Mark Zuckerberg liest schlechte SciFi Romane . . .

Prof. Thorsten Hennig-Thurau erklärt das Metaversum beim Neujahrs-Brunch der Süderelbe AG. Foto: Wolfgang Becker

Prof. Thorsten Hennig-Thurau erklärt das Metaversum beim Neujahrs-Brunch der Süderelbe AG.

Hätten Sie’s gewusst? Das Metaversum ist gar keine Erfindung von Facebook-Chef Mark Zuckerberg, sondern tauchte bereits 1992 in dem Science-Fiction Roman „Snow Crash“ von Neal Stephenson auf. Eine von diversen überraschenden und informativen Details, die Prof. Dr. Thorsten Hennig-Thurau (Uni Münster) beim Neujahrs-Brunch der Süder­elbe AG etwa 60 Zuhörern auf einer „Zeitreise durch das Metaverse“ präsentierte. In der Traditionskulisse von Stoof Mudders Kroog im Freilichtmuseum Kiekeberg erklärte der Marketing-Professor vom eXperimental Reality Lab, warum Metaverse so ganz anders als das Internet und damit tatsächlich das nächste große Ding ist – was allerdings kein Grund sei, Stephenson zu lesen: „Nein, ganz ehrlich, lassen Sie das einfach . . .“

In seiner Begrüßung stimmte Dr. Olaf Krüger, Vorstand der Süderelbe AG, seine Gäste auf das Thema ein: „Krise ist die neue Normalität. Deshalb müssen wir die Dinge neu denken.“ Dazu zählen auch Themen wie digitale Interaktion, virtuelle Realität und eben das Internet 2.0 – das Metaverse. Hennig-Thurau stellte klar: „Es geht mir nicht darum, Sie heute für Metaverse zu begeistern oder davon abzuraten, sondern zu fragen, was daran gut ist.“ Metaverse sei die Verwandlung des zweidimensionalen Internets in einen dreidimensionalen Raum. Und: „Metaverse wird nicht von drei oder vier großen Tech-Konzernen aus Kalifornien gefüllt, sondern von Unternehmen aus Lüneburg oder Buxtehude.“

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Umsatzpotenzial: Es geht um Billionen

Der Referent räumte ein, dass er selbst als Marketing-Professor gar keine Neigung hatte, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Doch als ihm Mitarbeiter seines Instituts Ende 2020 die VR-Brille aufgesetzt hätten, habe er die „Möglichkeiten des ersten Moments“ erlebt. 2021 entstand in Münster das eXperimental Reality Lab. Seitdem ist Hennig-Thurau im Metaverse angekommen und surft quasi auf der Welle der Pioniere in eine Zukunftsvision hinein, die für ihn immer mehr zur Realität wird. Und weltweit zu einem Geschäftsmodell: „Goldman Sachs schätzt das weltweite Umsatzpotenzial von Metaverse auf mehrere Billionen Dollar pro Jahr ein. Billionen!“ Für Hennig-Thurau steht außer Frage, dass Unternehmen jetzt damit beginnen sollten, sich mit dem Thema zu befassen und sukzessive einzusteigen. Der Grund: Viele Prozesse werden sich seines Erachtens künftig vom Physischen ins Digitale verlagern. Doch was ist eigentlich Metaverse? Hennig-Thurau: „Eine virtuelle Welt, in der Menschen als Avatare (digitaler Zwilling, d. Red.) miteinander agieren und kommunizieren.“ VR-Brillen wie die Oculus Quest II, die der Referent zum Ausprobieren mitgebracht hatte, seien nur der Zugang in diese Welt. Bereits heute gebe es verschiedene Plattformen wie beispielsweise Altspace, in denen man sich virtuell bewegen könne.

Das Geheimnis: Soziale Nähe

Was das Metaverse so besonders macht und ihn überzeugt habe, erläuterte Hennig-Thurau auch: „Diese Technologie bietet soziale Präsenz. Wer heute im Internet unterwegs sein will, ist zumeist allein. Einkaufen? Das machen Sie allein. Im Metaverse sind Sie gemeinsam unterwegs und tauschen sich direkt aus, indem Sie miteinander sprechen. Audio ist eine ganz entscheidende Komponente.“ Die Avatare, so räumte er ein, seien derzeit eher noch grobe Comic-Figuren. Tatsächglich kommen sie nicht einmal an Mario aus dem Uralt-Computerspiel „Mario Kart“ heran, aber zehn Jahre weiter – was ist da alles denkbar? Wichtig sei die soziale Nähe, so Hennig-Thurau, der auf die Maslowsche Bedürfnispyramide verweist: „Sie ist fundamental wichtig.“

Kauf die digitale Jogging-Hose . . .

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Der Professor hat für sein Uni-Labor bereits einige Räume programmieren lassen und trifft sich beispielsweise mit Studenten zu virtuellen Vorlesungen, in denen jeder als Avatar abgebildet ist – bewegte Bilder mit sprechenden Figuren, die auch mal kollektiv Beifallsäußerungen abgeben. In Echtzeit. Hennig-Thurau: „Sowas hatte ich noch nie erlebt. Da bekommt man sofort eine virtuelle Gänsehaut.“ Anschließend geht es auf einen virtuellen Drink an eine thailändische Strandbar – „okay, das schmeckt natürlich virtuell etwas fade“. Den sozialen Charakter nennt Hennig-Thurau auch Killer-Applika­tion, denn Metaverse habe das Potenzial, die heute bekannte digitale Welt zu verdrängen. Also Schluss mit dem Blättern im Online-Shop – künftig geht es in ein schickes virtuelles Kaufhaus. Oder in die besagte virtuelle Strandbar. Oder was immer einem einfällt. Minigolf in einer Raumstation? Kein Problem.

Und noch etwas: Eingekauft wird keineswegs nur für das reale Leben, sondern auch für den digitalen Zwilling. Hennig-Thurau: „Bereits heute geben Jugendliche in den USA rund 90 Dollar pro Monat für virtuelle Produkte aus.“ Was das sein könnte: Zum Beispiel ein stylisches Outfit für den Avatar. Findet sich auf den Schildern realer Jogging-Hosen der Hinweis „Roblox“ weiß die junge digitale Community Bescheid: Diese Hose kann ich auch meinem Avatar anziehen. 2021 seien mit diesen Produkten weltweit bereits
60 Milliarden Dollar Umsatz gemacht
worden.

Für Unternehmen kann Metaverse aus verschiedenen Perspektiven wichtig sein: Mitarbeiter treffen Mitarbeiter, Unternehmen treffen Kunden. Kunden treffen auf Kunden. Bereits heute nutzen Unternehmen die Möglichkeiten der dreidimensionalen virtuellen Welt, beispielsweise für Workshops, Beratungsgespräche, Meetings. Der Rat des Metaverse-Professors an seine Zuhörer: „Gehen Sie rein! Warten Sie nicht ab. Schauen Sie, welche Mitarbeiter und welche Kunden eine Affinität zu dem Thema haben. Und beginnen Sie klein.“ Zum Start braucht es eine VR-Brille, die etwa 450 Euro kostet. Sie bietet den Zugang in eine Welt, die so gar nicht existiert. So, wie vielleicht auch mancher Avatar. Doch Hennig-Thurau winkt ab: „Die Wahrscheinlichkeit, dass mich ein Avatar betrübt, ist eher gering.“

>> Web: https://xrlab-mcm.space