Neue Anforderungen an Unternehmensimmobilien durch Industrie 4.0

Eine Kolumne von Finn Jungbluth, Engel & Völkers Commercial.

Der Begriff der Industrie 4.0, vor rund 10 Jahren als Marketing-Slogan deutscher Wirtschaftsverbände ausgerufen, ist mittlerweile in zahlreichen Wertschöpfungsprozessen präsent. Er beschreibt die zunehmende Vernetzung von Mensch, Fertigungsanlage und Produkt durch digitale, selbständig-smarte Abläufe, die, angestoßen durch diverse technische Innovationen, einen Paradigmenwechsel in der modernen Industrie- und Arbeitswelt darstellen. So versteht sich Industrie 4.0 als historisch gewachsener Entwicklungsschritt, der nach dem Aufkommen industrieller Fertigungsmethoden Ende des 18. Jahrhunderts, der Massen- und Fließbandproduktion Ende des 19. Jahrhunderts und der Einführung von Computertechnik Mitte des 20. Jahrhunderts die aktuelle Evolutionsstufe industrieller Fertigung markiert.

Selbstständig agierende Sortiermechanismen, sich automatisch aktualisierende Online-Shops oder autonome, robotergestützte Fertigungsstraßen sind nur einige Beispiele der Errungenschaften von Industrie 4.0, die sich mittlerweile in vielen Unternehmen auch in Hamburg durchgesetzt haben. Die dadurch erwachsenen Möglichkeiten bringen eine Reihe von Anforderungen mit sich – nicht nur für die Konzeption von Arbeit, Marketing und Logistik, sondern auch für die Gewerbeimmobilien, in denen solche Technologien zur Anwendung kommen. Aus diesem Grund stellt für mich und mein Team der Digitalisierungsansatz einen wichtigen Teil einer ganzheitlichen Immobilienberatung dar.

Die Ansprüche, die heute an eine zukunftsfähige Industrieimmobilie gestellt werden, betreffen zu einem wesentlichen Teil deren infrastrukturelle Beschaffenheit: So sollte der Standort des Objektes nicht nur wie bisher verkehrsgünstig gelegen sein, sondern zudem über eine schnelle und belastbare Datenverbindung verfügen, um den gestiegenen Umfang des Informationstransfers zwischen Maschinen, Mitarbeitern und Partnerunternehmen bedienen zu können. Hinsichtlich der Gebäudetechnik werden ebenfalls neue Maßstäbe gesetzt. Intern vollständig vernetzte, smarte Produktionsanlagen – etwa mit einer selbstständigen Klimasteuerung, Beleuchtungs- oder Sicherheitsautomatik – werden sich langfristig am Markt durchsetzen.

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Um sowohl den Entwicklungen der letzten Jahre gerecht zu werden als auch zukünftigen Perspektiven genug Raum zu bieten, spielt bei der Auswahl der passenden Immobilie heute auch die Flexibilität der Fläche eine wichtige Rolle: Als Gewerbeimmobilienmakler erleben wir zunehmend, dass sich Nutzungskonzepte während der Betriebszeit zum Teil mehrfach ändern und auf diese Weise etwa Produktionsflächen zusammengelegt, Kapazitäten aufgestockt, abgebaut oder verschoben werden. Industrieflächen, Lagerhallen und Logistikimmobilien, bei denen dies, etwa durch modulare Bauweise oder systematische Erweiterungsoptionen, möglich ist, werden heute von modernen Unternehmen präferiert. Gleichzeitig gelangen auch Gewerbeflächen, deren Verwendbarkeit unter konventionellen Gesichtspunkten eingeschränkt war, durch neue, platzsparende Fertigungstechniken wie 3D-Druckverfahren oder Micro-Engineering wieder ins Blickfeld von Unternehmen und re-aktivieren auf diese Weise noch offene Marktsegmente, auch in zentralen Lagen.

All diese Elemente sind meiner Ansicht nach erst der Beginn einer erstaunlichen Entwicklung, die das Feld der Industrie- und Gewerbeimmobilien in Zukunft noch stärker durchdringen wird als dies schonjetzt der Fall ist – in Form eben jener industriellen Revolution, die vor einem Jahrzehnt ihren Anfang nahm und sich nun anschickt, ihr gesamtes Potenzial zu entfalten.

Finn Jungbluth ist seit September 2020 als Consultant für Industrie- und Logistikimmobilien beim Gewerbeimmobilienmakler Engel & Völkers Commercial Hamburg tätig. Sein interdisziplinärer Werdegang, der unter anderem ein technisches Studium in Österreich und die immobilienspezifische Arbeit in der Grundstücksverwaltung umfasst, erlauben dem gebürtigen Hamburger einen multiperspektivischen Blick auf aktuelle industrielle Zusammenhänge, der in eine fundierte Einschätzung aktueller Trends und Marktentwicklungen in der Hansestadt mündet.