Kiekeberg-Museum bekommt eine „Ley-Bude“

Foto_FLMKSo sieht sie aus: Die „Ley-Bude“ in Lindhorst (Seevetal) wurde über die Jahrzehnte hinweg gut gepflegt und ist fast noch im Originalzustand – ein musealer Glücksfall. || Foto_FLMK

Haspa fördert aus dem Lotteriesparerlös den Ab- und Wiederaufbau eines historischen Behelfsheimes.

Das Freilichtmuseum am Kiekeberg bekommt ein heute seltenes, intaktes Behelfsheim aus dem Zweiten Weltkrieg, eine sogenannte „Ley-Bude“. In ihnen wurden von August 1943 bis Frühjahr 1945 insbesondere Evakuierte und Ausgebombte aus deutschen Städten untergebracht. Ihren abschätzigen Rufnamen erhielt die „Ley-Bude“ nach Robert Ley, der als Reichswohnungskommissar und hoher NS-Funktionär unter anderem für die Wohnraumbewirtschaftung im Krieg zuständig war und seinem Schicksal im Zuge der Nürnberger Prozesse durch Selbstmord zuvorkam. Noch steht die „Ley-Bude“ in einem Wald bei Lindhorst (Seevetal). Sie ist vielleicht das letzte original erhaltene Exemplar ihrer Art. Im kommenden Jahr wird sie an den Kiekeberg geholt und originalgetreu wiederaufgebaut, restauriert und eingerichtet. Ihren Platz findet die „Ley-Bude“ neben der Nissenhütte, einer Wellblechhütte, die von den Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg vielfach als Behelfsheim aufgebaut wurde. Den Abbau am alten Standort und Wiederaufbau der „Ley-Bude“ fördert die Hamburger Sparkasse mit 10 000 Euro aus dem Lotteriesparen, die von den Regionaldirektoren Süd, Arent Bolte und Marcel Sluppke, bei einem Vor-Ort-Termin an die Museumsleitung übergeben wurde.

Zeitzeugnis steht (noch) in Lindhorst

Vier mal fünf Meter, zwei Räume mit schlichten Holzwände, keine Toilette – so stellte sich der Nazi Ley die „provisorische“ Unterbringung der Ausgebombten vor, deren Zahl ab 1943 als Folge der alliierten Bombenangriffe dramatisch zunahm. Dr. Stefan Zimmermann, Direktor des Kiekeberg-Museums: „Aus alten Unterlagen wissen wir, dass 1000 Ley-Buden in den Landkreis Harburg geliefert werden sollten. Ob die hier jemals ankamen, ist aber nicht nachgewiesen. Nach dem Krieg wurden die aufgestellten Hütten dann vielfach weitergenutzt – als Wochenendhaus oder Geräteschuppen. Die Ley-Bude ist deshalb für uns so ausgesprochen interessant. Sie passt ideal in die Chronologie unserer Gebäude, die das Wohnen in der jüngeren Geschichte dar stellen. Allerdings sind diese Buden heute so gut wie nicht mehr zu finden. Deshalb ist es geradezu ein Glücksfall, dass wir in Lindhorst fündig geworden sind.“

Anzeige

In Lindhorst war gegen Kriegsende eine Hamburger Apothekerfamilie einquartiert worden, die die Hütte später als Wochenendhaus nutzte. Der Folgebesitzer baute sich später ein neues Wochenendhaus, pflegte die Ley-Hütte aber so gut, dass sie heute noch intakt ist – „und im Originalzustand“, wie Zimmermann betont. Das sei eine echte Ausnahme. Im kommenden Jahr soll die Ley-Bude dank der Haspa-Unterstützung „ganzheitlich transloziert“ (umgesetzt) werden – so, wie auch ein Teil der Objekte in der Königsberger Straße, darunter eine alte Tankstelle aus Stade und ein Quelle-Fertighaus aus Winsen. Landrat Rainer Rempe nutzte die Überreichung der Förderzusage dazu, an die dramatischen Jahre 1939 bis 1949 zu erinnern: „Die Bevölkerung im Landkreis Harburg wuchs damals von 62 000 auf
124 000 Menschen an – binnen zehn Jahren. Viele kamen aus Hamburg. Sie hatten ihre Wohnungen verloren und nichts zu essen. Dann kamen die Vertriebenen aus dem Osten hinzu. Die Hilfesuchenden wurden einfach einquartiert – da wurde nicht lange gefragt. Natürlich führte das zu Reibungspunkten, aber diese Menschen haben ganz maßgeblichen Anteil am Aufbau, am Wohlstand und am Erfolg der Entwicklung im Landkreis Harburg.“

Heiner Schönecke, Vorsitzender des Kiekeberg-Fördervereins, erinnerte an den Begründer des Freilichtmuseums, Willi Wegewitz. Der war eigentlich Chef des Helms-Museums (heute: Archäologisches Museum Hamburg – Stadtmuseum Harburg), hatte aber mit dem Kiekeberg eine Außenstelle gegründet und damit quasi den Weg für eine Hamburger Enklave auf niedersächsischem Boden geebnet. Schönecke: „Hamburg hatte ja einen Anteil an der Gründung des Kiekeberg-Museums – der Landkreis und die Hansestadt haben hier eine gemeinsame Geschichte.“ Der Förderverein ist als Finanzierungspartner im Boot, falls sich die Translozierung der „Ley-Bude“ unter Kostengesichtspunkten als aufwendiger erweisen sollte als gedacht.

Weitere hohe Zuwendung im Kreisgebiet

Die Direktoren der Hamburger Sparkasse, Arent Bolte und Marcel Sluppke, erklären, warum sie diesen Bereich der Hamburger Geschichte im Nachbarland Niedersachsen fördern. „Zum einen ist es wichtig, auch einen schwierigen Aspekt der Hamburger Geschichte zu vermitteln.“ Mit Blick auf die Bildungsarbeit und die historischen Gebäude am Kiekeberg fügen sie hinzu: „Es ist eine tolle Arbeit, die hier geleistet wird. Wir freuen uns auf eine nachhaltige Vermittlung – das Team erhält die Tradition und wirft den Blick in die Zukunft. Wir möchten die Menschen an den Kiekeberg mitnehmen.“

Arent Bolte betonte weiter, dass es mehr denn je wichtig sei, dass Hamburger Institutionen und ihre Nachbarn enger zusammenarbeiten. „Wir müssen Hamburg groß betrachten, als Metropole – das tun auch ausländische Investoren, wenn sie zu uns kommen. Da wir wissen, was für eine tolle Arbeit hier auf dem Kiekeberg geleistet wird, haben wir uns entschieden, einen so hohen Betrag an das Museum zu geben. Eine weitere Zuwendung in dieser Höhe wird ebenfalls in den Landkreis Harburg gehen – an den Artenschutz Wildpark Lüneburger Heide e.V. Damit werden neue Umweltbildungsstationen auf dem Gelände gefördert, die unter anderem über Wildbienen informieren.“ wb

Anzeige

>> Web: www.haspa.de;
www.foerderverein-kiekeberg.de; www.kiekeberg-museum.de