Von Wellen, Walen und Wissenschaft

So umwirbt die TUHH den potenziellen Ingenieursnachwuchs – Zweite Maritime Nacht begeistert 4000 Besucher

An einem trüben Samstagabend im November ziehen Familien mit Kind und Kegel über den Campus der Technischen Universität Hamburg (TUHH). Normalerweise würden die Gebäude rund um die alte Kaserne am Schwarzenberg um diese Zeit weitgehend verwaist daliegen. Heute herrscht hier Leben. Während der zweiten Maritimen Nacht besuchen mehr als 4000 Menschen von nah und fern die TUHH.

Denn wie bereits vor zwei Jahren präsentierten Wissenschaftler aus renommierten Instituten der deutschen Küste sowie Forscher und Entwickler aus maritimen Unternehmen neue Entwicklungen und Erkenntnisse. Es geht um Meeresforschung, umweltfreundlichere Schifffahrt, Spezialschiffbau, autonom fahrende Schiffe, Klimawandel, schwimmendes Mikroplastik und vieles mehr. Das Publikum kann selbst in die Rolle von Nautikern, Schiffsingenieuren oder Logistikern schlüpfen und sich sogar selbst als Forscher versuchen – so auch Daniel.

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Mit dicken Backen bläst er einen Luftballon auf, der auf einem Röhrchen sitzt. Das Röhrchen führt durch ein Loch im Boden einer Fischdose. Klebstoff sorgt für Halt und Dichtung. Der Neunjährige hat das kleine Blech-Schiffchen hier und heute im Schul-Labor der Deutschen Luft- und Raumfahrttechnik an der TUHH selbst gebastelt. Sobald er es aufs Wasser setzt, schießt es über die Oberfläche, angetrieben von der Luft, die aus dem Ballon gedrückt wird und durch das Rohr unter Wasser entweicht. Das Rückstoßprinzip fasziniert den Neunjährigen. Immer wieder beobachtet Daniel den Effekt. Prüft, ob und wie sich die Festigkeit des Ballons auf Geschwindigkeit und Richtung der Fahrt auswirkt. Gut möglich, dass hier ein zukünftiger Wissenschaftler am Werk ist.

Faszination Technik

Genau das hoffen die Veranstalter der Maritimen Nacht. Organisator ist Wolfgang Mackens, Leiter des School-Lab. Unterstützt wird der inzwischen pensionierte Mathematik-Professor vom Institut für Schiffbau der TUHH und vom Faszination Technik Klub für Kinder und Jugendliche in Hamburg. Beim Start-Tuten mit dem Signalhorn eines großen Frachters ist auch Dr.-Ing. Wolfgang Sichermann dabei, Geschäftsführer des Deutschen Maritimen Zentrums. Die erst im Vorjahr gegründete Plattform will den interdisziplinären Austausch ausbauen und intensivieren. Innerhalb der Branche, mit anderen Industriezweigen, aber auch mit Politik und Verwaltung.

„Die maritime Branche boomt. Die Industrie sucht händeringend Nachwuchs. Wir müssen Kindern und Jugendlichen so früh wie möglich zeigen, wie vielfältig und inspirierend dieses Berufsfeld ist“, sagt Sichermann, der seine eigenen Söhne zur Maritimen Nacht mitgebracht hat. „Es fehlen ja nicht nur Schiffbauingenieure, sondern auch Maschinenbauer, Wirtschaftsingenieure, Elektrotechniker, Radartechniker und weitere Fachkräfte“, ergänzt Dr. Jörg Mutschler, Geschäftsführer des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau VDMA. „Die Schiffe, die heute gebaut werden, werden ja noch in Betrieb sein, wenn Kinder wie diese in 15 Jahren mit dem Studium fertig sind“, sagt Prof. Dr. Stefan Krüger vom Schiffsbau-Institut der TUHH und nickt in Daniels Richtung, der noch immer am Wasserbecken des School-Labs experimentiert.

Ob Jung oder Alt: Die Besucher haben die Qual der Wahl. Das mehrseitige Programmheft listet gut 130 Punkte auf. Verteilt auf mehrere Gebäude gibt es Vorträge, Exponate und Mitmachstationen, vollgepackt mit Informationen und spannender Unterhaltung rund ums Maritime. Wie kommt das größte Containerschiff der Welt nach Hamburg? Gibt es Monsterwellen wirklich? Sind Offshore-Windenergieanlagen eine Lärmkatastrophe für Schweinswale? Wie entwickelt man ein U-Boot? Und wonach suchen Unterwasserroboter eigentlich?

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Die Branche braucht Nachwuchs

„Wir haben interessante Themen aus Naturwissenschaften, Technik und Wirtschaft zusammengestellt“, resümiert Prof. Mackens. „Auch wenn der Mensch die Meere seit Jahrtausenden befährt, sind lange noch nicht alle maritimen Fragen und Phänomene geklärt oder verstanden.“ In zwei Jahren wird es voraussichtlich die nächste Maritime Nacht an der TUHH geben. Denn Mackens fällt es leicht, Institutionen und Firmen zur Teilnahme zu motivieren. „Die Zahl der Rückmeldungen war viel größer, als die von mir verschickten Anfragen. Die Unternehmen haben sich gegenseitig über die Maritime Nacht informiert. Auch das zeigt, wie dringend die Branche Nachwuchs braucht.“ Von Martina Berliner

Web: www.tuhh.de