Frachtgeschäft im Krisenmodus

Foto: Andrea Heinsohn PhotographyFruchthändler Sven Heinsohn kämpft mit den weltweiten Verwerfungen im Frachtgeschäft. Grundsätzlich wünscht er sich mehr Wertschätzung für Lebensmittel. || Foto: Andrea Heinsohn Photography

Fruchthändler Sven Heinsohn erläutert, wie anfällig der globale Handel ist.

Es ist kompliziert. Wenn Sven Heinsohn, Geschäftsführer der Buxtehuder Fruchthandelsagentur Global Fruit Point, über die aktuelle Situation in seiner Branche spricht, wird schnell deutlich, dass das fein justierte Räderwerk der Lebensmittelversorgung weltweit aus dem Rhythmus geraten ist. Das liegt allerdings nur zum Teil an Corona – vielmehr scheint es, als habe der Pandemie-Impact ein System offengelegt, das schon vorher an einigen Stellen aus dem Gleichgewicht geraten war. Im B&P-Gespräch mit Heinsohn stehen drei Hauptthemen im Fokus: Folgen und Chancen der Stadtflucht, soziale Gerechtigkeit und Wertschätzung von Lebensmitteln sowie die aktuellen Probleme auf den weltweiten Handelsrouten, mit denen auch das Buxtehuder Unternehmen täglich zu kämpfen hat.

Also gibt es immer alles . . .

„Planung ist kaum mehr möglich“, fast Sven Heinsohn die Situation zusammen, mit der Global Fruit Point konfrontiert ist. Planung ist allerdings das Hauptgeschäft der Fruchthändler, die dafür sorgen, dass die Lebensmittelgeschäfte rund ums Jahr mit frischer Ware versorgt werden: Trauben, Beeren, Mangos, Avocados, Zitrusfrüchte, Bananen – das volle Programm der bunten Obst- und Gemüseabteilungen, in denen der Norddeutsche (und mit ihm alle Europäer) wie selbstverständlich auch im Januar nach dunklen Weintrauben für die Käseplatte Ausschau hält. Die Erzeuger sind rund um den Globus verteilt, denn bekanntlich ist immer irgendwo Sommer. Also gibt es immer  alles.

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Oder auch nicht. Heinsohn: „Unsere größte Herausforderung ist die Zeit. Wenn ein Rädchen in der weltweiten Schifffahrt defekt ist, gerät die ganze Rotation von Schiffen, Containern, Paletten und Schiffspassagen durcheinander – diesen Zustand haben wir jetzt. Bei uns hat das einen Dauerwarnzustand ausgelöst. Plan B und Plan C sind dauerpräsent.“ Die Faktoren, die die Krise ausgelöst haben: Corona, der Crash im Suez-Kanal, Riesennachfrage in den USA und Staus in den großen Häfen. Heinsohn: „In Los Angelos liegen die großen Containerschiffe mittlerweile zehn Tage auf Reede, bevor sie abgefertigt werden. In Philadelphia sind es fünf Tage. Für verderbliche Ware ein Desaster.“

In der Folge hat sich der Fruchthandel auf Alternativen konzentriert neben dem Containerverkehr: „Zusammen mit unseren Exporteuren und Erzeugern setzen wir verstärkt unter anderem auf die klassischen Kühlschiffe, die deutlich weniger anfällig für Verspätungen sind. Da passen 4000 bis 6000 Paletten Frucht hinein. Ist das Schiff voll – fährt es los. Fertig“, sagt Sven Heinsohn. Im Containerverkehr ist das anders, da an Bord alle möglichen Waren zu finden sind. Dort herrscht die bunte Mischung, und die großen Mengen sind in der Abfertigung viel aufwändiger. Heinsohn: „Mit den Kühlschiffen sind wir unabhängiger von den großen Schiffsverkehren, zumal die leeren Container auch häufig dort fehlen, wo sie gerade gebraucht werden.“

Sowohl im Containerverkehr als auch bei den Kühlschiffen steigen allerdings die Preise. Heinsohn: „Früher kostete der Transport zum Beispiel einer Palette Bananen von Ecuador nach Deutschland 150 US Dollar. Heute sind es zirka 100 US Dollar mehr. Das heißt: Auf das Kilo Bananen entfallen zwölf Cent Mehrkosten für die Fracht. Mit steigenden Verpackungskosten für Kartonagen, Folien und Paletten, höheren Spritpreisen vor Ort und gestiegenen Kosten für Transport-Sicherheit sind es dann insgesamt etwa 14 bis 16 Cent mehr. Das heißt: Der Lebensmitteleinzelhandel müsste die Preise erhöhen. Das ist die Botschaft.“

Dass ausgerechnet Kartonagen zu einem Problem werden könnten, verwundert auch Sven Heinsohn. „Da hatten wir eigentlich nie ein Problem, aber in den Ursprungsländern der Früchte in Übersee ist das ein massives Thema. Nicht jedes Land hat eine Kartonagenfabrik. Außerdem fehlt es an Rohmaterial, was wiederum dazu führt, dass Aufträge nicht abgearbeitet werden können. Kartonagen sind  binnen eines Jahres um etwa 50 bis 60 Prozent teurer geworden – statt der üblichen Steigerung von drei bis fünf Prozent. Wir haben folgende Gemengelage: Die Lebensmittelnachfrage ist coronabedingt gestiegen. Die Produktionsmengen waren sehr unterschiedlich aufgrund von Witterungsbedingungen. Die Frachten werden schwieriger. Und die Kosten steigen. Corona hat uns gezeigt, wie anfällig wir sind, wenn ein Rädchen im System nicht mehr funktioniert.“

Die ganze Geschichte lesen Sie ab 10. Dezember in B&P Metropolregion Hamburg – Print und online.

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