Windbranche wartet auf Impulse

Foto: ScheerDer Ausbau der Windparks ist zum Erliegen gekommen. Bis Ende 2022 gehen keine neuen Anlagen ans Netz. || Foto: Scheer

Derzeit keine Bauaktivität – Stiftung Offshore Windenergie mahnt Investitionsschub an

Ein echter Investitionsschub werde benötigt, so Wagner. Dafür müssten die vorhandenen Potenziale schnellstmöglich zusätzlich ausgeschrieben und mit raschen Inbetriebnahmen verbunden werden. „Jetzt die Investitionen vorzuziehen, hilft Konjunktur und Klimaschutz gleichermaßen“, sagte der Geschäftsführer der Stiftung Offshore Windenergie, Andreas Wagner..

Die gravierenden Folgen des fehlenden Ausbaus der Windenergie in Nord- und Ostsee – Unternehmensschließungen, Beschäftigungsverluste und Abwanderungen aus dem deutschen Markt etwa – müssten schnellstmöglich überwunden werden. Die Branche habe in den vergangenen Jahren kontinuierlich vor diesen Folgen gewarnt.

Gleichzeitig sei die Betonung des Klima- und Ressourcenschutzes auf der Konferenz von der Windenergiebranche als wichtiges Aufbruchssignal aufgenommen worden. Es sei herausgearbeitet worden, dass die Offshore-Windenergie einen wichtigen Baustein in der maritimen Wertschöpfungskette bilden kann. Die Potenziale auf dem Weg in die klimaneutrale Energiewirtschaft seien enorm, sagte der Geschäftsführer des Bundesverbands Windenergie, Wolfram Axthelm. „Die Botschaften müssen nun in die Realitäten der Branche übersetzt werden.“

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Stefan Thimm, Geschäftsführer des Bundesverbands der Windparkbetreiber Offshore (BWO) blickt vor allem auf die Beschäftigung und verweist auf die jüngst durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie veröffentlichten Studie „Maritime Wertschöpfung und Beschäftigung in Deutschland“. Ein Arbeitsplatz im Bereich Offshore Windenergie führe im Durchschnitt zu 2,4 weiteren Arbeitsplätzen entlang der Wertschöpfungskette, heißt es da. Der Offshore-Windenergie wird außerdem ein Wertschöpfungsmultiplikator von 3,1 attestiert. „Die Zahlen belegen, was wir längst wussten: Die Offshore-Windindustrie hat sich zu einem wichtigen Treiber unserer Wirtschaft entwickelt. Sie sorgt nicht nur in den Küstenländern, sondern auch im Süden und Westen Deutschlands für Beschäftigung und Wertschöpfung“, sagt Thimm. „Die Zweitrundeneffekte der Offshore-Windbranche sind sehr hoch, auch das unterstreicht noch einmal die Wichtigkeit der gesamten Wertschöpfungskette. Umso bedenklicher ist die Tatsache, dass aktuell so gut wie kein Offshore-Ausbau in Deutschland stattfindet.“

Sorgen macht sich Thimm vor allem um die rund 24 000 Beschäftigten der Offshore-Windindustrie. „Schon jetzt ist die Branche leicht geschrumpft. Hier bekommen wir die Auswirkungen der Ausbaulücke ganz unmittelbar zu spüren“, so Thimm. Gleichzeitig sieht er aber auch die deutsche Vorreiterstellung im internationalen Wettbewerb in Gefahr: „Je stärker der inländische Ausbau stagniert, desto mehr wird sich die heimische Industrie in Richtung Ausland orientieren. Bei unseren europäischen Nachbarn, aber auch in außereuropäischen Märkten wie China und den USA sehen wir großes Wachstum“, so Thimm. „Wenn wir uns jetzt nicht ins Zeug legen, dann können wir unsere einstige Vorreiterrolle vergessen“.

Es gebe in Deutschland ein großes Know-how in der Maritimen Industrie und eine komplette Offshore-Wind-Wertschöpfungskette, einschließlich vieler kompetenter und innovativer kleiner und mittelständischer Unternehmen und einer breit aufgestellten Forschungslandschaft, die alle von einem schnelleren und stabilen Ausbau profitieren würden“, betont auch Heike Winkler,, Geschäftsführerin des Windindustrieverbands WAB mit Sitz in Bremerhaven. Da dieser Ausbau aktuell durch politische Entscheidungen unterbrochen worden sei, fänden in deutschen Gewässern keine Bauaktivitäten statt und nähmen in der ersten Hälfte der 2020er Jahre zu langsam zu, um heimischen Unternehmen ausreichendes Marktvolumen bieten zu können.

„Dieser ‚Fadenriss‘ hat bereits Substanz gekostet“, sagt Winkler. „Deshalb brauchen wir kurzfristige Impulse, wie eine zusätzliche Ausschreibung von Flächen in 2022 – gegebenenfalls auch in Kombination mit der Erzeugung von ,grünem‘ Wasserstoff –, die eine Zunahme von Bauaktivitäten in Nord- und Ostsee vor 2026 ermöglichen.“ Die Offshore-Windindustrie sei in der Lage, schon vor 2030 mehr als die bislang geplanten 20 Gigawatt installierter Leistung zum Erreichen der Klimaziele und zu einem verfassungsgemäßen Klimaschutz beizutragen.

Die WAB begrüßt die Ende April vom Bundeskabinett verabschiedete Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG), welche den Anschluss von Offshore-Windparks in Küstengebieten erleichtern soll. Der Vorschlag enthält eine Möglichkeit, die Netzanschlusskosten umzulegen. Projekte im Küstengebiet, die nicht unter das Windenergie-auf-See-Gesetz fallen, sollen demnach keine feste Einspeisevergütung erhalten. Die Inbetriebnahme des Windparks und der Netzanschluss müssen koordiniert werden.

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Wichtig sei zudem, bereits jetzt ein Zwischenziel von 35 Gigawatt Offshore-Wind bis 2035 anzupeilen sowie die Potenziale für die Windenergie auf See und hieraus erzeugtem „grünen“ Wasserstoff über 2040 hinaus in der Flächenplanung für Nord- und Ostsee zu berücksichtigen, mahnt Winkler: „Da Klima- und Naturschutz eine gemeinsame und unteilbare Aufgabe ist, benötigt der Offshore-Wind-Ausbau eine weitsichtige und am Klimaschutzbedarf orientierte Raumplanung.

Die Novelle des Windenergie-auf-See-Gesetzes (WindSeeG) im Dezember 2020 schaffe immerhin schon mal eine gute Grundlage für die weitere Planung bis 2040, und auch die erneut angehobenen Klimaziele wecken Hoffnung, meint BWO-Geschäftsführer Thimm. Um nach der Ausbaulücke voll durchstarten zu können, brauche es aber zusätzliche Maßnahmen.