Wie war das noch mit dem Konto in der Schweiz . . . ?

Foto: DPSiebo Suhren, Fachanwalt für Steuerrecht und zertifizierter Berater für Steuerstrafrecht (DAA) bei der Kanzlei Dierkes Partner: „Es beginnt zumeist mit einem Brief vom Finanzamt . . .“ Foto: DP

Steuerstrafrechtler Siebo Suhren (Dierkes Partner) über den
Automatischen Informationsaustausch zwischen den nationalen Finanzbehörden.

Vielfach gilt Steuerhinterziehung als Kavaliersdelikt oder gar „sportliche Herausforderung“, aber spätestens seit der Unternehmer Uli Hoeneß, damals auch Präsident des FC Bayern München, 2014 hinter Gittern verschwand, ist klar: Das kann auch richtig ernst werden. Speziell im Kampf gegen schwarze Auslandskonten vereinbarten 2014 deshalb 51 Staaten den Automatischen Informationsaustausch (AIA), ein Abkommen auf OECD-Ebene, das dazu führt, dass sich die Finanzbehörden gegenseitig und automatisch mit Informationen über Konten und Kapitalerträge austauschen. Mittlerweile ist die Zahl der teilnehmenden Länder sogar auf mehr als 100 gestiegen, wie Siebo Suhren, Fachanwalt für Steuerrecht und zertifizierter Berater für Steuerstrafrecht bei der Kanzlei Dierkes Partner, im B&P-Gespräch erläutert. Die Auswirkungen werden jetzt spürbar. Aus der täglichen Praxis weiß der Anwalt: „Die Fallzahlen nehmen zu. Es beginnt zumeist mit einem Brief vom Finanzamt . . .“

Um Fälle wie diese geht es beim AIA: Ein Deutscher hat in der Schweiz ein Konto und lässt die dort erzielten Zinserträge bei der Steuererklärung in Deutschland unter den Tisch fallen – es gibt ja schließlich ein Bankgeheimnis, wie also sollte das herauskommen . . . Suhren: „Dazu muss man wissen, dass auch die Schweiz am AIA teilnimmt. Zu den Ländern zählen auch Österreich, Israel, Kanada, sogar Steuerparadiese wie Guernsey, Luxemburg und Liechtenstein. Und nicht zu vergessen: China. Die chinesischen Finanzbehörden wissen also, welche Konten in Deutschland lebende Chinesen bei welcher Bank haben und wie hoch die Kapitalerträge sind. Unter Datenschutzgesichtspunkten ist das ehrlich gesagt echt krass.“ Die USA sind übrigens nicht Teil des internationalen Standards, der hier seit 2014 entwickelt wurde und seit 2019 spürbar an Fahrt gewinnt – die Verfahren nehmen zu. Suhren weiter: „Der AIA umfasst sämtliche Informationen zu im Ausland gehaltenen Konten inklusive Namen, Erträge und sogenannte steuerlich relevante Daten. Das bedeutet: Der deutsche Staat weiß im Wesentlichen über die ausländischen Bankkonten seiner Bürger Bescheid – auch über die vermeintlich schwarzen Konten.“ Der Umstand, dass mehr als 100 Staaten beteiligt sind und in der Folge eine Unmenge an Daten ausgetauscht werden, führt zwangsläufig zu einem Bearbeitungsstau. Suhren: „Es gibt viel zu wenig Mitarbeiter für viel zu viele Konten. Ein Flaschenhals, aber wir registrieren einen stetigen Zulauf von Verfahren.“ Hinzu komme, dass die Behörden grundsätzlich verpflichtet seien, ein Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung einzuleiten, wenn diese wahrscheinlich ist. Und das auch noch unabhängig von der Höhe des Betrages, der hinterzogen wurde. Administrativ ein echtes Problem.

Der Staat baut die „Goldene Brücke“

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Der Steuerrechtsexperte weiter: „Deshalb hat sich nun folgendes Verfahren etabliert. Wenn Anhaltspunkte für nicht erklärte Einkünfte bestehen, schickt das Finanzamt einen Brief, in dem etwa nachgefragt wird, ob denn sämtliche in der Schweiz erzielten Einkünfte aus Kapitalvermögen erklärt worden sind und baut eine ‚Goldene Brücke‘. Faktisch ist das die Aufforderung zur Selbstanzeige. Der Brief suggeriert, die Tat sei noch nicht entdeckt, deshalb sei jetzt noch Zeit zu handeln, um eine steuerliche Selbstanzeige abzugeben. Das ist ein Gentlemen‘s Agreement. Das Finanzamt entgeht einem aufwendigen Verfahren, das Kräfte bindet, und der mutmaßliche Steuerhinterzieher bekommt die Chance, doch noch den ehrlichen Weg zu beschreiten. Wenig Aufwand, voller Erfolg für die Staatskasse, Straffreiheit für den vergesslichen Steuerbürger. Der Worst Case, das Steuerstrafverfahren, wird so umgangen. Allerdings ist höchst sorgfältig vorzugehen, denn tatsächlich hat der Steuersünder nur einen Schuss. Deshalb ist es so wichtig, alle Eventualitäten zu überprüfen. Sollten trotz Selbstanzeige und Nachzahlung der Steuerschuld plötzlich doch weitere nicht erklärte Einkünfte auftauchen, geht es voll zur Sache. Dann ist die Selbstanzeige unwirksam und auch die nacherklärten Einkünfte sind Gegenstand des Steuerstrafverfahrens.“

So sieht das praktisch aus: Der Steuersünder hat die ‚vergessenen‘ Zinserträge aus der Schweiz nachgemeldet und ist auf dem besten Weg, Straffreiheit zu erlangen. Nun erfährt das Finanzamt von einem Girokonto auf Mallorca, auf dem allerdings so gut wie keine Geldbewegungen stattfinden und kaum Guthaben vorhanden ist. Siebo Suhren: „So ein Konto braucht man nur, um in Spanien den Klempner zu bezahlen und die Grundsteuer zu entrichten. Taucht das Girokonto durch den AIA auf, ist das ein sicheres Indiz dafür, dass eine Ferienwohnung vorhanden ist und folglich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung vorhanden sein können. Das ist der Klassiker. Deshalb klopfe ich das in jedem Verfahren zunächst ab, denn hier droht nachträglich und irreparabel der Verlust der Wirksamkeit der Selbstanzeige.“ Ein Fall für den juristischen und steuerrechtlichen Profi, denn die Aufarbeitung von Einkünften aus Kapitalvermögen ist kompliziert und voller Fallstricke.

Deals mit der Steuerfahndung

Siebo Suhren hat sich auf diese Verfahren spezialisiert. Er sagt: „Bei Entdeckungsfällen ist es möglich, mit der Steuerfahndung einvernehmliche Lösungen zu finden.“. Und er erläutert die Folgen: „Ein schwerer Fall von Steuerhinterziehung liegt bei einem Volumen von über 50 000 Euro vor. Dann droht eine Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wird. Wurde mehr als eine Million Euro hinterzogen, braucht es gewichtige Gründe, um noch eine Bewährungsstrafe zu erreichen. Unter 50 000 Euro gelingt es häufig, das Strafverfahren gegen Zahlung einer Geldauflage zu erledigen – die Höhe ist abhängig vom Einkommen. Dass es doch mal zu einer Gefängnisstrafe kommt, ist laut Siebo Suhren die Ausnahme, aber durchaus möglich, wie der Fall Hoeneß zeigt. Andere Prominente, etwa wie der Springreiter und Pferdezüchter Paul Schockemöhle, der Ende der 90er-Jahre zehn Millionen Mark nachzahlen musste, oder der ehemalige Postvorstand Klaus Zumwinkel, der 2009 eine Million Euro zahlen durfte, erhielten Bewährungsstrafen, mussten aber nicht einsitzen. Hoeneß musste übrigens mehr als 40 Millionen Euro nachzahlen. wb

>> Web: https://www.dierkes-partner.de/

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