Auf einen Kaffee mit Olaf Woggan

Auf einen Kaffee mit Olaf Woggan, Vorstandsvorsitzender der AOK Bremen/BremerhavenAuf einen Kaffee mit Olaf Woggan, Vorstandsvorsitzender der AOK Bremen/Bremerhaven. Foto: Heumer

Unser Gesprächspartner heute: Olaf Woggan, seit 2013 Vorstandsvorsitzender der AOK Bremen/Bremerhaven. Seine Themen bei einer Tasse Kaffee sind auch für Teetrinker wichtig: Gesundheit im Betrieb, der drohende Pflegenotstand und die richtigen Wege zu einer neuen Unternehmenskultur.

Allgemeine Ortskrankenkasse AOK – es war ganz schön clever, diesen sperrigen Begriff durch die Gesundheitskasse zu ersetzen. Marketingidee oder Versprechen? 

Der Begriff stammt aus den 1980er Jahren und war in der Tat wohl eher eine Marketingidee. Es gehört ganz viel zum Thema Gesundheit, etwa gesunde Ernährung, seelische Gesundheit, Zufriedenheit im Beruf und im Privatleben, und das ist ein Bewusstsein, das sich erst in den letzten 20 Jahren entwickelt hat. Das gilt auch für das steigende Interesse von Arbeitgebern, mit uns gesundheitsfördernde Projekte im Betrieb zu starten. Es geht ja nicht nur darum, dass die Beschäftigten länger arbeitsfähig bleiben. Es sind auch Maßnahmen, mit denen Arbeitgeber ihre Attraktivität erhöhen. Es ist heute nicht ungewöhnlich, dass Bewerber ihren potenziellen neuen Arbeitgeber auch danach fragen, ob er entsprechende Angebote hat.

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Haben Sie als AOK etwas von diesem Trend, den Sie mit gesetzt haben? 

Es hat sicher dazu beigetragen, dass wir die größte Kasse im Land Bremen geblieben sind. Wir wachsen deutlich schneller als der Markt, während andere Kassen teilweise schrumpfen. Obwohl wir mit Bremen und Bremerhaven nur einen begrenzten Markt haben, sind wir in den vergangenen drei Jahren jeweils um 10000 Versicherte gewachsen. Was uns besonders freut: Zu uns kommen vor allem junge Menschen, das Durchschnittsalter der Neukunden liegt bei 26 Jahren.

Und das hat der Begriff „Gesundheitskasse“ bewirkt? 

Die Gesundheitskasse ist eine richtige Marke geworden. Wir sind ein bisschen moderner und frischer aufgestellt als der Durchschnitt der Kassen. Wir melden uns zu Gesundheitsthemen, und wir haben uns zum Beispiel sehr früh zu der Flüchtlingsthematik positioniert und mit unseren Möglichkeiten dazu beigetragen, diese Menschen zu integrieren. Wir nehmen unseren Platz in der Gesellschaft aktiv ein. Das honorieren insbesondere junge Menschen. Die AOK Bremen/Bremerhaven ist mit 260000 Versicherten im Durchschnitt jünger als die anderen Kassen in Deutschland – 41,7 statt 44 Jahre. Aus dem Gesundheitsfonds bekommen wir aber weniger Geld pro Versicherten, weil die Mittelzuweisung für jüngere Versicherte geringer ist. Trotzdem haben wir drei wirtschaftlich erfolgreiche Jahre hinter uns und konnten Anfang 2018 den Zusatzbeitrag auf 0,8 Prozent senken.

Ihre Leistungen sind weitgehend gesetzlich festgelegt.

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Wir haben Spielraum, die Ausgaben zu steuern. Zum Beispiel können wir Rabattverträge mit den Arzneimittelherstellern abschließen. Das nutzen wir intensiv für eine Versorgung unserer Versicherten, die ohne Qualitätsverluste weniger kostet.

Werden Sie diese hohen Qualitätsstandards langfristig halten können? 

Als AOK entwickeln wir uns mit dem niedrigen Altersdurchschnitt im Moment gegen den demographischen Trend. Damit sind wir sehr glücklich. Aber die großen Themen treffen uns auch: der Pflegenotstand und der Ärztemangel. Beides werden wir nur in den Griff bekommen, wenn wir das System an verschiedenen Stellen verändern. Wir müssen die Versorgung so organisieren, dass mit weniger personellem Aufwand das Gleiche oder mehr erreicht wird. Wir müssen im Krankenhausbereich viel mehr als heute Prinzipien von Arbeitsteilung und Spezialisierung zugrunde legen. Nur so werden wir mit weniger Personal mehr Menschen versorgen können.

Wie kann das mit der Vielzahl von privaten und öffentlichen Trägern gelingen, die alle das schönste Stück vom Kuchen haben möchten? 

Wir müssen weg vom Gerangel um den Kuchen hin zu einer klaren Arbeitsteilung, so dass am Ende für jeden schöne und weniger schöne Stücke bleiben. Die Instrumente sind vorhanden. Auch im Land Bremen haben wir die Krankenhaus-Bedarfsplanung, aber sie wird noch nicht in der notwendigen Konsequenz genutzt. Auf Seiten der Krankenhäuser wünsche ich mir mehr Einsicht. Zum Beispiel in Bremerhaven: Dort hat ein Krankenhaus den planerischen Auftrag für die kardiologische Versorgung. Und ein anderer Träger sagt, das will ich auch, weil es eben lukrativ ist. An beiden Standorten wird dann Personal und Gerät in einem besonders kostenintensiven Bereich vorgehalten, während es anderswo fehlt. Die Politik muss bereit sein, das zu ändern.

Für die Mitglieder wird es letztlich eine Frage der Beitragshöhe sein. 

Es wird nicht teurer, sondern effizienter. Die Zeiten, in denen die Qualität davon abhängig war, dass die Krankenkassen mehr Geld in das System gepumpt haben, sind vorbei. Seit ein paar Jahren schaffen es Krankenhäuser nicht mehr, die vereinbarten Budgets auszuschöpfen, weil sie gar nicht mehr das Personal für diese Arbeitsmenge haben. Das ist bei den niedergelassenen Ärzten im Prinzip genauso. Geld ist nicht mehr das Problem. Wir brauchen Pflegekräfte und junge Ärzte – aber noch viel dringender eine Veränderung überholter Strukturen.

Finden Sie für Ihr eigenes Unternehmen genügend Personal?

Für uns wird das zunehmend schwierig. Deshalb verstärken wir seit mehreren Jahre unsere Ausbildungsangebote. Für das neue Ausbildungsjahr haben wir die Zahl der Stellen von 16 auf 20 erhöht, so dass wir künftig in allen drei Jahrgängen zusammen 60 Auszubildende haben. Das ist für ein Unternehmen unserer Größenordnung schon sehr viel. Man muss dabei auch die Tendenz sehen: Es wird von Jahr zu Jahr schwieriger. Seit zwei Jahren treiben wir deshalb die Digitalisierung stark voran und schauen, wie man viele Prozesse effizienter gestalten kann. Was wir heute mit 680 Mitarbeitern erledigen, müssen wir 2025 mit 600 Beschäftigten bewältigen. Unseren Service bauen wir dagegen weiter aus, beispielsweise durch zusätzliche Geschäftsstellen.

Solche Entwicklungen lösen unter den Beschäftigten schnell Ängste aus.

Veränderungsbereitschaft erreicht man in keinem Unternehmen per Anweisung. Deshalb haben wir 2013 das breit angelegte Projekt „Unternehmenskultur-Entwicklung“ begonnen. Dass wir von Anfang an die Mitarbeiter mitgenommen und auf die notwendigen Maßnahmen im Change-Prozess eingestimmt haben, zahlt sich heute aus. Wir haben den Prozess von der Universität Bremen begleiten lassen. Demnach ist die Mitarbeiterzufriedenheit signifikant gestiegen. Ich kann nur jedem Unternehmen zu dieser Vorgehensweise raten. Es ist ein langer Weg, aber was man erreicht, geht nicht so schnell verloren.

(Wolfgang Heumer)