Krise sorgt für dickes Minus

Foto: HartmannAlles dicht: Geschäfte in der Bremerhavener Innenstadt. Die Corona-Krise hat dem stationären Handel zugesetzt. || Foto: Hartmann

Der Einzelhandel steht vor gewaltigen Veränderungen – Sorgen um die Zukunft nehmen zu

Von Thorsten Brockmann

Bis Mitte Dezember hätte Birgit May gesagt: „Wir sind mit einem hellblauen Auge davongekommen.“ Aber inzwischen fordert die Geschäftsleiterin von Porzellan Kernreich in Bremerhaven: „Wir brauchen eine Perspektive.“ Mit Verlusten im zweistelligen Prozentbereich habe der stationäre Einzelhandel in Bremerhaven und Bremen das vergangene Jahr beendet, rechnet Karsten Nowak von der Industrie- und Handelskammer vor. Und dabei seien die Geschäfte in den Stadtteilen oder in den Cuxland-Gemeinden noch besser durch die Krise gekommen als die in der Bremerhavener Innenstadt.

Das Statistische Bundesamt berichtet für 2020 von Rekord-Umsätzen im Einzelhandel mit einem Plus von mehr als fünf Prozent. „Das klingt schön“, meint Nowak, die Zahlen seien aber ausschließlich durch den boomenden Onlinehandel zustande gekommen. „Der stationäre Handel ist deutlich zweistellig im Minus“, sagt der für die Branche zuständige Geschäftsführer der Kammer. Der Lockdown zeige, wie wichtig es sei, sich digital aufzustellen. „Der lokale Online-Umsatz wird immer wichtiger“, ist er überzeugt. Einfach nur die Ladentür aufzuschließen, reiche nicht mehr.

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Das sagt auch Susanne Dickmann, die Marktmeisterin des Gewerbevereins aus Bad Bederkesa, die gerade einen Workshop plant: „Wie bekommen wir unsere Sachen ins Internet?“ Enttäuscht ist sie dagegen vom Ergebnis ihrer Umfrage, wie die Einzelhändler denn das vergangene Geschäftsjahr abgeschlossen haben. „Es gab keine einzige Rückmeldung“, sagt sie. Ihr Eindruck sei aber, dass nur die Branchen, die nicht vom Lockdown betroffen seien, gute Umsätze gemacht hätten.

Von 20 Prozent Minus gegenüber 2019 berichtet Schuh-Einzelhändler Rolf Müller aus Beverstedt, was sich auch mit den bundesweiten Zahlen seiner Branche deckt. Dabei seien die Umsätze nach dem ersten Lockdown und über den Sommer sogar sehr gut gewesen. „Der ländliche Raum hat da profitiert“, ist Müller überzeugt. Seit Mitte Dezember liefert Müller nun Schuhe nach Hause, nimmt Bestellungen über einen eigenen WhatsApp-Kanal entgegen. „Wir verkaufen auch jetzt“, sagt der Unternehmer, aber er plädiert aus Sorge um den volkswirtschaftlichen Schaden dafür, die Geschäfte im Februar wieder zu öffnen.

Es wird zunehmend schwieriger“, sorgt sich auch Birgit May vom Bremerhavener Porzellan- und Küchenbedarf-Händler Kernreich. Die Verluste aus dem ersten Halbjahr 2020 seien aufzufangen gewesen, „aber jetzt machen wir uns Sorgen“. Eine Reaktion: Kernreich will in diesem Jahr einen Online-Shop aufbauen.

Nowak erwähnt in diesem Zusammenhang auch den „Digitallotsen“ und das Bemühen, ein lokales Online-Angebot aufzubauen, um die Geschäfte vor Ort zu stärken. Auch Plattformen wie „jetzt-kaufen-in-bremerhaven“ und „heimatpräsent“ seien für den Handel eine gute Chance, sichtbar zu sein.

Die Corona-Pandemie werde einen erheblichen Strukturwandel mit sich bringen, ist IHK-Geschäftsführer Nowak überzeugt. Ohne das Virus mit all seinen Folgen wären auch die Chancen für eine Fortführung von Karstadt in der Bremerhavener Innenstadt erheblich besser gewesen, sagt er. Profitiert habe dagegen der Handel mit Möbeln, Haushaltsgeräten, Fahrrädern und Baubedarf, auch der mit Elektronikgeräten. „Alles, womit wir es uns zu Hause schön machen konnten“, sagt Nowak. Nach Puzzles sei die Nachfrage zeitweise so groß gewesen, dass es Lieferengpässe gegeben habe. Die Senkung der Mehrwertsteuer bis zum Jahresende habe sich dagegen gar nicht auf das Verhalten der Käufer ausgewirkt, so der Handelsexperte. Er lobt aber die Bremer Landesregierung, auch wenn es zahlreiche Beschwerden gegeben habe, dass die Hilfen zu lange gedauert hätten.

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