„Weitermachen wie bisher funktioniert nicht mehr“

Die Corona-Pandemie zwingt Betriebe, Strukturen zu ändern

Eine Pandemie kann auch entlarvend sein. Ein Virus zieht um die Welt, verändert das Leben jedes Einzelnen. Im privaten Umfeld, aber auch am Arbeitsplatz. Wo gewachsene Strukturen seit Jahren nicht hinterfragt wurden, ist plötzlich vieles anders. Und mancher Chef sieht sich plötzlich vor der Herausforderung, sein Team  anders aufstellen zu müssen, völlig neue Schwerpunkte zu setzen. Die Mannschaft ist dieselbe, die Aufgaben sind andere. Und in Corona-Zeiten kann plötzlich der Mensch mit all seinen Möglichkeiten und Interessen durchschimmern, wo bislang nur eine Arbeitskraft zu sehen war. Und dieser Umbruch voller neuer Erkenntnisse bereitet vielen Unternehmen gewaltiges Kopfzerbrechen.

„Gerade in diesen Wochen zeigt sich, wer seine Hausaufgaben gemacht hat und wer nicht“, sagt dazu Wiebke Krohn, Expertin für Personalentwicklung beim Arbeitgeberverband (AV) Lüneburg-Nordostniedersachsen. Der Verband bietet am 5. November gemeinsam mit dem Überbetrieblichen Verbund Lüneburg.Uelzen (ÜBV) eine Online-Veranstaltung unter dem Titel „Die Kompetenz, Kompetenzen zu managen“ an und das Interesse daran ist groß. Denn hinter dem etwas  theoretischen Motto versteckt sich für die Praxis eine Reihe neuer Möglichkeiten. Vereinfacht gesagt: Viele Arbeitgeber wissen  kaum etwas über ihre Angestellten, entsprechend wenig werden deren Fähigkeiten und Kompetenzen genutzt.

Das aber ist gerade in diesen Monaten, in denen sich Stellenprofile verändern, wichtiger denn je. „Wenn man die Mitarbeiter dennoch behalten möchte, dann muss man sie anders einsetzen und schauen, welche Qualifikationen sie zusätzlich noch haben“, schildert Wiebke Krohn. Da ist etwa der Mitarbeiter aus der Produktion, der in seiner Freizeit Schatzmeister im Verein ist und der durchaus in der gerade überlasteten Buchhaltung aushelfen kann. Oder der Kollege, der im Verein für die Akquise etwa für Spenden und Trikots zuständig ist, kann auch den Vertrieb unterstützen.

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„Einige Betriebe müssten da flexibler und auch strukturierter werden“, sagt die Expertin. Es lohnt sich, manch einen Mitarbeiter in seiner Ganzheit zu sehen. Wenn etwa Mütter oder Väter aus der Elternzeit  zurückkehren, „dann sollte man unbedingt genau schauen, was sie als Wiedereinsteiger an Fähigkeiten und Kompetenzen zusätzlich mitbringen und dieses für sein Unternehmen nutzen.“

Doch auch bei der Suche nach Arbeitskräften hätten sich viele Betriebe in den vergangenen Jahren wenig oder gar nicht weiterentwickelt. „Einfach die Stellenanzeige von vor zwei Jahren raussuchen, ohne sich Gedanken zu machen, wie sich dieser Job weiterentwickelt hat, das funktioniert nicht“, betont Krohn. Führungskräfte müssten da flexibler und auch strukturierter werden, nicht zuletzt auch bei den Bewerbungsgesprächen.

„Eine Stelle unbesetzt zu lassen, weil die Vita eines Bewerbers nicht zu 100 Prozent auf das Stellenprofil passt, kann nicht die Lösung sein“, so die Personalentwicklerin. Denn wichtig sei es auch, ob jemand menschlich und charakterlich ins Team passt. „Was nützt mir ein Kandidat mit perfekter Qualifikation, wenn er nicht genauso engagiert und motiviert ist“, gibt Krohn zu bedenken. Jemanden, der zu 70 Prozent für einen Job passe, könne man unter Umständen noch weiterbilden oder einarbeiten und dann habe ich womöglich den besseren Teamplayer bekommen. Letztlich gehe es immer mehr um die persönlichen und sozialen Kompetenzen sowie die Selbstmotivation.

Bislang sei zu wenig darauf geschaut worden, was Mitarbeiter an Kompetenz aus ihrem Alltag mitbringen. So wie der Kollege, der sich privat beim THW engagiert und womöglich als Fachkraft für Arbeitssicherheit geeignet wäre. Denn Corona wird eines Tages Geschichte sein – und der Fachkräftemangel dann wieder voll durchschlagen.

Infos zur Online-Veranstaltung „Die Kompetenz, Kompetenzen zu managen“ gibt es unter www.arbeitgeberverbandlueneburg.de

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