Unabhängig dank Wasserstoff?

Sollten die Pläne der Gemeinde Schiffdorf Realität werden, könnte es neben dem zukünftigen Neubaugebiet in Sellstedt später einmal so aussehen. Mehrere Dutzend Gebäude könnten durch Solarzellen und Wasserstoff nahezu autark mit Energie versorgt werden. Foto: Brandt/dpa

Gemeinde Schiffdorf plant „Leuchtturmprojekt“ in Sellstedter Neubaugebiet – „Energiewende auf lokaler Ebene“.

von Mark Schröder

Ein Neubaugebiet in Sellstedt könnte bald in ganz Deutschland auf großes Interesse stoßen. Nicht wegen der dort geplanten 64 Wohneinheiten plus Kindertagesstätte, sondern wegen deren Energieversorgung. Mit Hilfe von Wasserstoff soll der Strom aus einer riesigen Solaranlage die Gebäude auch dann versorgen, wenn die Sonne kaum noch scheint.

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Die Gemeinde Schiffdorf spricht von einem „Leuchtturmprojekt“ und „Vorzeigebeitrag zur Umsetzung der Energiewende auf lokaler Ebene“. Dahinter verbirgt sich der Plan, auf einer Fläche von 5.000 Quadratmetern – fast so groß wie ein Fußballfeld – eine Photovoltaik-Freiflächenanlage im Süden des Sellstedter Baugebiets an der Geestensether Straße zu installieren, wie Bauamtsleiter Stefan Grün während der jüngsten Ratssitzung erläuterte.

Mit der Photovoltaik-Anlage, die entlang der Bahnlinie entstehen soll, könnte laut Gemeinde eine 90- bis 95-prozentige energieautarke Versorgung der Gebäude erreicht werden. Der von den Solarzellen im Sommer überschüssig produzierte Strom würde demnach in Wasserstoff umgewandelt werden, der bis zu einem halben Jahr gespeichert und im Winter rückverstromt werden könne, so Grün, der Ideengeber und treibende Kraft hinter den Plänen ist.

Auch Wärme, die durch den Umwandlungsprozess im sogenannten Elektrolyseur entsteht, ließe sich Grün zufolge wohl fürs Heizen der Gebäude verwenden. „Dass ein ganzes Baugebiet für die Nutzung der Wasserstoff-Technologie geeignet sein könnte und man so die Versorgung mit Strom und Wärme herstellt, gibt es meines Wissens nach bislang noch nicht“, sagte der Bauamtsleiter.

Einer der Vorteile des Projekts sei es, „dass wir langfristig Energiepreise bekommen, die kalkulierbar sind“, sagte Grün im Rat. Gemeindebürgermeister Henrik Wärner ergänzte: „Das wäre die beste Antwort auf die energiepolitischen Fragen, die wir uns jeden Tag stellen.“ CDU-Fraktionschef Denis Ugurcu bezeichnete die Pläne als möglichen „Baustein dafür, dass Schiffdorf nicht nur familienfreundlich, sondern auch klimafreundlich ist“.

Da es sich um ein „bundesweites Pilotprojekt“ handele, muss der Ausführung laut Verwaltung jedoch eine „technische und wirtschaftliche Machbarkeitsstudie“ vorausgehen. Diese soll nach dem Willen der Gemeinde direkt vom Projektentwickler in Auftrag gegeben werden, da eine zeit- und personalintensive Ausschreibung, die die Gemeinde bewerkstelligen müsste, in diesem Fall wegfalle. „Nach Gesprächen mit dem Investor gehe ich davon aus, dass er diesen Weg gehen wird“, sagte Grün.

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Ganz alleine sollen die Projektentwickler, der Bremerhavener Rechtsanwalt und Notar Dr. Walter Schmel sowie ein Sellstedter Landwirt, allerdings nicht in Vorleistung gehen. Die Gemeinde wird sich bis zur Hälfte an den Kosten der Machbarkeitsstudie beteiligen, um das Projekt zügig voranzutreiben. Die dafür notwendigen außerplanmäßigen Haushaltsmittel bis zu einer Summe von 22.000 Euro bewilligten die Schiffdorfer Ratsmitglieder einstimmig.

Die Machbarkeitsstudie solle nun „so schnell wie möglich in Auftrag gegeben werden“, sagte Stefan Grün. Bis die Ergebnisse da sind, werde es aber sicherlich zwei bis vier Monate dauern. „Danach müssen sie auch noch politisch beraten werden“, so Grün. Eine Umsetzung der Wasserstoff-Pläne sei daher wohl frühestens nach der Sommerpause 2023 möglich, parallel zur Realisierung des Baugebietes.