Sanierung im Fokus

Sven Morche (links) und Sebastian Joneleit, hier mit Modellen von Fensterprofilen, raten bei Sanierungsvorhaben zu einer ganzheitlichen Betrachtung. Foto: Wolfgang Becker

B&P-GESPÄCH Die bauwelt-Experten Sven Morche und Sebastian Joneleit über die Auswirkungen der Baukrise auf den Baustofffachhandel

Nach Jahren des Bau-Booms sieht sich die Baubranche derzeit in einer schwierigen Phase. Hohe Zinsen, ein aus den Fugen geratenes Preisgefüge bei Baumaterialien, Bauleistungen und Grundstücken, politisch initiierte Verunsicherungen – Stichwort Heizungsgesetz – und zugleich der demografische Wandel mit dem Erstarken der neuen Zielgruppe der „jungen Alten“ einerseits und dem Fachkräftemangel andererseits sind Herausforderungen, mit denen viele Unternehmen zu kämpfen haben. Diverse Bauvorhaben liegen auf Eis, der Einfamilienhausbau ist quasi eingefroren und das Leiden der Baufirmen wirkt sich auf die gesamte Wertschöpfungskette aus – beispielsweise den Baustofffachhandel. Viele Unternehmen setzen nun auf energetische Sanierung, doch kann das den erlahmten Neubausektor ausgleichen? Darüber sprach B&P mit den bauwelt-Experten Sebastian Joneleit, Niederlassungsleiter Dachfachhandel, und Sven Morche, Niederlassungsleiter Harburg (Maldfeldstraße).

„Die Zahl der Baugenehmigungen sinkt gleichermaßen wie der Mut zu investieren. Das gilt für kommerzielle Bauherren, Investoren, Anleger und auch den privaten Häuslebauer. Der Einfamilienhausbau liegt so gut wie brach. Der Wohnungsbau ebenfalls. Das bekommen wir zu spüren – das Massenvolumen fehlt, was sich natürlich auf den Umsatz niederschlägt. Wenn nicht neu gebaut wird, verkaufen wir zwangsläufig weniger Kalksandstein, Porenbeton, Gipskarton und Wärmedämmverbundsysteme“, beschreibt Sven Morche die derzeitige Lage. Im Gegenzug registriert die bauwelt an ihren elf Standorten rund um Hamburg eine verstärkte Nachfrage im Zusammenhang mit Sanierungsprojekten. Morche: „Allerdings herrscht bei den Kunden große Unsicherheit. Gerade die Themen Heizung und energetische Sanierung sind sensibel. Wird es eine staatliche Förderung geben oder nicht? Was kommt gesetzlich auf uns zu? All dies hemmt den Markt, weil niemand weiß, was passiert.“

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Teils extreme Preissteigerungen

Ein weiteres Minenfeld auf dem Bausektor beschreibt Sebastian Joneleit: „Wir haben im Jahr 2022 im Durchschnitt Preissteigerungen von etwa 28 Prozent gehabt – von den Herstellern verschiedenster Produkte durchweg begründet mit dem Anstieg der Energiekosten. Es ist unfassbar, welchen Effekt der Gas-Stopp gehabt hat. Teilweise haben wir erleben müssen, dass Produkte künstlich verknappt wurden, um die Preise noch weiter auszureizen.“

Sven Morche: „Im vorigen Jahr hatten wir im Einkauf teilweise Preissprünge von zehn Prozent – im Monat! Als familiengeführtes Unternehmen im Mittelstand haben wir versucht, diese Preiswelle nicht voll an die Kunden durchzureichen, sondern den Druck abzufedern. Aber das ist bei den Steigerungen nur bedingt möglich. Zeitweise wurde uns Ware zugeteilt – viel weniger als wir gebraucht hätten. Und Preisgleitklauseln sind auch so eine Sache: Da bestellen wir im Mai zum Preis x und bezahlen nach Lieferung im Juli das Doppelte.“

Die Erkenntnis der Niederlassungsleiter: „Wir hatten eigentlich gar kein Mangelthema, sondern ein Marktthema. Übrigens kriegen das einige Hersteller jetzt zu spüren. Viele Kunden haben sich Ware ins Lager gelegt – dadurch sinkt die Nachfrage. Und auch der Preis.“

Zertifizierte Modernisierungsberater

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Ungeachtet dieser Eruptionen im Markt justiert die bauwelt derzeit nach: „Wir haben Mitarbeiter geschult, die wir an allen unseren Standorten als zertifizierte Modernisierungsberater einsetzen werden. Rein wirtschaftlich betrachtet bedeutet das mehr Aufwand bei weniger Umsatzvolumen, da Sanierungsvorhaben in der Regel mit deutlich weniger Material einhergehen. Trotzdem wollen wir unseren Kunden, und da geht es insbesondere auch um die Privatkunden, diesen Service bieten. Wir entwickeln uns in Richtung Dienstleister und vermitteln auch Kooperationspartner aus dem Handwerk.“

Was beide sanierungswilligen Immobilienbesitzern raten: „Jedes Objekt muss ganzheitlich betrachtet werden. Es nützt wenig, beispielsweise nur die Fenster auszutauschen, wenn die Wärme gleichzeitig durch das ungedämmte Dach entweicht.“ Sebastian Joneleit merkt für seinen Fachbereich bereits jetzt eine verstärkte Nachfrage, da Dachsanierungen bei älteren Häusern quasi gesetzt sind, wenn diese unter energetischen Aspekten aufgerüstet werden sollen. „Eine Möglichkeit ist die Aufsparrendämmung – da lässt sich die Dämmschicht beispielsweise von 14 auf 26 Zentimeter erweitern. Die große Lösung steht und fällt aber immer mit einem Gesamtkonzept. Und dazu zählt zu allererst mal eine Wärmelastberechnung“, sagt er.

Da der heißgelaufene Immobilienmarkt nur langsam abkühlt und viele verkaufswillige Hauseigentümer noch nicht verstanden haben, dass das 60er-Jahre-Haus nur zu deutlich niedrigeren Preisen als noch vor gut einem Jahr verkauft werden kann, schlägt der Sanierungseffekt in der Baubranche noch nicht voll durch. Sebastian Joneleit: „Es ist hart, aber mancher Wunschpreis halbiert sich, weil nun bei zusätzlich hohen Zinsen Sanierungskosten anfallen, die inklusive Photovoltaik-Anlage und Wärmepumpe schnell in sechsstellige Bereiche gehen.“ wb

>> Web: www.bauwelt.eu