Harter Kampf um Urlaubsflüge

Lufthansa setzt den Airbus A330-300 ein, um die gestrichenen Air-Berlin-Flüge von Berlin nach New York zu ersetzen. Auf Dauer soll jedoch die Billigflug-Tochter Eurowings diese Flüge übernehmen. Foto: Günter Wicker / Flughafen Berlin BrandenburgLufthansa setzt den Airbus A330-300 ein, um die gestrichenen Air-Berlin-Flüge von Berlin nach New York zu ersetzen. Auf Dauer soll jedoch die Billigflug-Tochter Eurowings diese Flüge übernehmen. Foto: Günter Wicker / Flughafen Berlin Brandenburg

ANALYSE Nach der Insolvenz von Air Berlin tobt der Wettbewerb um Passagiere in Richtung Mittelmeer – Die Lufthansa-Gruppe profitiert am stärksten

Von Georg Jegminat

Spannend wie ein Wirtschaftskrimi mit immer neuen Wendungen, mit politischem Gezerre in Berlin und Brüssel, mit Gerichtsurteilen in Berlin und Wien: Die Pleite von Air Berlin war ein öffentlich aufgeführtes Drama. Die Folge ist eine tiefgreifende Veränderung im deutschen Luftverkehr, die im Sommer 2018 in einen heftigen Wettbewerb um Marktanteile münden wird.

Air Berlin war wirtschaftlich ausgezehrt und besaß keine relevanten Vermögenswerte mehr. Alle Flugzeuge waren verkauft und teuer zurückgemietet worden, um Liquiditätsengpässe zu überbrücken. Als Etihad Airways aus Abu Dhabi, mit 30 Prozent größter Aktionär, die Verluste nicht mehr decken wollte, war die Berliner Airline-Gruppe insolvent. Doch Air Berlin und ihre Tochterfluggesellschaften Niki und LG Walter hatten seit 2010 jährlich mehr als 30 Millionen Fluggäste befördert. 2011 bestand die Flotte aus 170 Flugzeugen, die Passagierzahl erreichte mit 35,3 Millionen ihren Höchstwert. Zuletzt waren es noch 144 Flugzeuge und 29 Millionen Fluggäste. Von diesem Nachfragepotenzial wollen unterschiedliche Airlines einen möglichst großen Anteil ergattern.

Im Inlandsverkehr droht ein Monopol

Platzhirsch Lufthansa will ihre Low-Cost-Tochter Eurowings schnell auf mehr als 200 Flugzeuge vergrößern und andere Billigflieger in den deutschsprachigen Märkten in Schach halten. Die irische Ryanair hat verkündet, dass sie ihren Marktanteil hierzulande von vier auf 20 Prozent ausbauen will. Doch wegen Problemen mit ihren Piloten war Ryanair im Moment der Air-Berlin-Pleite nicht handlungsfähig. Aber auch Easyjet und die spanische Vueling wollen sich in Deutschland bedienen. Außerdem stiegen mehrere Ferienfluggesellschaften in den Wettlauf um die Air-Berlin-Passagiere ein. Die Veränderungen konzentrieren sich auf drei Felder. Das Aus von Air Berlin hat bei den Flugverbindungen die marktbeherrschende Stellung der Lufthansa-Gruppe noch verstärkt. Denn Air Berlin flog auf elf Routen und kam auf einen Marktanteil von 22 Prozent (Juli 2017). Im Jahr 2017 zählte der Flughafenverband ADV 47,4 Millionen Passagiere (Einzelstreckenzählung). Hauptstrecken von Air Berlin waren Berlin-München und Düsseldorf-München (je 1,2 Millionen Passagiere) sowie Berlin-Köln und Berlin-Düsseldorf (jeweils knapp eine Million). Hamburg-München war mit 780 000 Passagieren die Nummer sechs der Inlandsstrecken von Air Berlin. Wie heikel die Situation für Lufthansa ohne die Nummer zwei im Markt, Air Berlin, wurde, zeigt, dass das Bundeskartellamt in Bonn eine Untersuchung der Ticketpreise startete. Denn die gestiegene Nachfrage führte zu höheren Preisen bei Lufthansa. Die Untersuchung dauert an.

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Aus zwei Gründen erlaubte die EU-Wettbewerbskommission der Lufthansa dennoch, die Regionalfluggesellschaft LG Walter zu übernehmen. Erstens werden die Reisemöglichkeiten am Boden, also mit der Bahn, dem Pkw und den Fernbussen, als Alternativen einbezogen. Zweiten übernimmt Easyjet Betriebsteile von Air Berlin in der Größenordnung von 25 Flugzeugen und expandiert auf dem Flughafen Berlin-Tegel. Tegel war neben Düsseldorf ein Verkehrsdrehkreuz von Air Berlin. Damit wird der britische Billigflieger zum Marktführer in der Bundeshauptstadt, denn er hatte bereits zuvor jährlich drei Millionen Fluggäste von und nach Berlin-Schönefeld befördert. Easyjet fliegt nun ab Tegel zu verschiedenen europäischen Metropolen, zu Urlaubszielen am Mittelmeer und innerdeutsch nach Düsseldorf, Frankfurt, München und Stuttgart. Lufthansa und Eurowings werden also im Inlandsflugverkehr gestärkt aus der Air-Berlin-Pleite hervorgehen.

Eurowings greift sich die Langstrecke

Air Berlin hatte ab Berlin, vor allem aber ab Düsseldorf auch Fernflüge angeboten. Vor allem die USA, Mexiko und die Karibik standen im Flugplan. Allein ab Düsseldorf starteten im Sommer 2017 wöchentlich 57 Mal Airbus A330 in Richtung USA. Aus Sicht der Wettbewerbshüter ist der Ausfall von Air Berlin unkritisch. Denn eine ganze Reihe europäischer und US-amerikanischer Fluggesellschaften bieten über ihre Drehkreuze Verbindungen zu diesen Zielen an. Insbesondere Urlaubsreisende, die im mexikanischen Concun, auf Kuba oder in der Dominikanischen Republik Ferien machen wollen, bevorzugen Nonstop-Flüge. Deshalb flammte ein kurzes Scharmützel zwischen Eurowings und der Ferienfluggesellschaft Condor auf. Condor bietet ab Frankfurt so viele Nonstop-Flüge in die Karibik an wie keine andere europäische Airline. Condor sprang im Dezember für einige Air-Berlin-Flüge ein, zog sich aber wieder aus Düsseldorf zurück, weil Lufthansa und Eurowings massiv einstiegen.

Bisher hatte Eurowings sieben Airbus A330 ab Köln zu Langstreckenzielen starten lassen. Diese Flotte wird komplett nach Düsseldorf verlagert, denn im Einzugsgebiet dieses Flughafens leben deutlich mehr potenzielle Passagiere. Außerdem stationiert Eurowings in Düsseldorf 40 Kurz- und Mittelstreckenjets der A320-Familie für den Europa-Verkehr. Diese werden zusätzlich Passagiere, die auf der Fernstrecke unterwegs sind, bringen beziehungsweise abholen. Die Lufthansa-Gruppe hat sich damit neben ihren großen Drehscheiben Frankfurt und München mit Düsseldorf den dritten deutschen Airport mit relevanten Fernverkehrsaufkommen gesichert.

Der Wettbewerb wird intensiver

Die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestaager hat di e Lufthansa-Pläne zerschlagen, sich das europäische Ferienfluggeschäft von Air Berlin einzuverleiben. Dieses Marktsegment ist nicht zu unterschätzen, denn viele Millionen Bundesbürger verbringen jedes Jahr ihren Urlaub in den Ländern am Mittelmeer. Es gibt einen intensiven Wettbewerb zwischen den Fluggesellschaften.

Marktführer aus Deutschland war über Jahrzehnte Air Berlin. Seit Oktober 2016 hat ihre Tochter-Airline Niki dieses Geschäft übernommen. Beispiel Mallorca: Mehr als vier Millionen Bundesbürger flogen 2017 dorthin und wird zurück Richtung Heimat. Niki-Jets starteten und landeten allein im Juli 2017 1340 Mal auf der Urlaubsinsel. Niki war damit Marktführer auf dem Flughafen Palma, noch vor den spanischen Fluggesellschaften und Ryanair.

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Der Ferienflug aus Deutschland zu den Urlaubsregionen rund um das Mittelmeer ist für die Airlines ein attraktives Geschäft. Nach der Air-Berlin-Pleite und dem Niki-Aus haben verschiedene Airlines Slots beantragt, Flugzeuge angemietet und sich auf die Routen gestützt. So hat die Condor angekündigt, im Sommer 2018 fast 30 Prozent mehr Sitze anzubieten als im Sommer zuvor. Die Berliner Fluggesellschaft Germania vergrößert ihre Flotte von 25 auf 28 Jets. Auch kleinere Airlines wie Small Planet Deutschland vergrößern ihr Angebot. Ryanair, Easyjet und Eurowings stocken ihr Angebot ebenfalls auf.

Und: Auch 15 ehemalige Niki-Flugzeuge sollen wieder fliegen. Sie sind nach juristischen Winkelzügen wieder beim Gründer und Ex-Rennfahrer Niki Lauda gelandet. Allerdings wird er sie nicht selbst in den Markt bringen, sondern mit Crews an Condor und Eurowings vermieten. Im Geschäftsfeld Ferienflug kündigt sich damit ein intensivierter Wettbewerb an. Voraussichtlich werden in der kommenden Sommersaison sogar mehr Flüge angeboten als 2017. Verstaager hat also im Ferienflug ihr Ziel erreicht. Lufthansa-Chef Carsten Spohr konnte zwar nicht 80 der zuletzt 144 Air-Berlin-Flugzeuge übernehmen, dennoch hat er zwei Ziele erreicht: Eurowings konnte die Marktposition deutlich ausbauen und damit die rasche Expansion der preisaggressiven Ryanair in Grenzen halten.

Der Autor: Georg Jegminat ist Chefreporter der fvw, des Fachmagazins für die Reisewirtschaft (Sitz Hamburg). Er beschäftigt sich seit 25 Jahren mit den Entwicklungen des internationalen Luftverkehrs.