„So bin ich zu 10 000 FFP3-Masken gekommen . . .“

Foto: Wolfgang BeckerCorona hin, Impfstoff her: Der Harburger Apotheker Ernst Friedrich Menges baut seine Medikamentenfertigung in der Harburger Rathausstraße weiter aus. Die nächsten Investitionen sind für die Analytik und einen automatischen Kommissionierer vorgesehen. Der Plan, einen Ein-Tonnen-Kran in die Apotheke einzubauen, ist mittlerweile umgesetzt. Im Hintergrund hängt „Obelix“ an der Decke – schwere Technik unter anderem für den Transport von pharmazeutischem Rohmaterial. || Foto: Wolfgang Becker

Der Apotheker Ernst Friedrich Menges über Corona, Impfstoffe und eine technische Neuentwicklung im Schulterschluss mit der TUHH

Er ist innovativ, technisch bewandert, immer „in action“ und systemrelevant: Ernst Friedrich Menges, Inhaber der Schäfer-Apotheke in der Harburger Rathausstraße, baut derzeit nicht nur seine eigene Medikamentenproduktion aus, er machte auch seine besonderen Erfahrungen mit der Corona-Pandemie, denn Apotheker waren plötzlich gefragt, als es darum ging, sich im ersten Lockdown medizinisch auszurüsten. Als Mann vom Fach hat Menges wenig Verständnis für Impfgegner und findet es auch nur bedingt komisch, wenn große Bestellungen von FFP3-Masken geordert, aber nicht abgenommen werden.

Menges im B&P-Gespräch: „Am Anfang hatten wir großen Respekt vor der Pandemie. Als Unternehmen stellten wir auf Schichtdienst um, splitteten die Teams, schrieben die Handbücher für unser Qualitätsmanagement neu und stellten sicher, dass wir im Notfall arbeitsfähig bleiben. Die Phase von Februar bis Mai war unglaublich anstrengend. Es herrschte ja überall der Ausnahmezustand. Eine Hamburger Klinik meldete sich bei uns mit einem Notruf – sie brauchten dringend FFP3-Masken für das Personal. Doch woher nehmen? Als es uns endlich gelungen war, die gewünschten 10 000 Masken zu beschaffen, hieß es dann plötzlich ‚Brauchen wir nicht mehr, wir nehmen jetzt die kostenlosen von Herrn Spahn‘. So bin ich zu 10 000 FFP3-Masken gekommen . . .“

„Erfahrungen sammeln“

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Ernst Friedrich Menges ist ein gnadenloser Optimist, der auch solche Erlebnisse noch unter „Erfahrungen sammeln“ verbuchen kann, ohne sich ein Magengeschwür herbei zu ärgern. Er sagt: „Andere Kollegen sind weitaus schlimmer betroffen.“ Zum Beispiel durch die Millionen-Euro-Pleite des Dienstleisters AvP. Das Abrechnungszentrum aus Düsseldorf ist insolvent. Vor allem die knapp 3000 Offizin-Apotheken, die über AvP ihre Rezepte abrechneten, leiden unter der Firmenpleite. Teilweise stehen hohe sechsstellige Abschlagszahlungen aus, die den Inhabern aktuell fehlen, wie die Pharmazeutische Zeitung berichtet. Menges: „Wer AvD-Kunde ist, der hat richtige Probleme.“

Quarantäne? Wir liefern!

Als systemrelevantes Unternehmen beliefert die Schäfer-Apotheke auch zahllose Kunden. Menges: „Also mussten wir ein Lieferkonzept für Quarantäne-Patienten entwickeln. Auch das gelang.“ Die Beschaffung des klassischen Grippe-Impfstoffes für Praxen und Kliniken gestaltete sich dagegen schwieriger: „Da haben wir es tatsächlich mit einem Mangel zu tun – es gab phasenweise zu wenig Impfstoff“, so der Apotheker. Dass er auch E-Rezepte verarbeitet, ist selbstverständlich in diesen Zeiten.

Stichwort Impfstoff: Friedrich Menges hat eine Botschaft für alle Impfgegner parat. „Impfstoffe sind existenziell wichtig und ein Segen für die Menschheit. Ohne sie wäre die Kindersterblichkeit um ein Vielfaches höher.“ Er wird sich auch gegen Covid-19 impfen lassen, sagt aber: „Nicht der erste Impfstoff ist der beste, sondern der, der am nachhaltigsten wirkt.“ Zu dem Zeitpunkt war die Impfstoff-Meldung von Biontech und Pfizer noch nicht raus. Menges rechnet grundsätzlich damit, dass mit den Impfungen frühestens im ersten Quartal 2021 begonnen werden kann. Der Biontech-Durchbruch könnte dazu führen, dass diese optimistische Prognose zutrifft.

Das „Menges-Raketentriebwerk“

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Ungeachtet der Corona-Thematik verfolgt der umtriebige Harburger seine Pläne weiter. Wie ebenfalls berichtet, stellt er seit Jahren individuelle Zytostatika-Dosen für Krebspatienten her. Gemeinsam mit der TU Hamburg hat er eine Absaugeinrichtung für feste Zytostatika-Bestandteile in der Abluft seines Reinraumes entwickelt. Menges: „Das Teil arbeitet mit Unterdruckerzeugung, also mit physikalischen Effekten aus der Luftfahrt. Es sitzt unspektakulär in einem Abluftkanal, durch den pro Stunde 970 Kubikmeter Luft hindurchgeblasen werden. Feste Bestandteile werden durch die Feststoffabsaugung herausgefiltert, sodass nur noch saubere Luft nach außen abgegeben wird.“ Das Bauteil nennt er augenzwinkernd „Raketentriebwerk“. Entwickelt wurde es am Institut für Anlage- und Systemtechnik und methodische Produktentwicklung. Ein Forschungsauftrag mit einem Volumen von 180 000 Euro, wie Menges sagt, der sich das „Raketentriebwerk“ nun patentieren lassen will. Die Neuentwicklung wurde vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert (AIF/ZIM-Projekt). wb

>> Web: www.schaeferapo.de