Der Traum von der vitalen Innenstadt

Udo Stein steht in seinem Büro vor einem Gemälde, das nicht nur Gebäude zeigt, sondern auch an seinen Vater erinnert, den Harburger Architekten Günther Stein. Foto: Wolfgang Becker

UDO STEIN Sein Thema ist die Stadtentwicklung – „Harburg könnte heute ganz anders dastehen…“

Mit fast 25 Jahren in Amt und Würden ist Udo Stein das dienstälteste Vorstandsmitglied im Wirtschaftsverein für den Hamburger Süden. Er ist nicht nur „Finanzminister“, sondern auch zuständig für ein Themengebiet, das es in sich hat: Stadtentwicklung. Natürlich geht es dabei um Harburg. Trotz vieler guten Ideen, ausformulierter Visionen und zahlloser Diskussionen ist das oberste Ziel aus seiner Sicht nicht erreicht: eine deutliche Attraktivitätssteigerung der Innenstadt. Statt endlich die erhofften Früchte zu ernten, blickt Udo Stein heute mit einer gewissen Ernüchterung auf die Entwicklung Harburgs. Und er stellt sich die Frage, ob Hamburg überhaupt ein Interesse daran hat, dass sich Harburg positiv entwickelt. Allerdings: Wo Schatten ist, ist auch Licht – nicht alles in Harburg ist in der Visionsphase steckengeblieben. Dazu zählt vor allem der Binnenhafen, der in den zurückliegenden drei Jahrzehnten eine herausragende Entwicklung gemacht hat. Die wesentliche Veränderung, die Udo Stein in seinen zweieinhalb Jahrzehnten als Vorstandsmitglied im Wirtschaftsverein registriert hat, betrifft die Menschen. Er sagt: „Die Bevölkerungsstruktur hat sich deutlich verändert.“ Die Stadt allerdings auch, wie Udo Stein aufzählt: „Alle großen Themen sind durch: Innenstadtring, TUHH-Ansiedlung, der Bau von Einkaufszentren und so weiter. Als ich im Verein anfing, bekam ich so gerade eben noch den Umbau des Stadtrings und der Fußgängertunnel mit.“ Zeitgleich habe es eine deutliche Erosion der Industrielandschaft gegeben.

„Wir haben vieles versucht“

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Und eben die besagte Veränderung der Bevölkerungsstruktur: „Die wiederum wirkt sich auf Themen wie Wohnen, Schule und Fachkräfte aus. Und natürlich auf das Image. Harburgs Image war nie besonders gut, aber es ist eben auch nicht besser geworden. Wir haben vieles versucht, aber heute müssen wir sagen: Das Ziel, eine gut funktionierende Innenstadt zu schaffen, haben wir nicht erreicht“, sagt Udo Stein. Um die immer wieder genannte angebliche Ursache dafür gleich auszuhebeln, fügt er hinzu: „Das Phoenix-Center nicht zu bauen, hätte daran nichts geändert.“

Dafür, dass es in Harburg auch positive Entwicklungen gibt, steht der Binnenhafen, der sich zu einem Quartier mit mehreren Tausend Arbeitsplätzen und vielen Wohnungen entwickelt hat. Doch Udo Stein schaut genau hin: „Die meisten Leute, die dort arbeiten, wohnen nicht in Harburg.“ Zudem ist der Binnenhafen flächenmäßig ziemlich ausgereizt. Stein: „Neue Grundstücke für die Ansiedlung von Gewerbe in Harburg? Fehlanzeige.“ Auf dem Gelände Neuland 23 (25 Hektar freie Gewerbefläche an der Autobahnauffahrt zur A1) hätte seiner Meinung nach durchaus auch eine bunte Mischung von Unternehmen unterkommen können, aber auch hier gilt: „Es ist nicht erkennbar, dass Hamburg daran ein Interesse hat.“ Stattdessen wurde die komplette Fläche damals an DHL vergeben, doch statt zu bauen, sagte das Unternehmen am Ende ab. Jetzt bahnt sich ein neuer Gesamt-Deal an.

Ein weiteres Thema für den Wirtschaftsverein ist der Straßenverkehr. Udo Stein: „Die Schaffung zuverlässiger Verkehrsverbindungen ist eines unserer Hauptanliegen. Der Süden ist sehr fragil an den Norden angebunden – nämlich durch zwei Nadelöhre: einen Tunnel und die Elbbrücken. Das ist sowohl für Pendler schlecht als auch den Wirtschaftsverkehr. Hier geben wir als Verein immer wieder Denkanstöße. Wir brauchen eine Verlängerung der U4 Richtung Süden. Wer von Harburg nach Altona fahren muss, weil er dort arbeitet, hat ein echtes Problem.“

Suche nach Alternativen

Wenn die Hamburger Verkehrsbehörde dann noch alles daransetze, die Autos aus der Stadt zu verbannen, Straßen in Fahrradwege umzuwidmen und Busse als natürliche Verkehrshindernisse einsetzt, dann müsse sich die Hansestadt nicht wundern, wenn die Menschen nach Alternativen suchten. Stein: „Ja, dann wohne ich doch lieber in Buchholz, Buxtehude oder Lüneburg? Da ist es auch gut!“

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Unter dem Strich vermisst Udo Stein visionäre Impulse aus dem Harburger Rathaus. Ihm ist zwar bewusst, dass die Bezirksversammlung de facto nichts anderes als ein Unterausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft ist, aber ein paar Fragen hätte er dann doch: „Warum muss ein künstlich geschaffener Baggersee in Neuland eigentlich unter Naturschutz stehen? Da ließe sich doch ein echtes Wassersportzentrum errichten. Warum darf die Stadtparkbühne aus Lärmschutzgründen nur vier Mal im Jahr bespielt werden? Warum ist es nicht möglich, in der Haake einen Kletterpark zu errichten? Ich meine: Harburg könnte längst ganz anders dastehen.“

Trotz der bislang mäßigen Veränderungen will Udo Stein die Hoffnung nicht aufgeben. Die größte Herausforderung bleibe es, eine vitale Innenstadt zu schaffen. Ein Weg dahin wäre aus seiner Sicht die Bildung eines Bündnisses für die Innenstadt. Ziel sei es, die Aufenthaltsqualität zu verbessern und zu agieren statt zu reagieren. Stein: „Jetzt ist das Thema Karstadt wieder auf dem Tisch. Wie schon einmal geht es um den Standort und die Frage, ob das Haus in Harburg geschlossen wird. Ich frage: Wo ist der Plan der Stadt? Was hat sie vor, wenn das passiert?“ Udo Stein, selbst als Projektentwickler und Betreiber des Architekturbüro „Stein Plan und Werk“ seit vielen Jahren im Immobilienbereich aktiv, sagt angesichts der vielen „offenen Baustellen“ in der Harburger Stadtentwicklung: „Da sind alle gefordert. Deshalb arbeiten wir als Verein eng und konstruktiv mit dem Bezirksamt zusammen.“