Gewichtsprobleme ade

TTT1Zum Aushärten kommt das Chassis aus CFK in eine Art überdimensionierten Ofen, den Autoklaven.

Kühltransporter der Zukunft sind echte Leichtgewichte

Deutschland gilt als Logistikweltmeister. Ein inoffizieller Titel freilich, der dennoch eine Menge aussagt: Nirgendwo werden Waren so gut befördert wie hierzulande. Dafür, dass niemand um die Zukunftsfähigkeit der deutschen Logistikbranche fürchten muss, sorgt unter anderem ein findiges Ingenieursteam aus Stade.

Vor Jahren schon hatte die TTT The Team Composite AG für Aldi drei Kühllaster aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff (CFK) als Prototypen entwickelt. In Zusammenarbeit mit Volkswagen Nutzfahrzeuge und der Carbon Truck & Trailer GmbH (CarbonTT) entwickelte die TTT nun einen ultraleichten 3,5-Tonnen-Kühltransporter aus CFK, der 2014 mit dem Zukunftspreis Logistik ausgezeichnet wurde. Es handele sich um ein Fahrzeugkonzept, „das den ökonomischen und ökologischen Herausforderungen des globalen Wandels erfolgreich begegnet“, hieß es in der Begründung der Jury. Oder anders: TTT bereitet den Weg für leichte, effiziente und umweltfreundliche Kühltransporte.

33 Prozent mehr Nutzlast

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Längst hat die Nutzfahrzeugindustrie die Vorteile des leichten und stabilen Werkstoffs CFK für sich entdeckt. Im Stader CFK-Valley, wo sich vieles um die Luftfahrt dreht, tüfteln auch die TTT-Entwickler an CFK-Lösungen für ihre Kunden – allerdings unter gänzlich anderen Voraussetzungen. „Für uns sind zwei Faktoren entscheidend“, sagt TTT-Vorstand Ria Kaiser. „Absolute Kostenminimierung und schnelle Serienprozesse entscheiden über Erfolg und Misserfolg.“ Irrsinnig teure und zeitaufwändige, nicht zielführende Forschungsarbeit kann sich das Unternehmen nicht erlauben, wenn es Kunden für seine Carbon-Aufbauten gewinnen will. Die Schmerzgrenze sei erreicht, sobald der Anschaffungspreis mehr als 30 Prozent über dem für konventionell gebaute Transporter liege, so Ria Kaiser.

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Ria Kaiser (Bildmitte) und ihr Team entwickelten den Prototypen des Kühltransporters, der mit dem Zukunftspreis Logistik ausgezeichnet wurde.

In der Verschlankung liegt der Schlüssel. Konventionell aus Stahl gefertigte Kühlfahrzeuge haben große Gewichtsprobleme. 3,5-Tonnen-Transporter bringen leer bereits um die 2,5 Tonnen auf die Waage, sodass sie kaum ausreichend Nutzlast bieten. Nicht so das Fahrzeug aus Stade: Dank CFK-Fahrwerk und CFK-Kühlaufbau verfügt der Transporter über eine Nutzlast von stolzen 1500 Kilogramm. „Die Transportleistung erhöht sich um rund ein Drittel“, fasst Ria Kaiser zusammen. Die höhere Zuladung bedeutet weniger Fahrten und damit eine deutliche Senkung des Kraftstoffverbrauchs und der CO2-Emission. Zudem reduziert die innovative Vakuum-Wärmedämmung aus dem Hause TTT die benötigte Leistung der Kühlmaschine um bis zu 60 Prozent. Übrigens, der TÜV hat das innovative Fahrzeug absolut standardmäßig (§13) abgenommen, Sondergenehmigungen wurden nicht benötigt.

Coop testet den Prototypen

Den Prototypen stellte VW während der IAA 2014 vor. Inzwischen testet das Schweizer Großhandelsunternehmen Coop ihn für Lieferfahrten seines Online-Supermarktes. „Das Fahrzeug ist mit einer Strukturüberwachung ausgestattet, die es uns erlaubt, die Daten in Echtzeit zu erfassen und auszuwerten“, so Kaiser. Bislang gibt es keine Probleme. Auch der Kunde ist überzeugt. Laut Coop erreicht der Transporter pro Ausliefertour bis zu 40 Prozent mehr Kunden. Die höheren Anschaffungskosten würden sich bereits innerhalb eines Jahres amortisieren.

Während Fahrzeug Null fleißig getestet wird, arbeiten die Entwickler und Produzenten in Stade mit Hochdruck an der Serienfertigung von CFK-Nutzfahrzeugen beziehungsweise -komponenten. Die Konstrukteure von TTT und die Produzenten von CarbonTT arbeiten nicht nur Tür an Tür, sondern auch Hand in Hand. „Ziel ist es, das Fahrwerk in 30 Minuten zu fertigen“, verrät Gerret Kalkoffen, Geschäftsführer von CarbonTT. Ende 2016 soll die Produktion in großen Stückzahlen möglich sein.

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100 Kleintransporter umfasst die Coop-Lieferflotte. Die Schweizer haben bereits signalisiert, alle durch CFK-Transporter ersetzen zu wollen. Weitere Kunden haben ihr Interesse angemeldet. Mittelfristig sehen Ria Kaiser und Gerret Kalkoffen für ihre 3,5-Tonner, die mit dem „normalen“ Führerschein der Klasse B gefahren werden dürfen, Potenzial in drei Marktsegmenten: CFK-Kühltransporter für Lebensmittel-Lieferanten, CFK-Transporter für Post- und Paketzusteller und CFK-Wohnmobile beziehungsweise CFK-Freizeittransporter für Privatpersonen.

Autor: Leonie Ratje

www.theteam-hamburg.de, www.carbontt.com