einer Bindung von drei bis 24 Kilogramm Kohlendioxid, da ja nur der Kohlenstoff, nicht aber der im CO2 vorhandene Sauerstoff eingelagert würde.

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