Gewusst wie: Hier lernen Kraftfahrer alles über den digitalen Fahrtenschreiber . . .

Das große Foyer in den neuen Räumen ist stilsicher mit Paletten-Möbeln ausgestattet: Betriebswirt Sebastian Witte und sein Geschäftspartner Andreas Ott bauen das Unternehmen derzeit aus. Im Hintergrund läuft das Schulungsvideo für die Bediener von digitalen Fahrtenschreibern.

. . . und noch viel mehr – Sebastian Witte stellt die neue sotecs akademie in Stade vor

Es ist fast 45 Jahre her, dass Gunter Gabriel mit seinem Song „Hey Boss, ich brauch mehr Geld“ eine Asphalt-Hymne auf die Lastwagenfahrer schrieb. So viel Trucker-Romantik hatte es bis dato nicht gegeben. Fortan verfestigte sich die Idee von der großen Freiheit „auf dem Bock“ in den Köpfen vieler Menschen. Mit der Realität hat das allerdings schon lange nichts mehr zu tun. Heute herrscht Fachkräftemangel im Verkehrsgewerbe, und die Digitalisierung fegte selbst Klassiker wie die „Tacho-Scheibe“ aus den meisten Fahrerkabinen. Sebastian Witte hat daraus gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Andreas Ott eine interessante Geschäftsidee entwickelt und Anfang des Jahres in Stade mit der „sotecs akademie“ ein Schulungszentrum für digitale Geräte und Software-Anwendungen im Fuhrbetrieb gegründet. Einen Impuls für diesen Schritt setzten die teils restriktiven gesetzlichen Rahmenbedingungen, die für Fahrer und Unternehmer gelten.

Unter anderem bietet die sotecs akademie eine Schulung für Lkw-Fahrer an. Das klingt nach 40-Tonner, beginnt aber bereits bei 3,5 Tonnen. Dreh- und Angelpunkt ist die EU-Verordnung 165/2014, die die Fahrerschulung am digitalen Fahrtenschreibers für Fahrzeuge ab 3,5 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht verpflichtend vorschreibt. Betroffen sind also auch vergleichsweise kleine Transporter. Die berühmte Tacho-Scheibe, die früher die Fahrt- und Ruhezeiten des Fahrers aufzeichnete und damit indirekt sicherstellen sollte, dass er nicht 20 Stunden am Stück hinterm Lenkrad saß, hat so gut wie ausgedient. Heute ist in den Fahrerkabinen ein kleines Gerät montiert, in das eine Fahrerkarte hineingeschoben wird. Digital wird erfasst, wer wann wie lange unterwegs ist. Klingt einfach, ist aber ein Problem, wenn Fahrer ständig andere Fahrzeuge bewegen.

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Sebastian Witte: „Die Vorschriften müssen eingehalten und das Gerät richtig bedient werden, ansonsten drohen sowohl dem Fahrer als auch dem Fuhrparkverantwortlichen empfindliche Strafen – bis zu 3000 Euro für jeden einzelnen Verstoß, beispielsweise falsch durchgeführte Ruhezeiten.“ Hauptproblem: Die beiden Marktführer für diese Geräte, VDO Continental und Stoneridge, haben mit den Jahren immer wieder neue Versionen herausgebracht, sodass derzeit mehr als ein halbes Dutzend Geräte mit unterschiedlicher Bedienung und unterschiedlichen Menüs auf dem Markt sind. Wer ständig andere Lkw fährt, muss diese Versionen beherrschen. Und: Im Frühjahr 2019 kommen beide Anbieter mit einer komplett neuen Gerätegeneration heraus, die dann in neuen Fahrzeugen eingebaut und sich im Zuge der Flottenerneuerung langsam ausbreiten wird.

Daten im Ringspeicher

Witte: „Der digitale Fahrtenschreiber steht für die vollständige Fahrerkontrolle. Hat ein Fahrer eine Schicht hinter sich und steigt am nächsten Morgen wieder ein, fragt es beispielsweise, ob er einen ‚Nachtrag‘ machen möchte. Das ist der Moment, an dem er unbedingt eine Ruhezeit angeben sollte. Fehlen die Ruhezeiten, wird es kritisch. Und mit Ruhe ist übrigens auch Ruhe gemeint.“ Die Daten auf der Fahrerkarte werden mindestens 28 Tage lang in einem Ringspeicher dokumentiert. Der digitale Fahrtenschreiber im Lkw verfügt darüber hinaus über einen Massenspeicher, der die Fahrzeugdaten permanent für die vergangenen 360 Tage wiedergibt.

Nun der Punkt, der Witte aktiviert hat: „Im Artikel 33 der EU-Verordnung steht, dass jedes Verkehrsunternehmen dafür zu sorgen hat, dass seine Fahrer regelmäßig im ordnungsgemäßen Umgang mit dem Fahrtenschreiber geschult und unterwiesen werden, egal, ob der digital oder analog ist. Und: Das Unternehmen haftet für Verstöße gegen diese Verordnung. Allerdings ist nicht definiert, was eigentlich regelmäßig bedeutet.“ Seine Definition: Eine regelmäßige Schulung gilt dann als angemessen ausgeführt, wenn die Fahrer bei der Bedienung keine Fehler mehr machen. Ein Zustand, der in der Praxis nur schwerlich erreicht werden dürfte, da immer mal ein Fehler passiert.

Die Antwort: Ein Schulungsvideo

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Die reguläre Schulung für Fahrer an der Akademie dauert etwa ein bis eineinhalb Stunden. Ein mühsames Unterfangen, wie Witte weiß. Seine Antwort: ein 35-minütiges Lehrvideo, in dem ein erfahrener sotecs-Dozent die derzeit vorhandenen digitalen Fahrtenschreiber erläutert und dem Betrachter mit fünf eingebauten Tests Rückmeldung gibt, ob er alles verstanden hat. Witte: „Wir haben das professionell, aber zugleich authentisch produzieren lassen. Dieses Video ist bundesweit einmalig. Der Unternehmer kann es bei uns kaufen und allen seinen Fahrern an die Hand geben. Das spart Zeit, Schulungskosten und lange Wege.“

Das Video ist erst seit einem Vierteljahr verfügbar, hat aber laut Witte bereits ein großes Echo erzeugt. Kosten: 299 Euro für Firmen mit bis zu 25 Fahrern, 499 Euro für Firmen mit mehr als 25 Fahrern. Im ersten Quartal 2019 wird die sotecs akademie das Video zudem auf Russisch, Polnisch und Englisch herausgeben und um die dann angekündigten neuen Geräteversionen erweitern. Witte ist von seiner Idee überzeugt und plant bereits die nächsten Schritte: „Dann schulen wir online, bieten Webinare an.“ Die Möglichkeit der Präsenzschulung in den neuen Räumen im Sophie-Scholl-Weg 6 im Stader Gewerbegebiet Ottenbeck bleibe aber weiterhin bestehen. wb

sotecs Neben der sotecs akademie betreiben Witte und Ott seit 2012 auch die sotecs GmbH. Diese stattet Fuhrunternehmen und Speditionen mit digitalen Geräten und Softwarelösungen im Bereich Fahrerbetrieb, Disposition und Telematik aus. Hier beraten die Mitarbeiter rund 700 namhafte Kunden in Norddeutschland. Doch Geräte und Software sind nur die eine Seite der Medaille, die korrekte Anwendung ist die andere. Und da wird es schnell kompliziert. Aus diesem Grund entwickelte Witte das Akademie-Konzept. Sotecs steht übrigens für Software, Telematik, Consulting und Solutions. Der 38-Jährige bietet seinen Kunden komplette Lösungspakete an, die nicht nur vor Ort installiert werden, sondern eben auch den Bedienern vermittelt werden. In der Akademie werden beispielsweise Disponenten und Flottenmanager an Telematik-Systemen ausgebildet. Sie planen, optimieren und überwachen den Einsatz der Lkw-Flotte.

Web: www.unterweisungsvideos.de