Wesernetz: Umstellung von L-Gas auf H-Gas

Foto: Stümpke/SWBDr. Patrick Wittenberg ist Geschäftsführer des Netzbetreibers Wesernetz, einer Tochter des SWB-Konzerns. || Foto: Stümpke/SWB

Interview mit dem Geschäftsführer Dr. Patrick Wittenberg.

Von Christoph Bohn

Zurzeit strömt noch das sogenannte L-Gas durch die Leitungen in der Seestadt. Doch die Gaslieferung aus den Niederlanden soll bis spätestens 2030 eingestellt werden. Das Gas wird dort nicht mehr gefördert. Deswegen wird die Versorgung auf H-Gas umgestellt, das aus Norwegen, Russland und der Nordsee stammt. Doch damit alles reibungslos klappt, müssen alle Gasgeräte – hauptsächlich Heizungen und Herde – umgerüstet werden. Dabei ist der Netzbetreiber für die Überprüfung und Umstellung aller Geräte in seinem Bereich verpflichtet – eine enorme logistische Aufgabe, der sich in Bremerhaven und Bremen die Firma Wesernetz stellen muss. Im Interview berichtet Geschäftsführer Dr. Patrick Wittenberg, wie der Netzbetreiber dies bewältigen will. Dafür arbeitet Wesernetz auch mit Partnerfirmen zusammen.

Insgesamt 28.000 Haushalte mit 37.000 Gasgeräten sind in Bremerhaven von der Gasumstellung betroffen. Und bis Dezember 2021 soll das gesamte Versorgungsnetz auf H-Gas umgestellt werden. Das klingt nach einer gewaltigen Aufgabe. Wie schafft es Wesernetz, diese Aufgabe zu bewältigen?

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Die Gasumstellung ist für Bremen und Bremerhaven insgesamt eine riesige Herausforderung. Nicht nur für uns, sondern auch für die Kunden, die wir in der Regel mindestens zwei Mal zu Hause aufsuchen müssen. Dabei ist die Gasumstellung nicht etwa ein Geschäftsfeld von uns. Wir verdienen daran nichts. Als örtlicher Netzbetreiber sind wir gesetzlich dazu verpflichtet, die Gasgeräte in Bremerhaven anzupassen. Nun kümmern sich für Bremen bereits seit vier Jahren mehr als 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um die Gasumstellung. Und ab Juni 2020 auch für Bremerhaven. Ohne den Einsatz unserer Partnerfirmen wäre ein solches Projekt nicht zu stemmen. Unser Dank gilt allen Beteiligten für die gute Zusammenarbeit.

37.000 Gasgeräte, das heißt ja auch, dass für jedes ein entsprechender Umrüstungssatz vorgehalten werden und jeder Monteur den für ihn richtigen Satz bekommen muss. Wie lösen Sie dieses logistische Problem?

Wir bauen in Bremerhaven ein eigenes Lager für die Ersatzteile auf. Es wird der zentrale Dreh- und Angelpunkt. Dort befinden sich alle technischen Ersatzteile für die Umrüstung. Sie werden händisch den jeweiligen Haushalten zugeordnet. Das muss bei einem Bestellvorlauf von etwa einem halben Jahr sehr gewissenhaft ablaufen. Bei rund 37.000 Gasgeräten und circa 20.000 möglichen unterschiedlichen Modellen braucht das einfach seine Zeit. Aus diesem Grund haben wir zwischen dem ersten und dem zweiten Hausbesuch etwa ein Jahr Luft. In dieser Zeit können für jedes erfasste Gerät die entsprechenden Ersatzteile bestellt werden.

Bei der Vielzahl der Geräte können Sie sicherlich nicht nur mit eigenem Personal arbeiten. Wie gehen Sie vor?

Wir arbeiten mit rund 30 Firmen und speziell geschultem Personal zusammen. Von der Informationstechnik für die Prozesse, Programmierung, Kommunikation, Druckereien, Übersetzer für die sechssprachigen Informationsunterlagen, unsere telefonische Servicenummer bis hin zu den Monteuren für die Anpassung. Die Zusammenarbeit ist bestens eingespielt und vertrauensvoll. Meine Kolleginnen und Kollegen bei Wesernetz koordinieren das gesamte Projekt und veranlassen regelmäßig Qualitätskontrollen. Alles, was wir tun, unterliegt dem Ziel, die größtmögliche Sicherheit bei den Kunden zu gewährleisten. Denn Sicherheit hat rund um die Gasumstellung höchste Priorität.

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Sie sind Netzbetreiber, aber gleichzeitig Tochter des SWB-Konzerns, der ja häufig auch der Gaslieferant ist. Bei der Gasumstellung muss beides aber streng getrennt sein. Wie schafft man diesen Spagat?

Als Netzbetreiber sind wir für den Transportweg des Erdgases verantwortlich. Unabhängig davon, von welchem Anbieter eine Kundin oder ein Kunde Erdgas bezieht. Dass wir zur SWB-Gruppe gehören, spielt dabei keine Rolle. Unsere Geschäftstätigkeit als Netzbetreiber und die von SWB-Vertrieb sind strikt voneinander getrennt. Und was die Kosten der Gasumstellung angeht, werden sie für alle solidarisiert. Das heißt, dass jede Gaskundin und jeder Gaskunde in Deutschland die Gasumstellung mit einem geringen Betrag mitfinanziert, über die sogenannten Netzentgelte.

Bei einem Umrüstungsumfang in dieser Größe kommt es doch sicherlich auch zu Problemen und auch zu Gaskunden, die sich beschweren?

Bremen war die erste Großstadt in Deutschland, die die Gasumstellung durchgeführt hat. Da lief zu Beginn auch einiges holprig. Mittlerweile sind wir sehr gut eingespielt. Und dennoch bleibt es organisatorisch herausfordernd. Zum Beispiel, wenn sich während einer Grippewelle morgens mehrere Monteure krankmelden. Dann fallen pro Tag Hunderte Termine aus. Das bekommt man dann nicht mehr komplett aufgefangen. Wir bitten alle Erdgasnutzer dafür um Verständnis. Wir kümmern uns nach bestem Wissen und Gewissen um alle Abläufe.

Die Gasumstellung ist ja ein ziemlich einmalig. Doch wie sieht es bei anderen Projekten mit Aufträgen für externe Dienstleister aus?

Als Netzbetreiber sind wir verantwortlich für die Versorgungsleitungen für Strom, Erdgas, Wasser und Wärme. Das sind in unserem Versorgungsgebiet insgesamt etwa 19.000 Kilometer. Dafür brauchen wir zuverlässige und kompetente Vertragspartner, die uns unterstützen. Dabei wollen wir eine langfristige Partnerschaft aufbauen, von der beide Seiten profitieren. Die Partner profitieren von unserem Auftragsvolumen und wir profitieren von Ihren Kompetenzen und der Sicherheit, die Netzmaßnahmen noch besser planen zu können.

Welche Perspektive können Sie den Dienstleistern denn dabei bieten?

Wir brauchen zuverlässige Vertragspartner in den Bereichen Tief-, Kabel- und Rohrleitungsbau. Und dieser Bedarf wird weiter wachsen. Das bedeutet für die Firmen, dass sie mit gut gefüllten Auftragsbüchern rechnen können. Dabei ist auch nebensächlich, wie klein oder groß ein Betrieb derzeit ist. Wir holen sie dort ab, wo sie gerade stehen, und planen zusammen unseren gemeinsamen Weg. Um den Einstieg in das neue Arbeitsumfeld so einfach wie möglich zu gestalten, begleiten wir unsere Partnerfirmen unter anderem bei Antragstellungen, vermitteln Kontakte zu Behörden und erklären die üblichen Arbeitsabläufe. Eine Hand wäscht hier die andere, alles im Sinne der Versorgungssicherheit.