Hier beginnen innovative Erfolgsgeschichten

Im „Goldfisch“-Foyer an der Blohmstraße im Harburger Binnenhafen. Rea Alp (von links), Mareike Post und Inga Twisselmann betreuen das Förderprogramm „Calls for Transfer“. Foto: Wolfgang Becker

B&P-GESPRÄCH Mareike Post, Rea Alp und Inga Twisselmann stellen das Förderprogramm „Calls for Transfer“ vor.

Mit dem Förderprogramm „Calls for Transfer“ – kurz C4T – hat die Hamburger Behörde für Wissenschaft, Forschung, Gleichstellung und Bezirke eine Lücke geschlossen, die entsteht, wenn Forschung eine vielversprechende Idee hervorbringt, diese aber noch nicht reif für die professionelle Anwendung im Wirtschafts- oder Gesellschaftsleben ist. Forschungserkenntnisse, Erfindungen und innovative Konzepte sollen so einen Weg aus den Hochschulen in die Industrie oder die Gesellschaft finden, also einen Transfer erfahren. Damit gute Ideen nicht aus Geldmangel im Sande verlaufen, können bis zu 30 000 Euro Fördermittel pro Projekt und begrenzt auf ein Jahr bereitgestellt werden.

Das C4T-Team hat seinen Sitz in Harburg und verwaltet unter dem Dach der Hamburg Innovation GmbH (Schwestergesellschaft der Tutech Innovation GmbH) nicht nur das Förderprogramm, sondern geht zwei Mal im Jahr mit den „Calls for Transfer“ aktiv auf die Zielgruppe der potenziellen „Curies“, „Einsteins“ und „Plattners“ aus der gesamten Hamburger Uni-Landschaft zu. Projektträger ist die Technische Universität Hamburg (TUHH). Im B&P-Gespräch erläuterten Projektleiterin Mareike Post sowie ihre Kolleginnen Rea Alp und Inga Twisselmann, wie C4T funktioniert.

Anzeige

Das Transfer-Thema hat viele Aspekte, kann aber im Wesentlichen auf eine Kernfrage reduziert werden: Wie lässt sich die Forschung an den Universitäten in die Gesellschaft, insbesondere die Wirtschaft übertragen? Mit dieser Fragestellung ist die Tutech seit ihrer Gründung vor gut 30 Jahren als Tochter der TU Hamburg unterwegs. Die Hamburg Innova­tion (HI) hat einen breiteren Fokus – nämlich den Wissenstransfer aus allen Universitäten der Hansestadt. Deshalb ist das 2018 gegründete Förderprojekt C4T hier angesiedelt.

Mareike Post: „Wir sind mittlerweile in der zweiten Förderperiode. Seit 2018 haben wir rund 3,5 Millionen Euro Fördermittel für die Forschungsprojekte verwaltet. 118 Projekte wurden in dieser Zeit gefördert, das entspricht etwa einem Drittel der eingereichten Förderanträge.“ Die 365 Einsendungen machen aus ihrer Sicht deutlich, „wie viele Ideen hier vorhanden sind“. Laut Mareike Post geht es bei C4T vor allem darum, „kleine Ideen“ zu fördern und die Antragsteller durch die kritische Initialphase zu begleiten. Kommt es beispielsweise zur Gründung eines Startups, wandert das Projekt zu den Gründungsexperten von „beyourpilot“ (Forschen und Gründen in Hamburg).

Rea Alp betont: „Auch wenn viele Antragstellerinnen und Antragssteller keinen positiven Förderbescheid bekommen, so heißt das nicht, dass sie sich selbst überlassen werden. Wir versuchen, ihnen nachzugehen und andere Wege zu finden.“ Da C4T die interessanten Ideen aus allen Unis auf den Tisch bekommt, ist das Spektrum der konkret geförderten Projekte breit. Es reicht von der KI über die Medizin bis hin zu Nachhaltigkeitsthemen. Sogar die Entwicklung eines Brettspiels wurde schon gefördert. Das an der TUHH entwickelte Nanopflaster zur „Behandlung“ von maroden Betonstrukturen zählt ebenso dazu wie das 3D-Invitro-Diagnostikverfahren „Mo:re“ (https://beyourpilot.de/cases/detail/more-mikrolabor-als-wirtschaftliche-alternative-fuer-tierversuche) oder der Start von traceless, einem Harburger Startup, das mit einem biobasierten Kunststoffersatz viele Preise, darunter den deutschen Gründerpreis, abgeräumt hat und mittlerweile enorme Wachstumsschritte gegangen ist.

Traceless startete bei C4T

C4T steht ganz am Anfang der Erfolgsgeschichten. Mit dem Geld, das den Forschern zur Verfügung gestellt wird (wenn sie denn den Zuschlag erhalten haben), werden auch ganz praktische Dinge finanziert – beispielsweise technische Ausstattung, Strahlungszeiten im DESY, um eine Forschungsarbeit voranzutreiben, oder ein „Proof of Concept“, also eine Analyse, die darüber Aufschluss geben soll, ob eine Idee wirtschaftlich tragfähig sein kann. Abseits der technischen Themen kommen auch die Geisteswissenschaftler zum Zuge. So wurde über C4T beispielsweise eine Ausstellung zum Spannungsfeld zwischen Folgenlosigkeit und Nachhaltigkeit (https://hamburginnovation.de/2021/03/18/stipendien-fuer-nichtstun-kuenstlerische-auseinandersetzung-mit-nachhaltigkeit/) mitfinanziert.

Anzeige

„Fehlzündungen sind einkalkuliert“

Mareike Post: „Wer auf den Calls for Transfer antwortet, den wir in der Regel zwei Mal im Jahr durchführen, und sich innerhalb der sechswöchigen Bewerbungsphase meldet, sollte sich vorher die Frage stellen, wie innovativ die Idee tatsächlich ist. Wir unterstützen Projekte, die neu oder neu gedacht sein müssen. Darüber hinaus ist es wichtig, dass das Vorhaben in irgendeiner Form praktisch realisierbar und damit anwendbar ist.“ Es geht also um die so genannte Innovationshöhe, den innovativen Anteil von Projekten, und die Anwendbarkeit. Die C4T-Leiterin: „Fehlzündungen sind einkalkuliert. Aber es gibt so viele kreative Leute da draußen, die extrem smart sind und das nötige Kleingeld brauchen, um weiterzumachen.“

40 bis 70 Bewerbungen gehen pro Call ein. Ein neunköpfiges Gremium mit Gutachterinnen und Gutachtern aus namhaften Unternehmen und Institutionen bewertet die Einsendungen und diskutiert im Rahmen einer mehrstündigen Sitzung darüber, welche Idee Potenzial hat und entsprechend gefördert werden sollte. Ein gutes Dutzend Kandidaten macht jedes Mal das Rennen und wird dann vom C4T-Team durchs Jahr begleitet. Mareike Post hofft nun auf grünes Behördenlicht für die dritte Förderperiode: „Es gibt unfassbar viele Ideen. Die brauchen eine Chance. Dafür sind wir da.“

C4T-Projekte

Plastol – Öl aus Plastikabfall

Die Umwandlung von Plastik­abfällen in Öl, und damit in Brennstoff für die ebenfalls umweltbelastende Autoindustrie, steht im Zentrum des Projekts „Plastol“. Dafür soll das seit 2009, in Zusammenarbeit von der HAW Hamburg und der Nexxoil, entwickelte Verfahren READi genutzt werden. Bisher konnte das Verfahren erfolgreich auf kohlenstoffhaltige Abfälle wie Altfette, Schiffsöle und Altölrecycling-Rückstände angewendet werden.

>> Web: https://www.haw-hamburg.de/forschung/forschungsprojekte-detail/
project/project/show/readi-ptl/

Flüssig-Wasserstoff- Import in LNG-Terminals

In diesem C4T-Projekt soll von Prof. Dr. Sebastian Timmerberg (HAW) untersucht werden, inwiefern LNG-Terminals in Zukunft für den Import von flüssigem Wasserstoff umgerüstet werden können. Im Vordergrund des Projekts stehen die Entwicklung von technischen Lösungsansätzen sowie die Untersuchung systemischer Konsequenzen. Ziel dieses Projekts ist es, ein Konzept zu entwickeln, durch das sich LNG-Terminals nachhaltig nutzen lassen. Das Projekt dient als Ausgangspunkt für ein größeres Forschungsvorhaben.

Proof of Concept – Open Street Pay

OpenStreetPay ist ein Konzept, das digitales Spenden an und Bezahlen für obdachlose Mitmenschen möglich machen soll. Hierzu ist durch das Projektteam (Uni Hamburg) ein detailliertes Testverfahren entwickelt worden, das Bedürfnisse der Betroffenen, den Umgang mit Werten und den Ablauf überprüfen soll.

>> Web: https://openstreetpay.org

Muhtrition – Klima­freundliche Milch durch Algen

Die Erforschung der Kultivierung einer Alge, die als Futtermittelzusatz die klimafreundliche Produktion von Milch auf den Weg bringen soll, steht im Zentrum des Projektes Muhtrition. Aktuelle Studien haben ergeben, dass die Makroalge Asparagopsis taxiformis in Form von Futtermittelzusatz die Bildung des klimaschädlichen Treibhausgases Methan zwischen 80 bis 90 Prozent hemmt. Unter der Leitung von Prof. Dr. Dieter Hanelt, Professor für Aquatische Ökophysiologie und Phykologie an der Universität Hamburg, soll mithilfe der C4T-Förderung eine landgestützte Kultivierungsmethode der Algen entwickelt werden.

>> Web: https://hamburginnovation.de/2022/07/18/13-
neue-projektideen-starten-in-die-naechste-phase/

>> Web: www.hamburginnovation.de/c4t