„Wir zahlen die Zeche“

Gabriel Felbermayr, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft inn Kiel, bei seinem Vortrag. Foto: AGA

Jahrestagung des AGA Unternehmensverbandes: IfW-Präsident Gabriel Felbermayr sieht mit Sorge auf die US-Wirtschaftspolitik à la Trump.

2020 wird ein Jahr des Übergangs“, so stimmte Dr. Hans Fabian Kruse, Präsident des AGA Unternehmensverbandes, etwa 300 Gäste aus Politik und Wirtschaft ein, die zur traditionellen Jahrestagung in das Stammhaus von Hapag-Lloyd am Ballindamm in Hamburg gekommen waren. Da ahnte allerdings noch niemand, dass Deutschland kurz vor dem Shutdown steht und ein Virus die Wirtschaft niederringen würde. Die Bilanz für das zurückliegende Jahr fällt laut Kruse indes gemischt bis negativ aus – eine Folge der unsicheren globalen Lage, die durch Handelskriege, neue bilaterale Abkommen zulasten Europas und Umsatzrückgänge im Exportgeschäft geprägt sei. Bestätigt wurde Kruse von Prof. Gabriel Felbermayr, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel, der als Gastredner und Analyst seine Sicht der Dinge vortrug:

„Das weltwirtschaftliche Umfeld ist in den vergangenen Jahren zur Belastung für die Wirtschaft geworden, und das wird auch 2020 so bleiben. Die Handelspolitik der USA spielt dabei eine wichtige Rolle.“

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Prof. Gabriel Felbermayr

Felbermayr attestiert der deutschen Wirtschaft „eine sehr spezielle Situation“. Im zweiten Halbjahr 2019 sei Deutschland in eine Industrie-Rezession gerutscht. Das produzierende Gewerbe verzeichnete sinkende Zahlen, die Baubranche dagegen wachse weiter. Handel und Dienstleistung seien in einer Seitwärtsbewegung. Steigenden Importen stünden niedrigere, aber gleichbleibende Exporte gegenüber. Felbermayr: „Besonders frappierend ist die Entwicklung auf dem Kfz-Sektor. Deutschland deindustrialisiert sich!“ Als „schlecht für Deutschland“ bewertet er das jüngste Handelsabkommen zwischen China und den USA. „Die USA wollen ihre Produkte nach China verkaufen. Das geht zu unseren Lasten. Wir zahlen die Zeche.“

Der IfW-Präsident befürchtet, dass sich Trumps Fokus nach dem Deal mit China nun verstärkt auf Europa richten wird – was zu weiteren Zöllen führen könnte. „Der deutsche Norden hat dabei als Region mit geringerer industrieller Wertschöpfung zunächst direkt weniger zu verlieren. Allerdings sollte sich der Norden darauf nicht ausruhen, sondern seine industrielle Basis perspektivisch stärken. Den hier vorhandenen Stromüberschuss nutzbar zu machen, wäre ein Hebel dafür.“

Geringe Chance
auf Wachstum

Bereits seit 2007 sieht Felbermayr die Weltwirtschaft in einer Umbruchphase: „Der Welthandel trägt nicht mehr. Wir leben in einer Zeit, in der viele Sicherheiten verloren gehen.“ Dass der Dax unmittelbar vor der Jahrestagung ein Allzeithoch jenseits von 13 600 Punkten vermeldete, kommentierte der Gast aus Kiel im Gespräch mit B&P so: „Der Deutsche Aktien-Index zeigt nicht das wahre Bild in Deutschland. Wir haben eine Blase, aber kein Instrument, diese Blase anzustechen.“ Will heißen: Angesichts der anhaltenden Nullzinspolitik drängt das Kapital weiter in vermeintlich rentable Werte. Dass nun wenige Wochen nach der Jahrestagung ausgerechnet das Corona-Virus die Blase anstechen würde, konnnte allerdings auch er nicht vorhersehen.

Auch AGA-Präsident Kruse schaut kritisch auf das Jahr 2019 zurück: „Der Hamburger und norddeutsche Außenhandel mussten mit vielen Änderungen und negativen Einflüssen kämpfen. Donald Trump streut bewusst Unsicherheit. Die Auseinandersetzungen zwischen den USA und China zeigen deutliche Folgewirkungen. 2019 sind diese Handelskriege auch auf die Wirtschaft in Norddeutschland durchgeschlagen.“ Für 2020 sieht der AGA-Präsident nur geringe Chancen auf ein norddeutsches Wachstum: „Auch 2020 wird ein Jahr des Übergangs mit einem eher stagnierenden Welthandel. Der Brexit ist erst einmal eingepreist. Das Risiko liegt jetzt in der Ausgestaltung der zukünftigen Beziehungen zwischen der EU und UK. Für Hamburg sehe ich kaum Wachstumschancen, eher eine wirtschaftliche Seitwärtsbewegung. Die Unternehmer sind jetzt gefragt, mit neuen Ideen ihr Geschäft zu stabilisieren. Denn der Welthandel ändert sich und mit neuen Warenströmen entstehen auch neue Chancen.“

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Uldall-Preis an Nüwiel

In Gedenken an den ehemaligen Hamburger Wirtschaftssenator Gunnar Uldall wurde bei der AGA-Jahrestagung zum zweiten Mal der Gunnar-Uldall-Wirtschaftspreis vergeben. Der mit 10 000 Euro dotierte Preis wird jährlich an Unternehmensgründer aus der Metropolregion Hamburg verliehen. Gewonnen hat das Harburger Startup Nüwiel. Aus den zahlreichen Bewerbungen hatten es drei Unternehmen ins Finale geschafft: die endios GmbH, die JH Aircraft GmbH aus Buxtehude und die Nüwiel GmbH. Nach intensiven Beratungen entschied sich das Kuratorium für Nüwiel. Das Startup entwickelt intelligente Fahrradanhänger, die mit einem Elektromotor ausgestattet sind. Ziel der drei jungen Ingenieure Natalia Tomiyama, Fahad Khan und Sandro Rabbiosi ist es, die Mobilität in der Stadt umweltfreundlicher zu gestalten und nachhaltig zu verändern. wb/ms