Kein Ersatzteil für den Oldtimer? Dann drucken wir das eben aus . . .

Im ISI Buchholz: Dieter Bielert ist Spezialist für den nichtindustriellen 3D-Druck – Eine Technologie mit Zukunft.

Dieter Bielert

Für B&P hat sich Dieter Bielert mit einem Karosserie­bauteil in der Hand selbst gescannt. Die Datei ist auf dem Bildschirm rechts zu sehen und kommt auf Wunsch exakt mit der korrekten Farbe als Figur aus dem 3D-Drucker. Foto: Wolfgang Becker

3D-Druck? Ist das nicht ein eher abgehobenes Thema – allenfalls für Airbus geeignet, um leichte Kabinenbauteile aus Titan auszudrucken? Für das breite Spektrum der Wirtschaft oder gar Privatleute ist es jedoch eine Technologie, die nicht ins Bild passt. Oder doch? Dieter Bielert kann da ganz andere Argumente ins Feld führen. Der Elektroingenieur befasst sich seit 14 Jahren mit dreidimensionalen Darstellungen und seit etwa drei Jahren mit dem 3D-Druck im nicht-industriellen Bereich. Sein Unternehmen 3D-Picture.net sitzt im Buchholzer ISI-Zentrum für Gründung, Business & Innovation, das damit zur heimlichen Zentrale des 3D-Drucks im Landkreis Harburg wird.

Wenn Bielert in seine Vitrine greift, fördert er dreidimensionale Objekte zutage, die überraschen: zum Beispiel ein Karosserieteil. Er sagt: „Ich habe häufiger Besitzer von Oldtimern hier, die keine Ersatzteile mehr bekommen. Wenn das Gegenstück vorhanden ist, scanne ich das ein, spiegele es und lasse es ausdrucken – fertig. Das geht schnell und ist vergleichsweise günstig.“ Oder: ein farbloses Plastikarmband aus mehr als 100 ineinander greifenden kleinen Ringen – vergleichbar einem Kettenhemd. Der 58-Jährige: „Es kommt exakt so aus dem Drucker. So ein Gitter ließe sich unter herkömmlichen Bedingungen – wenn überhaupt – nur sehr aufwendig produzieren.“

Geschäftsmodell für potenzielle Gründer

3D-Druck ist derzeit am bekanntesten als Herstellungsverfahren kleiner Figuren. In Hamburg, so Bielert, gebe es mittlerweile mehr als ein Dutzend Unternehmen, die solche Dienste anbieten. Da können sich angehende Ehemänner scannen und als Figur ausdrucken lassen – kleine Überraschung zur Hochzeit. Derlei Dinge interessieren Bielert nur am Rande, denn er ist der Mann, der die Technik verkauft und die Betreiber unterweist: „Mein Geschäft ist der Handel mit 3D-Druckern und 2D-Scannern. Da ich diese Technologie für meine Workshops jedoch beherrschen muss, biete ich bedingt auch die Dienstleistung an – aber ich will meinen Kunden keine Konkurrenz machen.“ Der Ingenieur ist Vertriebspartner der irischen Firma mcore technologies. Das Unternehmen hat ein Patent für den 3D-Papierdruck in Farbe. Das heißt: Egal, was gescannt und ausgedruckt wird – es ist farbig. Bislang kostete so ein Drucker um die 40 000 Euro, sagt Bielert, doch: „Jetzt kommt ein neues Gerät heraus – fünfmal schneller und zu einem Preis um die 10 000 Euro.“ Er gehört zu den vier Händlern in Deutschland, die ihn vertreiben. „Das ist auch ein Thema für Existenzgründer – wir bringen eine Top-Kombination aus Scanner und Drucker zu einem sehr attraktiven Preis heraus.“ Theoretisch lässt sich alles dreidimensional drucken – Metallstaub, Gipsstaub, Polymere, Papier, Porzellan und sogar Lebensmittel. Bielert erzählt: „Tatsächlich auch Lebensmittel. Das wird auf Messen gern vorgeführt. Da werden dann die Figuren für die Hochzeitstorte mit Nutella gedruckt. Ist natürlich eher ein Gag, aber es funktioniert.“

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Warum nicht mit Nutella drucken?

Die Scanner bezieht Bielert normalerweise vom russischen Hersteller Artec 3D. Im ISI Buchholz steht mittlerweile eine Eigenentwicklung von 3D-Picture.net – der 3D-ScanBlaster ist ein Ganzkörperscanner. Ein FDM-Drucker (siehe Info-Kasten), so groß wie eine Telefonzelle, ist ebenfalls vor Ort – das derzeit größte im Handel verfügbare Modell. Das heißt: Bielert kann Figuren oder Bauteile bis 1,90 Meter Höhe in Buchholz ausdrucken.

Die noch junge Technologie eröffnet völlig neue Möglichkeiten. Mit etwas Phantasie lässt sich einiges konstruieren: Wenn Fleurop weltweit Blumen liefern kann, dann könnte dasselbe auch ein ähnlich strukturiertes Unternehmen mit Geschenkartikeln machen. So ließe sich die Datei für ein individuell gestaltetes Tee-Service in Deutschland erstellen und in Neuseeland ausdrucken – Lieferservice vor Ort. Von einer bereits umgesetzten Idee berichtet Dieter Bielert: „Ein Unternehmer in Süddeutschland druckt Urnen aus – die sind deutlich günstiger als die üblichen Behältnisse und zersetzen sich nach einigen Jahren automatisch. Das Verfahren ist zertifiziert und für Friedhöfe zugelassen. In dem Betrieb laufen mittlerweile diverse Drucker Tag und Nacht.“ wb


Verfahren: So funktioniert der dreidimensionale Papierdruck

Objekte in 3D-Papierdruck fühlen sich an, als wären sie aus Kunststoff. Härte, Haptik, Gewicht – alles spricht dafür. Es gibt sogar in Papierform ausgedruckte Flaschenöffner, die ihren Dienst zuverlässig tun. Das Geheimnis liegt im Verfahren: Der Scanner „schneidet“ das gewünschte Objekt in hauchdünne Scheiben. Der Rechner steuert den Drucker. Der zieht für die erste Scheibe ein Blatt Papier auf den Schneidetisch. Mit einem scharfen Messer wird 0,1 Millimeter tief (Blattstärke) die erste Form geschnitten, das gesamte Blatt mit einer Leimschicht (intensiv im Bereich der Grundform, weniger intensiv auf dem überschüssigen Rand) bestrichen. Dann kommt der nächste Bogen Papier. Der Schneidetisch fährt hoch drückt beide Bögen mit einer Tonne Gewicht gegen eine Heizfläche und fährt wieder runter. Schnitt, Leim, neuer Bogen, Druck – Schicht um Schicht wächst das Objekt. So wie die etwa 20 Zentimeter hohe Johanniskirche aus Altona. Sie wird liegend gedruckt, denn je höher ein Objekt, desto teurer. Liegend ist das Kirchenmodell neun Zentimeter hoch und besteht aus 900 laminierten Papierbögen. Produktionszeit: etwa 15 Stunden. wb

FDM-Verfahren

Die sogenannte Schmelzschichtung (beispielsweise FDM – Fused Deposition Modeling) ist eine der populärsten Methoden für das Drucken mit geschmolzenen Materialien. Vor allem Kunststoffe wie ABS oder PLA haben einen hohen Stellenwert eingenommen. Dieses Verfahren zählt derzeit zu der günstigsten Möglichkeit, ein dreidimensionales Objekt zu erzeugen. Im Grunde funktioniert ein solcher Drucker wie eine bewegliche Heißklebepistole. Auf Basis der oben beschriebenen Layer wird ein 3D-Objekt auf einer beweglichen und, um Verzug und Lösung vom Druckbett zu vermeiden, oft beheizten Plattform aufgebaut. Der Druckkopf ist dabei ein beheizter Extruder, der zugeführtes Material (in Draht- oder Stäbchenform) schmilzt. Je nach Modell wird entweder die Düse selbst und/oder die darunter liegende Plattform bewegt, um die Form zu erzeugen. Quelle: 3Druck

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