„Die Logistik muss sich neu erfinden“

Sie führt die Geschäfte der Logistik-Initiative Hamburg Management GmbH: Carmen Schmidt leitet ein Team von 16 Mitarbeitern, darunter fünf Werkstudenten.

Logistik-Initiative Hamburg: Geschäftsführerin Carmen Schmidt über eine Branche im Umbruch, aktuelle Projekte und eine Kernfrage

Mit rund 550 Mitgliedern zählt die Logistik-Initiative Hamburg zu einem der einflussreichen Vereine, die sich um das Gelingen der Hamburger Wirtschaft bemühen. Das operative Geschäft unter dem Vereinsdach erledigt die Logistik-Initiative Hamburg Management GmbH. Geschäftsführerin Carmen Schmidt. Trotz des Vereinsnamens: Die Aktivitäten beschränken sich keineswegs auf das Hamburger Staatsgebiet, sondern beziehen die gesamte Metropolregion mit ein, wie Carmen Schmidt ausdrücklich betont. Viele Mitgliedsunternehmen kommen aus dem Umland und sind Teil eines umfassenden Netzwerks.

Die Logistik-Initiative agiert als Plattform für die verschiedenen Netzwerkakteure im Zusammenspiel mit der Politik und der Verwaltung. Diese beiden Bereiche sowie die Wirtschaft, die Wissenschaft und gerade auch die Gründerszene sind Teil des Netzwerks. Ein Drittel des Etats steuert die Hansestadt Hamburg bei, zwei Drittel kommen aus der Privatwirtschaft beziehungsweise über eingeworbene Projektmittel auf bundes- oder EU-Ebene. Gegründet wurde die Logistik-Initiative Hamburg 2006 mit neun Unternehmensvertretern.

Anzeige

Carmen Schmidt: „Die Logistik-Branche ist im Wandel begriffen. Die Akteure sehen durchaus, dass sich dieser Wirtschaftszweig neu aufstellen muss. Eines der Themen ist der Platzverbrauch beispielsweise für Logistikhallen. Wir sind mittlerweile so weit, dass wir wieder über die Mehrstöckigkeit von Logistikimmobilien nachdenken. Wenn der Platz in der Breite fehlt, muss es eben in die Höhe gehen. Kurz: Die Logistik muss sich neu erfinden – technologisch wie auch baulich.“

Zwei aktuelle Themen der Logistik-Initiative:

Digitalisierung: Seit 2017 wird der Digital Hub Logistics Hamburg in der Speicherstadt aufgebaut – Deutschlands erster konzentrierter Anlaufpunkt für Digitalisierungsthemen in der Logistikbranche. Carmen Schmidt: „Ziel ist es, dort eine Laborsituation zu schaffen, in der gezeigt wird, was im Zuge der Digitalisierung technisch möglich ist. Auch ein Co-Working-Space gehört dazu. Langfristig könnte dort ein Forschungs- und Entwicklungszentrum für die Praxis entstehen, ein Lernort für die ganze Branche – vergleichbar dem ZAL in Finkenwerder, nur eben für Logistik.“

Smile – Last Mile Logistics: Dieses Thema beschäftigt fast jede Stadt, denn die Belieferung auf der sogenannten „letzten Meile“ wird zunehmend zu einem Problem. Das Top-Beispiel ist der Neue Wall in Hamburg. Die Edeleinkaufstraße in der City wurde immer wieder von Lieferfahrzeugen versperrt. Im November 2016 nahm sich der damalige Wirtschaftssenator Frank Horch (siehe auch Seite 11) des Problems an und bereitete den Weg zur Platzierung einer Modellregion für innerstädtische Logistik. Carmen Schmidt: „Heute wissen wir: Es gibt nicht die eine Lösung. Jedes Stadtquartier in Hamburg braucht eine individuelle Lösung. Tatsächlich gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten.“ Die betroffenen Unternehmen beispielsweise aus Reihen der Paketdienste seien willens, schnell tätig zu werden, doch die Erteilung von Ausnahmeregelungen wie beispielsweise im Zusammenhang mit dem UPS-Pilotprojekt sei keine Dauerlösung.

Um diese Fragen geht es
Carmen Schmidt: „Hinter allem steht die Frage nach einem schlüssigen Konzept, das den Umgang einer Stadt oder eines Quartiers mit der vorhandenen Fläche regelt. Ein Mobilitätsangebot wie Car2go braucht am Ende Platz, zumal die Fahrzeuge fast überall frei parken, also überall abgestellt werden können. Auch das StadtRad braucht Flächen“. Und wie sieht es mit der Logistik für die letzte Meile aus? „Unsere Aufgabe als Logistik-Initiative Hamburg ist es, die verschiedenen Sichtweisen und Bedürfnisse transparent zu machen – durch Kommunikation und Netzwerken. Wir sehen uns da in einer Mittlerrolle. Studien gibt es mehr als genug, jetzt geht es um die Frage nach einer schlüssigen Strategie für die Umsetzung. Wenn alle Lieferanten auf Lastenfahrräder umsteigen, werden wir den Stau lediglich verlagern – das alleine kann es also auch nicht sein.“

Anzeige

Nicht ohne Resonanz blieb in der Branche der spektakuläre Vorstoß der HHLA, in Hamburg erste Versuche zur Installation eines Hyperloop-Systems zu testen. Diese Erfindung des US-Unternehmers Elon Musk (Tesla) will Menschen oder aber auch Lasten mit Schallgeschwindigkeit durch eine Vakuumröhre jagen. Die HHLA denkt über einen Containertransport nach. Über ein ähnliches Verfahren im kleinen Maßstab berichtet Carmen Schmidt: „Im Gespräch ist ein Modellversuch mit Smart City Loop, um Lasten in unterirdischen Röhren im Stadtgebiet zu verteilen.“

Die Geschäftsführerin weiter: „Innenstadtlogistik ist wie die Sanierung eines alten Hauses – überall lauert die nächste Baustelle.“ Sie würde in Hamburg deshalb einen öffentlichen Posten schaffen: Koordinator für Innenstadtlogistik. Denkbar sei auch eine Doppelbesetzung mit einem Vertreter der Stadt und einem Vertreter aus der Wirtschaft. Carmen Schmidt weiter: „Wenn wir über die Hansestadt hinaus blicken, stellen sich weitere Fragen. Wie steht es um die Versorgung in den ländlichen Gebieten? Welche Lösungsansätze können Mittelstädte und Regionen finden?“ Von Wolfgang Becker

Web: www.hamburg-logistik.net