Attacke! Der Hollenstedter Unternehmer Andreas Kirschenmann geht in die digitale Offensive

Foto: Wolfgang BeckerAndreas Kirschenmann, Inhaber von Gastroback in Hollenstedt, steht im neuen Gastroback-Store in Lüneburg. Er demonstriert, wie sich die analoge Einkaufswelt mit der digitalen Welt verbinden lässt. || Foto: Wolfgang Becker

Ein volldigitalisiertes
Einzelhandelsexperiment mitten in Lüneburg.

Er ist Unternehmer, Inhaber von Gas­troback (Küchengeräte) in Hollen­stedt, Marketing-Experte und Präsident der Industrie- und Handelskammer Lüneburg-Wolfsburg: Andreas Kirschenmann hat viele Gründe, sich speziell mit dem Einzelhandel auseinanderzusetzen. Er weiß um die Probleme der Geschäftsinhaber, beobachtet die Erosion der Einzelhandelsstruktur in den städtischen Fußgängerzonen und sieht die Chancen der Digitalisierung. Während viele Geschäftsinhaber zum Rückzug blasen und die Öffnungszeiten reduzieren, hat Kirschenmann in Lüneburg ein spektakuläres Experiment gestartet und den ersten volldigitalisierten Gastroback-Store eröffnet. Selbstversuch und Perspektivwechsel gleichermaßen.

Die Grapengießerstraße in Lüneburg ist eine klassische Fußgängerzone. Im Jahr zwei der Pandemie kämpfen auch hier viele Geschäftsinhaber um ihre Zukunftsperspektive, doch die hochschnellenden Infektionszahlen im Herbst 2021 sind Gift für die Nerven. Der stationäre Einzelhandel muss sich neu erfinden. Doch wie geht das? Eine Antwort findet sich in der Grapengießerstraße 46. Ein langgestrecktes Ladengeschäft mit einem vergleichsweise kleinen Schaufenster. Hinter der Scheibe entfaltet sich die technische Welt von Gastroback. Unter diesem Namen vertreibt Kirschenmann eine breite Palette von Elektrogeräten rund um die Küche. Üblicherweise trifft der Kunde im Elektrofachmarkt auf Gastroback. Die Geräte sind überwiegend in mattem Edelstahl designt und fallen schon aufgrund ihrer technischen Anmutung ins Auge – die meisten hat Kirschenmann selbst entwickelt.

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Lieferung frei Haus inklusive

Zwischen den Tischen, auf denen etwa 100 Geräte vom Toaster bis zur Siebträgerkaffeemaschine stehen, fallen große Bildschirme auf. An jedem Gastroback-Gerät hängt zudem ein QR-Code. Warum, erläutert Sigrid Weber, die als Store-Managerin vor Ort ist: „Die Kunden können den Code mit dem Smartphone scannen und sind sofort online. Sie können sich einen Film anschauen, der das Gerät in Betrieb zeigt, bestellen und bezahlen. Wer den Toaster mitnehmen möchte, kann das tun, ansonsten liefern wir kostenlos frei Haus. Wer uns besucht, der soll die Welt von Gastroback kennenlernen und sich ganz entspannt zurücklehnen. Deshalb lautet meine erste Frage auch oft: Was kann ich Ihnen anbieten?“

Im hinteren Bereich des Gastroback-Stores ist ein Küchentresen mit Bistrostühlen aufgebaut. Eine Kasse sucht man vergeblich, stattdessen sind hier vor allem an den Wochenenden Küchengeräte in Aktion. Beim Besuch von B&P zeigt Andreas Kirschenmann erstmal seine Barrista-Künste und zaubert drei perfekte Latte macchiato ins Glas. „Um einen guten Kaffee zu machen, braucht man vor allem eines: Zeit.“ Die Mischung aus Gastlichkeit, Digitalisierung („Hier kann man nicht mit Bargeld bezahlen“) und einer attraktiven Produktpalette sorgt umgehend für eine ungewohnt entspannte Atmosphäre. Nach demselben Prinzip geht auch der schwedische Möbelkonzern Ikea derzeit neue Wege (siehe B&Pimpact auf den Seiten 4 und 5). Shoppen als Erlebnis – eigentlich genau das, wovon viele Geschäftsinhaber träumen.

Neue Sicht auf den Einzelhandel

Während Sigrid Weber etwas Ingwerpulver sowie zwei Messerspitzen Zimt und Kardamom in den Latte macchiato rührt, sagt Andreas Kirschenmann: „Hier trifft der stationäre Einzelhandel auf die digitale Welt. Wir verzahnen den traditionellen Laden mit dem Cyper-Deal. Der Kunde bestellt automatisch online und bekommt im Laden denselben Preis wie im Internet.“ Und. „Mir macht es unheimlich Spaß, hier im Laden auf unsere Kunden zu treffen. Dabei kommen sogar Ideen für neue Entwicklungen zustande. Der direkte Kontakt ist sehr wertvoll. Vieles habe ich hier selbst auf- und angebaut – das ist eine coole Erfahrung. Und in meiner Rolle als IHK-Präsident sehe ich das ganze Einzelhandelsthema jetzt noch einmal aus einer neuen Perspektive.“

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Auf Lüneburg fiel die Wahl, weil die Stadt „quirlig, jung und auch für Touristen attraktiv“ ist, erläutert Kirschenmann. Von der Idee bis zur Eröffnung des Stores brauchte er gerade Mal zwei Wochen. Sigrid Weber: „Das ging nach dem Motto ‚Gedacht – gemacht‘. Natürlich haben die Mitarbeiter in Hollenstedt die Spontanaktion sehr unterstützt, aber wir wollten nicht erst lange planen und uns verzetteln. Erst die Idee und dann: Attacke!“

„Die Marke entsteht hier“

Das Ergebnis: In Lüneburg ist nun Smart-Shopping möglich. „Unsere Welt ist hier“, sagt Andreas Kirschenmann und zeigt auf den großen Bildschirm an der Wand, auf dem just in dem Moment ein vielversprechendes Schweinefilet auf den Grill gelegt wird. Natürlich digital, versteht sich. Der Unternehmer: „Für uns ist das auch in anderer Hinsicht ein spannendes Experiment: Die Marke Gastroback entsteht hier. Und: Es kommen Kunden herein, die uns kennen und begeistert sind. Neulich sagte jemand, das sei hier ja wie im Apple-Store.“ Unter Einzelhandelsgesichtspunkten ein digitaler Ritterschlag. Bis Ende Januar ist der Gastroback-Store in der Grapengießerstraße gemietet – mit Option auf Verlängerung. Kirschenmann: „Wenn der Pilot funktioniert und sich die analoge und die digitale Welt zusammenbringen lassen, dann rollen wir das Store-Konzept bundesweit in unseren sechs Vertriebsgebieten aus.“ wb

>> Web: www.gastroback.de