Von Bürokratieabbau und „Nullsteuer“: Die Photovoltaikanlage im Steuerrecht.

Rechtsanwalt Titus Wolf ist Partner der Wirtschaftskanzlei VON ALLWÖRDEN Rechtsanwälte in Hamburg und Stade und verantwortet den Bereich Steuerrecht. Foto: B&P

Von Titus Wolf.

Photovoltaikanlagen erfreuen sich von der kleinen Anlage auf dem Einfamilienhaus bis hin zu großen so genannten Solarparks steigender Beliebtheit. Nach Angaben des statistischen Bundesamtes waren im März 2022 auf Dächern und Grundstücken gut 2,2 Millionen Photovoltaikanlagen installiert, während es zu Beginn der Aufzeichnungen 2018 lediglich 1,7 Millionen Anlagen waren. Der wohl größte zusammenhängende Solarpark mit einer Nennleistung von 187 Megawatt wird gegenwärtig von EnBW in Brandenburg betrieben. Auch dieser Rekord dürfte nur von kurzer Dauer sein, da auf dem Gelände des ehemaligen Braunkohletagebaus in Witznitz bei Leipzig gegenwärtig der „Energiepark Witznitz“ mit einer Leistung von bis zu 650 Megawatt entsteht.

In einer derartig wachsenden Branche ist natürlich auch der Fiskus nicht weit, um die Steuerpflichtigen mit besonderen indirekten Verbrauchsteuern, wie der Stromsteuer, aber auch den üblichen dem Unternehmer geläufigen Steuern, wie Einkommen- beziehungsweise Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer und Umsatzsteuer zu beglücken. Der damit verbundene bürokratische Aufwand war und ist insbesondere für Privatpersonen mit kleinen Dachanlagen eine Herausforderung. Mit Inbetriebnahme der Anlage war man fortan Unternehmer und neben der eigenen Einkommensteuererklärung waren auch regelmäßig Umsatzsteuererklärungen und Gewerbesteuererklärungen einzureichen.

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Alles nur „Liebhaberei“ . . .

Während die Einspeisevergütung nach dem EEG Anfang 2013 noch 20 Cent pro Kilowattstunde betrug, sank sie bis Mitte 2022 auf gut 8 Cent pro Kilowattstunde ab, sodass die Einspeisung aus der eigenen Photovoltaikanlage zunehmend unwirtschaftlich geworden war. Dies hatte das Bundesministerium der Finanzen Mitte 2021 bewogen, eine so genannte Vereinfachungsregelung zu beschließen, nach der Betreiber von kleinen Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von unter zehn Kilowattstunden die Feststellung beantragen konnten, dass ihre Anlage eine „Liebhaberei“ sei, die ohne Gewinnerzielungsabsicht betrieben werde.

Mit dem Jahressteuergesetz 2023 wollte der Gesetzgeber, teilweise mit Rückwirkung zum 1. Januar 2022, weiterreichende Entlastungen und Anreize für die Installation von kleinen Photovoltaikanlagen schaffen. Seitdem sind Einnahmen aus Anlagen, die auf Gebäuden installiert sind unter bestimmten Voraussetzungen einkommensteuerfrei. Ungeklärt hat der Gesetzgeber allerdings gelassen, wie mit den teilweise dramatischen Folgen des damit zusammenhängenden Endes des Gewerbebetriebes umzugehen ist, insbesondere wenn die Gewerblichkeit erst durch die so genannte Gewerbliche Infektion einer Vermietungsgesellschaft durch die gewerblichen Einkünfte einer Photovoltaikanlage entstanden war. Auch an die damit wohl nicht mehr einschlägige Verschonung von Betriebsvermögen im Rahmen der Erbschaft- und Schenkungssteuer hat der Gesetzgeber offenbar nicht gedacht.

Eine neue Erfindung

Hinsichtlich der Umsatzbesteuerung ist im Jahressteuergesetz 2023 die „Nullsteuer“ erfunden worden. Damit ermäßigt sich die Umsatzsteuer für die Lieferung von Solarmodulen an den Betreiber einer Photovoltaikanlage auf null Prozent, einschließlich der für den Betrieb einer Photovoltaikanlage wesentlichen Komponenten und der Speicher. Bei dem bisher unbekannten Konzept der Nullsteuer handelt es sich also nicht um eine Steuerbefreiung, weshalb auch der Vorsteuerabzug aus Rechnungen mit ausgewiesener Umsatzsteuer durch den Lieferanten weiterhin möglich ist. Der teilweise entfallene bürokratische Aufwand dürfte sich daher insbesondere zum Ende des Jahres 2022 auf die installierenden Betriebe verlagert haben, da viele Bauherren auf eine Abnahme in 2023 bestanden haben werden, um von der „Nullsteuer“ zu profitieren. Bleibt zu hoffen, dass die Steuerersparnis auch an die Bauherren weitergegeben wurde.

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Die vielen offenen Fragen rund um die Ertrags- und Umsatzbesteuerung haben die Bundessteuerberaterkammer bereits im Januar 2023 bewogen, einen neun Seiten umfassenden Fragenkatalog an das Bundesministerium der Finanzen zu versenden. Die Auslegung der Neuerungen ist bis heute nur sehr sporadisch durch Verwaltungsanweisungen in Form von BMF-Schreiben geklärt, was freilich nicht heißt, dass auch Finanzgerichte der Auffassung der Steuerbehörden folgen.

Insbesondere dann, wenn der Gesetzgeber mit „Lenkungsnormen“, also steuerlichen Vorgaben, die nicht lediglich den Zweck haben, fiskalische Einnahmen zu erzielen, versucht das Verhalten der Steuerpflichtigen in eine gewisse Richtung zu lenken. Es zeigt sich häufig: Gut gemeint, ist nicht gleich auch gut gemacht.

Speziell die insgesamt absolut begrüßenswerten Erleichterungen bei der Besteuerung von Photovoltaikanlagen zeigen, dass der bürokratische Aufwand teilweise lediglich verlagert wird und insbesondere kleinteilige Anpassungen im ohnehin wohl komplexesten Steuersystem der Welt zu kaum überschaubaren Friktionen führen kann.

>> Fragen an den Autor? twolf@va-ra.com