Auf der Suche nach neuen Geschäftsfeldern

Foto: Wolfgang BeckerProfessor Dr. Rainer-Maria Weiss (links), Direktor des Archäologischen Museums Hamburg in Harburg, freut sich auf die Unterstützung: Thorsten Römer übernimmt zum 1. Januar die kaufmännische Geschäftsführung des Hauses. Das Foto zeigt beide auf dem Museumsplatz.

Die wirtschaftliche Komponente der Museumsleitung – Gespräch mit
Professor Dr. Rainer-Maria Weiss, Direktor des Archäologischen Museums Hamburg, und dem designierten kaufmännischen Geschäftsführer Thorsten Römer.

Neun Fragen an Professor Dr. Rainer-Maria Weiss und Thorsten Römer.

Nicht nur in Unternehmen übernehmen Geschäftsführer Verantwortung für die Entwicklung und die Zahlen, auch in Stiftungen des öffentlichen Rechts ist dies der Fall. So eine Stiftung ist das Archäologische Museum Hamburg, zu dem auch die Harburger Stadtgeschichte (Helms-Museum) gehört. Als neuer kaufmännischer Geschäftsführer hat sich Thorsten Römer gegen 65 Mitbewerber durchgesetzt – langjähriger Chef der Harburger Anzeigen und Nachrichten, die 2013 eingestellt wurden. In dieser Position hatte er 2004 den Harburger Kulturtag ini-tiiert. Mit ihm und mit Professor Dr. Rainer-Maria Weiss, Direktor des Museums, sprach B&P-Redakteur Wolfgang Becker.

B&P: Was sind die Herausforderungen bei der Geschäftsführung eines Museums?

Anzeige

Weiss: Es gibt Wünsche und Herausforderungen. Der wichtigste Wunsch ist der, dass Geld nicht nur verwaltet wird, sondern dass auch versucht wird, Geld zu gewinnen – durch zusätzliche Sponsoren. Wir hatten bislang noch nie einen Vollzeitgeschäftsführer. Als ich hier anfing, gab es eine Teilzeit-Geschäftsführerin, später war ein kaufmännischer Geschäftsführer für alle Museen im Stiftungsverbund zuständig, dann wurden wir kaufmännisch mitbetreut von Herrn Thorsten Pück, der eigentlich für das Völkerkundemuseum zuständig ist. Unsere Geschäftsführer waren durch die zeitliche Limitierung eigentlich nie in der Lage, eigene Geschäftsfelder zu entwickeln und Aktionen zu unternehmen, aus denen heraus neue finanzielle Möglichkeiten hätten entstehen können.

B&P: Das heißt, der kaufmännische Geschäftsführer soll durchaus eigene Aktivitäten entwickeln?

Weiss: Ich würde mich sehr darüber freuen, wenn ein Ganztagsgeschäftsführer nach der Abarbeitung des Tagesgeschäfts dann den Kopf frei hat zu überlegen, was man aus dem Apparat machen kann, um Geld zu verdienen. Wie haben hier ein Museum, ein Theater, eine Lounge, eine Bodendenkmalpflege mit Landesarchäologie – alles Bereiche, wo viel Geld durchfließt. Wo Publikum da ist. Wo öffentliche Aufmerksamkeit da ist. Was also kann ich mit diesem „Produkt“ machen, um Geld zu verdienen. Das ist wohl das A und O des kaufmännischen Denkens: Wie verdiene ich mit meinem Produkt Geld?

B&P: Herr Römer, was hat Sie an dieser Aufgabe gereizt?

Römer: Als gebürtiger Harburger ist mir das Museum von klein auf an bekannt. Mich reizt die Aufgabe, etwas mitzugestalten. Das ist eine große Herausforderung, zumal wir alle wissen, dass die staatlichen Zuwendungen nicht ins Unermessliche steigen werden. Letztendlich geht es um das Werben von Kunden und die Generierung zusätzlicher Gelder. Je mehr finanzielle Mittel wir zur Verfügung haben, desto hochwertigere Ausstellungen werden wir konzipieren können und die Aufmerksamkeit steigern. Ich denke, das ist im Paket eines Museums hochattraktiv. Auch für einen kaufmännischen Geschäftsführer.

Anzeige

B&P: Sie sprechen von Kunden, aber es geht wohl mehr um eine Art Mäzenatentum, verstehe ich das richtig?

Weiss: Nicht nur. Es gibt ja auch mal vorübergehende Geschäftsbeziehungen, weil man gemeinsam ein Projekt entwickelt, für das wir Sponsoren suchen.

B&P: Wie könnte ein neues Geschäftsfeld aussehen?

Weiss: Nehmen wir etwa das Beispiel Bodendenkmalpflege. Wir machen Ausgrabungen. Wo immer wir ausgraben, kommt der Kampfmittelräumdienst und verweist auf die Kampfmittelverordnung. Nun streiten wir uns mit denen, wer zuerst graben darf – der Archäologe oder der Kampfmittelsuchdienst. Da wir Archäologen das Denkmalschutzgesetz auf unserer Seite haben, gewinnen wir. Folge: Während wir ausgraben, steht ein Kampfmittelräumer daneben und guckt in die Grube, damit uns nichts passiert. Dafür kriegt ein Mann am Tag 550 Euro. Wie wäre es, wenn wir hier jemanden qualifizieren und zertifizieren, der diese Aufgabe der Überwachung mitmachen kann? Das könnte ein Geschäftsfeld sein. Oder: Die Museen haben Fördervereine. Die könnten beispielsweise eine ausgegründete Firma betreiben, die dann völlig anderen rechtlichen und verwaltungstechnischen Regeln unterliegt als eine Stiftung öffentlichen Rechts. Ein Verein kann so ziemlich alles tun, wenn es steuerrechtlich in Ordnung ist. Da könnte man überlegen, was für Geschäftsfelder man mit dem Verein entwickeln könnte.

B&P: Da gibt es mit Professor Dr. Peter Hornberger ja einen findigen Vorsitzenden . . .

Weiss: Wir haben einen ganz tollen Verein, da gibt es keine Reibungen. Ein Online-Shop wäre übrigens so eine Idee. Wir befinden uns ohnehin gerade inmitten einer digitalen Strategie, in dem Zusammenhang könnte auch ein Online-Shop ausgebaut werden. Also Tätigkeitsfelder gibt es genug.

B&P: Herr Römer, Sie fangen zum
1. Januar an. Gibt es aus Ihrer Sicht schon ein Projekt, das Ihnen besonders am Herzen liegt?

Römer: Professor Weiss hat es ja schon angedeutet. Ich denke, dass wir in der Digitalisierung schon weit fortgeschritten sind, aber das gilt es natürlich weiterzuentwickeln. Da sehe ich auch meine Aufgabe. Marketing, Sponsorensuche – alles, was das Museum weiterbringt. Dabei möchte ich den Direktor unterstützen.

B&P: Wie steht denn das Museum wirtschaftlich dar?

Weiss: Das Museum steht wirtschaftlich solide dar. Wir sind das Hamburger Museum, das bislang keine roten Zahlen geschrieben hat. Auch nachdem wir aus der Stiftung Historische Museen wieder in die Selbstständigkeit entlassen wurden, haben wir die Jahre 2013, 2014 und 2015 mit der berühmten schwarzen Null abgeschlossen. Das heißt nicht, dass wir zu Höhenflügen in der Lage sind, aber es heißt, dass die Zuwendung, die wir bekommen, ausreicht, um zu existieren. Für alles, was wir mehr unternehmen wollen, brauchen wir Drittmittel. Bei der Bodendenkmalpflege geht es nach dem Verursacherprinzip: Alle archäologischen Ausgrabungen sind durch diejenigen finanziert, deren Bauprojekte die Grabungen nötig machen. Für sonstige Aktivitäten brauchen wir Sponsoren.

B&P: Wie steht es um die Einrichtung einer Dependance für die frühe Harburger Stadtgeschichte im Harburger Schloss?

Weiss: Wir tragen jetzt die letzten Bausteine für die Finanzierung zusammen und wollen im Oktober mit den ersten vorbereitenden archäologischen Maßnahmen beginnen – von deren Ergebnis hängt der Umbauaufwand ab. Wir wissen nichts über die Gründung. Wir wissen auch nicht, ob das jetzige Gebäude auf den Festen der Horeburg steht oder ob die alte Burganlage zehn Meter weiter liegt. Das hieße: Das heutige Schloss steht möglicherweise über dem ehemaligen Wassergraben – was der Grund dafür sein könnte, dass das Gebäude leicht auseinanderdriftet. Es entstehen Risse. Die Untersuchung soll Aufschluss über den statischen Sanierungsaufwand geben. Deshalb haben wir noch eine Verzögerung.