Airbus stellt 250 neue Mitarbeiter ein

Die Nordenhamer Airbus-Mitarbeiter sollen im Verlauf des Jahres 250 neue Kollegen bekommen. Foto: Heilscher

Zahl der Frauen soll im Unternehmen aufgestockt werden – Arbeitgeber suchen händeringend Fachkräfte.

VON CHRISTOPH HEILSCHER

Im zweiten Jahr hintereinander stellt Airbus weltweit 13.000 neue Mitarbeiter ein. Airbus-Arbeitsdirektor Marco Wagner sprach jetzt von der größten Einstellungsoffensive in der Geschichte des Unternehmens. 3500 Mitarbeiter werden für die deutschen Werke gesucht, davon 1900 im zivilen Flugzeugbau und 250 in Nordenham. Das Nordenhamer Werk steuert damit wieder auf eine Gesamtbeschäftigtenzahl von rund 3000 zu – vorausgesetzt, Airbus findet das Personal. Airbus sucht vor allem Mechaniker und Elektriker.

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In der Wesermarsch und speziell in Nordenham ist längst ein intensiver Wettbewerb um Fachkräfte ausgebrochen. Erst jüngst beschwerte sich der Geschäftsführer von Glencore Nordenham, Thomas Hüser, über Abwerbeversuche durch Airbus. Glencore hat als Reaktion eine Imagekampagne gestartet und bietet seinen Beschäftigten 1000 Euro für die Werbung eines neuen Mitarbeiters oder einer neuen Mitarbeiterin. Das hat auch Airbus getan.

Auch in anderen Industriebetrieben wird geklagt. Und das Handwerk hat in der Wesermarsch ohnehin das Problem, dass immer wieder Gesellen zur Industrie abwandern, weil dort besser bezahlt wird. Airbus lockt zudem mit einem üppigen Prämienlohn, der auf den Metall-Tarif draufgesattelt wird. Hinzu kommen diverse Sonderzahlungen.

Airbus hat sich in der Corona-Krise von einem Teil seines Personals getrennt. Die Leiharbeiter mussten den Betrieb verlassen. Zudem bot der Konzern Mitarbeitern an, gegen Abfindung zu gehen. Mitarbeiter mit langer Betriebszugehörigkeit erhielten Beträge in einer Größenordnung von einer viertel Millionen Euro. Auf die Beschäftigungsgesellschaft folgte der Gang zum Arbeitsamt. Einige dieser Fachkräfte arbeiten inzwischen wieder bei Airbus.

War es nicht ein Fehler, sich von so vielen Mitarbeitern zu trennen, obwohl die Erwartung bestand, dass es nach der Corona-Krise wieder aufwärts gehen würde mit der Luftfahrtindustrie? Allein in Nordenham sind auf diesem Weg rund 300 Beschäftigte ausgeschieden.

Im Nachhinein sei man immer schlauer, antwortet Airbus-Arbeitsdirektor Marco auf diese Frage. Das Angebot zum Ausscheiden gegen Abfindung sei im engen Schulterschluss mit den Betriebsräten erfolgt, betont er. Es sei die Reaktion gewesen auf die Tatsache, dass in der Corona-Krise kaum noch ein Flugzeug am Himmel gewesen sei. Wenn er in einer Zeitmaschine zwei Jahre zurückreisen könnte, wäre dieses Programm mit den Erkenntnissen von heute sicher anders gestaltet worden.

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Haupttreiber für den großen Bedarf nach Arbeitskräften bei Airbus ist die Nachfrage nach Flugzeugen der A-320-Familie. Die Produktionsrate soll von derzeit 45 im Monat bis zum Jahr 2026 auf 75 steigen. Airbus hat 7200 Maschinen in seinen Auftragsbüchern. Aktuell hat Air India die Kaufabsicht für 250 Airbus-Flugzeuge formuliert.

Aber nicht nur die kleineren Maschinen der A-320-Familie boomen, auch nach den großen Fliegern von Airbus steigt die Nachfrage. Auch das ist eine gute Nachricht für Nordenham. In Nordenham werden Rumpfschalen beziehungsweise komplette Rumpfsektionen für die Typen der A-320-Familie und auch für den CFK-Flieger A 350 gebaut, einen Langstreckenjet.

Airbus wolle seine Mitarbeiterstruktur an allen Standorten hin zu einem größeren Frauenanteil entwickeln, kündigt der Arbeitsdirektor an. Derzeit liegt der Frauenanteil bei 20 Prozent. Er soll auf ein Drittel der Beschäftigten steigen.

Airbus setzt beim Personalaufbau auch auf mehr Auszubildende. Wollte die Geschäftsführung in der Corona-Zeit die Zahl der Azubis noch reduzieren, so tritt nun das Gegenteil ein. Airbus erhöht in Nordenham die Zahl der Auszubildenden pro Jahrgang von 40 auf 50.

Der Nordenhamer Airbus-Betriebsratsvorsitzende Michael Eilers, der auch Gesamtbetriebsratsvorsitzender von AirbusAerostructures ist, freut sich, dass es nach der schweren Corona-Zeit wieder aufwärts geht bei den Flugzeugbauern. „Wir haben es hinbekommen, dass die Stammbelegschaft aufgebaut wird und dass die Leiharbeitskräfte nach und nach übernommen werden“, betont er. Zurzeit arbeiten rund 200 Leiharbeiter bei Airbus in Nordenham. Die sollen sukzessive einen Festvertrag bekommen.

Die Suche beziehungsweise Ausbildung von Fachkräften geschieht vor dem Hintergrund eines Arbeitsmarktes, der sich stark verändert hat. „Der Arbeitsmarkt hat sich zu einem Bewerbermarkt entwickelt“, betont Marco Wagner. Das ist für fast alle Branchen eine Herausforderung. Das gehe einher mit gestiegenen Ansprüchen von Arbeitnehmern beim Thema Work-Life-Balance, erläutert der Airbus-Arbeitsdirektor.

„Wir erleben einen tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel“, sagt Thomas Sturm, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft. Durch den Wechsel der Babyboomer-Generation in die Rente, der nun ansteht, werde sich das Problem noch verschärfen. Es werde in vielen Bereichen künftig nicht mehr möglich sein, die Nachfrage so wie heute abzudecken. „Unsere Kunden werden sich darauf einstellen müssen“, sagt Thomas Sturm.

In der Nordenhamer Industrie gab es schon vor Jahren den Plan, gemeinsam ein Auszubildendenheim mit pädagogischer Betreuung einzurichten für junge Menschen aus Regionen in Deutschland, in denen es weniger Arbeitsplätze und weniger Lehrstellen gibt als in der Wesermarsch. Doch diese Idee ist nicht weiterverfolgt worden. Der Airbus-Betriebsratsvorsitzende Michael Eilers regt an, diesen Gedanken wieder aufzugreifen. Angesichts des Abgangs der Babyboomer-Generation in den Ruhestand und der sinkenden Schülerzahlen sollte eine Lösung für die Region angestrebt werden. Schließlich bringe es nichts, sich Fachkräfte gegenseitig abspenstig zu machen. In die Diskussion über den richtigen Weg sollten der Landkreis und das Land Niedersachsen einbezogen werden, regt der Betriebsratsvorsitzende an.