Wachstumskurs unter erschwerten Bedingungen

Foto: Wolfgang BeckerIn dieser Konstellation eine echte Premiere: Vorstandssprecher Thorsten Rathje (rechts) sowie seine Vorstandskollegen Rita Herbers und Nils Abels stellten die Bilanz der Hamburger Volksbank für das Corona-Jahr 2020 vor. Foto: Wolfgang Becker

Hamburger Volksbank stellt die Bilanz für das Ausnahmejahr 2020 vor.

Viele Zahlen, eine neue Führungsspitze und ein in jeder Hinsicht herausforderndes Jahr – die erste Bilanzpressekonferenz, zu der die Hamburger Volksbank in der Post-Brüggestrat-Ära eingeladen hatte, fand natürlich hybrid statt, also halb online, halb im Präsenzmodus. Vorstandssprecher Thorsten Rathje und seine Vorstandskollegen Rita Herbers (Vertrieb) und Nils Abels (Personal, Orga, Steuerung) warfen zwar einen versöhnlichen Blick auf das Jahr 2020, aber der Druck auf die regionalen Banken wird größer. Nicht nur Corona und die eventuell noch zu erwartenden Folgen, auch die Regulatorik auf dem Bankensektor und vor allem die nach wie vor rigide Null-, beziehungsweise Negativ-Zinspolitik der EZB sorgen für viele Unbekannte in einer komplexen Gleichung, an deren Ende immer ein positives Ergebnis stehen soll.

Rathje konnte dennoch gute Zahlen für das Pandemie-Jahr 2020 präsentieren. Der Kreditbestand legte um 156 Millionen Euro (plus 7,3 Prozent) auf 2295 Millionen Euro zu, wobei 1440 Millionen Euro auf das Privatkundengeschäft entfallen. Auch das Einlagengeschäft stieg nennenswert an – um 7,9 Prozent auf 3145 Millionen Euro. Die Corona-Auswirkungen hielten sich dagegen unerwartet in Grenzen. Rathje: „Uns erreichten
97 Anträge auf Corona-Hilfe mit einem Gesamtvolumen von 37 Millionen Euro. In 245 Fällen wurden wir von Kreditnehmern um Tilgungsaussetzung gebeten. In Summe ging es dabei um Raten in Höhe von 3,5 Millionen Euro, mittlerweile werden alle diese Kredite wieder normal bedient und getilgt. Unter dem Strich: Ich hatte fast mehr vermutet.“

Der drohende Negativzins

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Das Thema Zinspolitik liegt der gesamten Branche quer, denn Nullzins hebelt das Geschäftsmodell der Finanzhäuser aus, sorgt allerdings an anderer Stelle für mehr Bewegung. Der Immobilienmarkt ist nach wie vor im Höhenflug, und auch das Anlagengeschäft profitiert. Die Hamburger Volksbank meldet für 2020 einen Anstieg des Anlagengeschäftes um 300 Millionen Euro. Das liegt unter anderem auch an dem drohenden Negativzins, mit dem einzelne Kunden konfrontiert wurden, die dann zinssensible Liquidität beispielsweise in Aktien verlagerte. Rathje: „Tatsächlich sind nur drei Prozent unserer Privatkunden vom Negativ­zins betroffen. Wir nehmen das dann zum Anlass, um diesem Kreis Alternativen aufzuzeigen. Zum Beispiel das Zeichnen von Genossenschaftsanteilen (maximal 15 000 Euro, aktuelle Dividende 2,5 Prozent, die Red.), Wertpapieranlagen, Fonds – es gibt immer Lösungen.“ Rita Herbers: „Die Situation hat dazu geführt, dass sich viele Kunden erstmals Gedanken über den Vermögensaufbau machen. Die klassische Dreiteilung lautet bekanntlich Immobilie, Wertpapiere und Liquidität. Inzwischen ist noch die Altersvorsorge hinzugekommen.“

Konkret hat die Hamburger Volksbank im zurückliegenden Jahr 300 000 Euro Negativzinsen eingenommen, wobei nur ein Fünftel auf den Privatkundenbereich entfällt. Thorsten Rathje: „Seit November 2020 sind bei uns etwa 60 Beschwerden eingegangen – bei 115 000 Kunden. Es gab keine einzige Kontenkündigung. Wir nehmen unsere Kunden aber ernst und haben immer eine Lösung gefunden.“ Ein anderes Thema, das durch Corona beschleunigt wurde, ist die Verkleinerung des Filialnetzes auf 15 Standorte. Es fällt in den Zuständigkeitsbereich von Rita Herbers: „Wir hatten ein paar kleine Filialen, in denen am Tag noch ein halbes Dutzend Kunden auftauchte. Das lässt sich am Ende wirtschaftlich überhaupt nicht mehr tragen. Vereinzelt gab es zwar Beschwerden, aber mittlerweile sind 80 Prozent unserer Kunden ebenfalls hybrid unterwegs. Unsere Erkenntnis: Wer zu uns kommt, will vor allem eine Lösung für sein Problem. Und die können wir bieten.“ Frühere Versuche der Finanzbranche, Videoberatung anzubieten, seien vielfach gefloppt, „aber heute ist das fast normal“, sagt die Vertriebsvorständin.

„Eine extreme Situation“

Ein paar Zahlen zum Abschluss: Der Zins­überschuss der Hamburger Volksbank liegt für 2020 bei 53,1 Millionen Euro und damit etwas niedriger als 2019 (54,4). Rathje: „Eigentlich müsste die Zahl noch viel niedriger sein, denn uns fehlen real jedes Jahr vier bis fünf Millionen Euro Zinsüberschuss. Das ist eine extreme Situation, die wir seit Jahren aushalten. Wir stemmen uns mit aller Macht gegen all die Effekte, die sich negativ auf unser Ergebnis auswirken.“ Es gibt jedoch auch hier eine andere Seite: 1,8 Millionen Euro nahm die Hamburger Volksbank ein, weil sie Kredite bei der EZB aufnahm und dafür 0,5 bis ein Prozent Negativzins kassierte. Verkehrte Welt, aber derzeit Realität.

Der Provisionsüberschuss (aus dem Immobilien-, Versicherungs- und Wertanlagengeschäft) lag mit 23,1 Millionen Euro rund 1,9 Millionen niedriger als im Vorjahr. Weniger Einnahmen durch Fremdabheber (Touristen) an den 95 externen Geldautomaten, sinkende Kreditkarten- und EC-Karten-Umsätze, dazu ein um 3,2 Millionen Euro gestiegener Personalaufwand und ein stetiges Steigen der gesetzlich geforderten Bankenabgabe zur Sicherung des europäischen Bankensystems („Von dem wir als Regionalbank niemals profitieren werden“, so Thorsten Rathje.) geben einen Eindruck über das komplexe Wechselspiel von Einnahmen und Ausgaben. Folge: Das Betriebsergebnis vor Bewertung liegt bei 14,6 Millionen Euro – deutlich unter den angestrebten 20 Millionen, aber „in diesem Ausnahmejahr immer noch akzeptabel“, so das Resümee von Vorstandssprecher Rathje. „In Krisenzeiten haben sich Genossenschaftsbanken immer bewährt.“

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Web: www.hamburger-
volksbank.de