„Autonom“ durch den Stau? Das macht Sinn!

Treffpunkt Innovation ISI Buchholz: Der Wirtschaftsminister hat’s schon ausprobiert . . .

Tesla-erprobt: Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies eröffnete das Thema „Autonomes Fahren“ im ISI Buchholz. Rechts: Dr. Lothar Grösch ist Physiker und ein gefragter Fachmann für Autosicherheit. Er erläuterte den Stand der Entwicklung und die realistischen Ziele. Fotos: Wolfgang Becker

Olaf Lies, Wirtschaftsminister in Niedersachsen, ist von Haus aus Ingenieur und technischen Innovationen gegenüber stets aufgeschlossen. Das gilt auch für futuristische Themen wie das autonome Fahren, über das Dr. Lothar Grösch, Experte für Fahrzeugsicherheit und Berater der Autoindustrie, auf Einladung der Wirtschaftsförderungsgesell­schaft im Landkreis Harburg WLH beim „Treffpunkt Innovation“ im ISI Buchholz referierte. Da Lies sowieso im Hause war und in seinem Ressort auch für das Thema Verkehr zuständig ist, leitete er den Abend mit dem Kurzvortrag „Die digitale Mobilität“ ein.

„Es ist ungewohnt“

Wichtigste Mitteilung des Wirtschaftsministers: Bis 2015 soll in Niedersachsen die flächendeckende Breitbandversorgung bis ins Haus realisiert sein: „Wir wollen die GigaBit-Gesellschaft ausbauen. Dazu zählt im Übrigen auch der Ausbau der Funkübertragung – unter anderem als Basis für autonomes Fahren.“ Lies zitierte dazu den EU-Digital-Kommissar Günther Oettinger, von dem folgender Satz stammen soll: „Lieber ein Schlagloch als ein Funkloch.“ Lies: „Wir haben noch jede Menge Funklöcher, wollen aber bei der nächsten technologischen Generation auf diesem Sektor am schnellsten und am weitesten sein.“ Was in einem Flächenland wie Niedersachsen durchaus eine sportliche Ansage ist. Aber mehr Datenvolumen, eine höhere Übertragungsrate und eine höhere Geschwindigkeit sind die Grundlage für den Einsatz digitaler Technologie auf der Straße. Autonomes Fahren funktioniert nur bei Echtzeitübertragung.

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Und sie weckt auch bei einem innovativen Minister durchaus zwiespältige Gefühle: „Irgendwie geht einem das ein bisschen zu weit. Es ist ungewohnt.“ Lies berichtete von einer autonomen Testfahrt in einem Tesla und der Frage, ob denn das System einen Kreisel erkenne. Der Minister: „Den erkannte es natürlich nicht. Ich musste eingreifen.“ In die Ertüchtigung der nötigen Infrastruktur sollen in den nächsten 20 Jahren deutschlandweit 215 Milliarden Euro investiert werden – gut zwölf Prozent davon in Niedersachsen. Ein Testfeld für das autonome Fahren wurde in Braunschweig definiert: 280 Kilometer, auf denen auch innerstädtisch autonomes Fahren unter realen Bedingungen erprobt werden soll.

Der Hauptreferent, Dr. Grösch, lotste die etwa 
100 Zuhörer in die technischen Tiefen des Themas. Er spricht derzeit eher vom automatisierten Fahren, beispielsweise unterstützt durch eine Reihe von 
Assistenzsystemen. Die zweite Stufe sei das hochautomatisierte Fahren, bei dem der Fahrer zwar Zeitung lesen könne, aber nach Aufforderung durch das System das Lenkrad übernehmen müsse. Beim neuen Audi A8 soll es so ein System geben, das allerdings dafür konzipiert wurde, ein Auto automatisiert durch einen Stau zu bewegen – also bei niedrigen Geschwindigkeiten. Grösch: „Da ist der Kundennutzen mit Sicherheit am höchsten.“ Auch viele andere Hersteller arbeiten mit Hochdruck an dem Thema. Die Mercedes S-Klasse sei bereits seit 2013 teilautomatisiert unterwegs. Grösch: „Die Autoindustrie setzt auf eine evolutionäre Entwicklung, die dazu führen soll, dass autonomes Fahren zunächst auf freigegebenen Strecken möglich werden soll. Bei maximal Tempo 130.“ wb