Wie sich Personal gewinnen und halten lässt

Foto: Claudia MichaelisDas Thema Fachkräfte mal von der anderen Seite rundum beleuchtet: Beim Talk des Wirtschaftsvereins im Ambiente der Buxtehuder Diskothek Studio 21 verrieten erfolgreiche Unternehmer und junge Fachkräfte ihre Rezepte gegen den Fachkräftemangel (von links): Dennis Dreier, Jowita Tagay, Ann-Christine Lehmann, Johanna Steffen, Carlo Dannies und Ralf Dietz mit Moderatorin Anping Richter. Nicht auf dem Bild: Moderatorin Theres Schichta. Foto: Claudia Michaelis

Wirtschaftsverein Buxtehude lädt zur Talkrunde „360 Grad“.

Fachkräftemangel knebelt die Wirtschaft in allen Branchen, aber es geht auch anders: Bei einer Talkrunde des Wirtschaftsvereins Buxtehude verrieten Unternehmer und junge Fachkräfte ihre Erfolgsgeschichte und was sie Arbeitgebern und Jobsuchenden raten.

Statt der üblichen Klagen über den Personalmangel hat sich der Wirtschaftsverein dem brandaktuellen Thema mal von einer anderen Seite genähert und Unternehmer, die keine Probleme mit der Personalgewinnung haben, sowie junge Fachkräfte, die sich ihre Arbeitgeber aussuchen können, zu einer Talkrunde geladen. Moderiert von Tageblatt-Redakteurin Anping Richter und Theres Schichta, Geschäftsführerin der Beratungsfirma TSL-Training, gaben die Gäste zum Besten, wie sie Mitarbeiter gewinnen und was jungen Fachkräften selbst wichtig ist bei der Wahl ihrer Arbeitgeber. Fazit nach der gut einstündigen Runde: Weniger ein hohes Gehalt und die Karrieremöglichkeiten sind für junge Fachkräfte bei der Auswahl ihrer Arbeitgeber wichtig als vielmehr Flexibilität bei den Arbeitszeiten, ein angenehmes Betriebsklima und ein guter menschlicher Umgang.

Für Dennis Dreier, Geschäftsführer des Buxtehuder Sanitär- und Heizungsbetriebs Husmann & Dreier, sind das die Faktoren, auf die der 33-Jährige seinen Erfolg bei der Mitarbeitergewinnung baut. Mit 25 Jahren machte sich Dreier selbstständig und führt heute eine Firma mit 17 Mitarbeitern. Von Schichta nach seinem Top-Tipp befragt, sagt Dreier: „Ein ordentlicher Umgang mit den Mitarbeitern, auf die Leute individuell eingehen und hören, was sie wollen. Das Wichtigste ist ein vernünftiges Miteinander.“

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Mitarbeiter an erster Stelle

Mit einem ähnlichen Führungsstil ist Jowita Tagay, Geschäftsführerin des Entlastungsdienstes Tagay, erfolgreich. 2019 gründete sie ihren Dienst, der Menschen im häuslichen Umfeld unterstützt. Heute betreut die gelernte Altenpflegerin mit 36 Mitarbeiterinnen 400 Kunden im Kreis Stade und 110 Kunden im Landkreis Cuxhaven. Wie es ihr gelingt, in dieser vom Fachkräftemangel besonders gebeutelten Branche Personal zu gewinnen und zu halten, wollte Moderatorin Richter wissen. „Die Mitarbeiter sind für mich die Nummer eins, denn wenn sie nicht da sind, können wir den pflegebedürftigen Menschen nicht helfen“, sagte Tagay. Sie setzt auf einen kollegialen Führungsstil. „Ich versuche, die Mitarbeiter zu verstehen. Und wenn Probleme auftauchen, stehe ich hundertprozentig hinter ihnen.“

Carlo Dannies ist Geschäftsführer der Hafen IT und leitet ein Unternehmen in einer Branche, in der sich der Nachwuchs die Arbeitgeber reihenweise aussuchen kann. Vor zwei Jahren gründete er seine Firma mit 17 Mitarbeitern und ist guter Dinge, dass er die 10 bis 14 Leute, die er noch einstellen möchte, auch bekommen wird. Anstand und Transparenz, eine gute Fehlerkultur und flexible Arbeitszeiten, um auch auf die Bedürfnisse von Familien einzugehen, sind sein Credo. „Wichtig ist uns, über eine gute Unternehmenskultur ein Umfeld zu schaffen, in dem die Mitarbeiter gerne arbeiten.“

Auch sein Handwerk leidet sehr unter dem Fachkräftemangel. Wie er damit umgehe, wollte Anping Richter von Ralf Dietz wissen. Der Buxtehuder Bäckermeister führt einen alteingesessenen Familienbetrieb, seine Kinder sind in fünfter Generation bereits ins Team eingestiegen. Ein gutes Betriebsklima, zu dem auch gemeinsame Unternehmungen gehören, und vor allem, seine Angestellten nicht zu überstrapazieren, sind bei Dietz das Erfolgsrezept. Er sei der einzige Bäcker im Umkreis von zehn Kilometern, der sonntags geschlossen habe, erläuterte Dietz. „Arbeitszeit ist kein Gummiband, wir können das nicht endlos dehnen, man muss auch für Entspannung sorgen.“

Work-Life-Balance ist wichtig

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Und worauf legen die umworbenen Fachkräfte bei der Wahl ihrer Arbeitgeber Wert? Johanna Steffen hat vor kurzem ihr Sozialpädagogik-Studium beendet und sich nach reiflicher Überlegung für einen Job bei der gemeinnützigen Gesellschaft Die Brücke in Lübeck entschieden. Die Haltung des Unternehmens und die Qualität der Arbeit waren dabei Kriterien, „Sinn vor Geld“ ihr Motto. Sie wollte keine Vollzeitstelle, Work-Life-Balance sei ihr wichtig, weil sie lange in ihrem Beruf arbeiten will. Ihr Tipp an Arbeitgeber: „Wirklich auf die Menschen schauen und nicht vergessen, welche Werte eigentlich wichtig sind.“

Ann-Christine Lehmann aus Jork ist Wirtschaftsingenieurin und war gerade in ein Unternehmen der Luftfahrtbranche eingestiegen, als Corona und Kurzarbeit sie einholten. Diese Zeit konnte sie aber nutzen, weil ihr die Firma die Möglichkeit zu Fortbildungen und zum Wechsel in einen anderen Zweig bot, der ihr noch besser gefällt. Auch sie sagt: „Es muss fachlich und menschlich passen, die entsprechende Führungskultur muss da sein.“