„Hippe“ Videoclips locken Fachkräfte

Foto: Müller-Zitzke/VogtDie Dreharbeiten fanden Ende November in der Captain’s Lounge des Atlantic Hotels Sail City statt. Hier hat das Aufnahmeteam Gestalterin Lisa Keller aus Thüringen (2. v. l.) auf den Interview-Stuhl gesetzt: (v. l.) Dennis Vogt, Richard Hill, Lisa Niemann und Tim David Müller-Zitzke. || Foto: Müller-Zitzke/Vogt

Social-Media-Kampagne soll qualifiziertes Personal für Bremerhaven gewinnen.

Von Sebastian Loskant

 „Schampus oder Sojalatte?“ Kevin Vincent Schalk ist sich sicher: „Lieber nichts von beidem.“ Damit ist der Ingenieur, der ein Wasserstoff-Testfeld aufbaut, genau das richtige Gesicht für die Videoclip-Kampagne „Nicht hip, aber herzlich“, mit der die BIS auf den Social-Media-Kanälen und unter unglaublich.bremerhaven.de Fachkräfte für Bremerhaven interessieren möchte.

„Koje oder Kombüse?“ Da hat Eliseo di Paola noch eine klare Meinung: „Koje.“ Auch bei „Park oder Pier?“, „Wüste oder Wind?“ zögert er nicht lange. „Pier“ und „Mittlerweile Wind“, sagt der Schweizer Gastwirt lachend. Bei der Frage „High Key oder Low Key“ aber muss er passen: „Ey, das sind Wörter, die kenn’ ich gar nicht. Was ist das?“ Auf „Stirnband oder Snapback?“ antwortet er verschmitzt: „Haar-Gel.“

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Mit seinem Erstaunen ist der Erlebnisgastronom aus St. Gallen, der das „Chasstübli“ in der Holzhütte am Schifffahrtsmuseum betreibt, nicht allein. Konditorin Katie Mazur aus Delaware (USA), die sich im Mai 2019 mit „Katie’s Pastry“ in Wulsdorf ihren Lebenstraum erfüllt hat, steigt beim Wortpaar „Babo oder Bibster?“ aus. Ihre Kuchen und Plätzchen sind zweifellos hip genug.

Mit dem kleinen Ratespiel voller Lifestyle-Begriffe möchten die nicht mal eine Minute langen Videoclips in origineller Weise neugierig machen auf unsere Stadt. Denn viele Unternehmen suchen händeringend nach qualifiziertem Personal. „Bremerhaven ist weder Berlin noch Kopenhagen“, das weiß auch Nils Schnorrenberg, Geschäftsführer der BIS Wirtschaftsförderung. Andererseits müsse man sich hier nicht sorgen, ob das hart verdiente Monatsgehalt für die Miete und Designer-Klamotten aus recyceltem Meeresplastik reicht. „Einfach mal die Perspektive wechseln“, empfiehlt er, „und bewusst darauf schauen, was wirklich zählt, um ganz entspannt in einer Großstadt zu leben.“ Kurze Wege zum Beispiel, Verlässlichkeit, günstige Lebenshaltung und kreativer Freiraum.

Für diese Sichtweise hat sich die BIS im August 2021 die Filmemacher Dennis Vogt und Tim David Müller-Zitzke ins Boot geholt, die mit ihrem Kinofilm „Projekt: Antarktis“ und zuletzt mit einem rasanten Bremerhaven-Werbefilm für die SWB auf sich aufmerksam gemacht haben. „Es war das erste Mal, dass wir an einer Ausschreibung teilnahmen“, erzählt Müller-Zitzke. Dass er den Zuschlag bekam, freut ihn. „Es hat sich offenbar herumgesprochen, dass zwei Leute aus der Nähe von Göttingen, die seit 2013 in Bremerhaven leben, diese Stadt gern pushen.“

Das mit EU-Mitteln geförderte Konzept für eine jüngere Zielgruppe, das das Duo mit Unterstützung von Viola Haye („bigbenreklamebureau“) umsetzte, sollte nicht wieder von Wasser, Deich, Wind und Meer handeln. Müller-Zitzke: „Wir haben gefragt: Was macht Bremerhaven aus?, und kamen zu dem Schluss: nordische Herzlichkeit und Ehrlichkeit, offene, zugewandte Menschen. Wir haben dann vier Selbstständige aus verschiedenen Branchen – Forschung/Wissenschaft, Gastronomie, Kreativwirtschaft und Handwerk – gefunden, die in Bremerhaven genau dieses Potenzial gesehen haben.“

Den Umstand, dass Bremerhaven andere Qualitäten als Monaco und St. Moritz besitzt, ließ das Filmteam humorvoll in den Slogan „Nicht hip aber herzlich“ und in die vier Videoclips einfließen. Ende November wurden die Interviews in der Captain’s Lounge des Atlantic Hotels Sail City 85 Meter über der Weser geführt. „Wir haben die Teilnehmer mit unseren immer schwereren Wortpaar-Fragen überrascht und ein bisschen verwirrt“, erzählt Tim David Müller-Zitzke. „Unser Experiment ist geglückt: Alle kamen dabei sehr sympathisch rüber. Es wurde klar, dass in Bremerhaven andere Dinge wichtig sind.“

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Nur die 26-jährige Gestalterin Lisa Keller aus Thüringen machte dem Team einen Strich durch die Rechnung: „Sie kannte alle Begriffe – da haben wir sie dann zu Bremerhaven befragt.“

Von heute an werden die Videoclips peu à peu ins Netz gestellt, flankiert von Interviews, in denen sich die Befragten vorstellen. „Wir hoffen, dass hiesige Unternehmen die Idee aufgreifen und selbst einen Videoclip mit einem ihrer Mitarbeiter ins Netz stellen“, sagt Nils Schnorrenberger. Denn wie heißt es am Ende des Videos der Konditorin aus Wulsdorf? „Katie kann ihre Kreativität in Bremerhaven ausleben. Das willst du auch?“

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