Eine Zeit voller Herausforderungen

Foto: Wolfgang BeckerFranco Barletta (rechts) und Klaus-Günther Mohrmann stehen in der nagelneuen Verkaufshalle von Sternpartner in Lüneburg. Die Unternehmenszentrale ist offiziell allerdings am Großmoorbogen in Harburg. || Foto: Wolfgang Becker

Franco Barletta und Klaus-Günther Mohrmann über die Sternpartner-Tesmer-Fusion in Zeiten von Corona.

Vor gut einem Jahr stellten sich Klaus-Günther Mohrmann, Geschäftsführer bei Mercedes Tesmer, und Franco Barletta, Geschäftsführer bei Sternpartner, in Winsen den Fragen von B&P. Thema: die Fusion der beiden benachbarten Unternehmen. Jetzt ist der Tag des Abschieds gekommen: Nach 33 Jahren verlässt Mohrmann zum Jahresende die „Brücke“ und übergibt die Verantwortung endgültig an seinen Nachfolger. Der Generationswechsel ist vollzogen. Im Interview mit B&P-Redakteur Wolfgang Becker blicken beide auf ein Jahr voller Herausforderungen zurück und präsentieren randvolle Auftragsbücher.

Die Zeit der endgültigen Übergabe des Staffelstabs ist gekommen. Damit geht die Ära Mohrmann bei Tesmer zu Ende – eine überaus erfolgreiche Unternehmensgeschichte. Wie geht es Ihnen damit?

Anzeige

Mohrmann: Ich bin im Grunde ja schon raus. Wir haben sehr schnell einen gemeinsamen Modus gefunden. Es gibt nichts mehr, was irgendwie separat laufen würde. Die Fusion ist sehr gut geglückt. Aber das war ja auch der Plan.

Der Übergang verlief in der Außenwahrnehmung absolut geräuschlos. Herr Barletta, wie ist das für Sie – sind Sie gefühlt schon im neuen Teil des Sternpartner-Tesmer-Gebietes angekommen?

Barletta: Ja! Wir haben uns von Anfang an sehr gut verstanden – die Fusion hätte besser nicht initiiert werden können. Sie wäre perfekt verlaufen, wenn wir keine Pandemie gehabt hätten. Die große Herausforderung bestand darin, dass es für uns nach dem 1. Januar gar nicht mehr möglich war, die Mitarbeiter zusammenzubringen. Normalerweise hätte man sich persönlich getroffen und kennengelernt, und nun war dies plötzlich nur noch über Videokonferenzen möglich. Da sollen Menschen zu Kollegen werden, die sich bislang überhaupt nicht kannten. Und wenn man sich mal begegnete, dann mit Maske. Das macht’s schwierig. Zwei Unternehmen wachsen ja nicht durch die Produkte zusammen – Sie müssen die Menschen zusammenbringen. Und die Kulturen. Wir mussten ja einen gemeinsamen Weg finden.

Ist der mittlerweile gefunden?

Mohrmann: Den haben wir gar nicht gesucht, der hat sich ergeben. Ich bin ja schon vorher wie ein Wanderprediger durch die Betriebe gereist und habe meinen Mitarbeitern gesagt: Der Franco Barletta sieht nicht nur besser aus als ich, der ist auch anders. Das wäre ja auch ein Witz, wenn da ein geklonter Nachfolger käme. Und: Es wird ja nicht nur anders, weil da ein neuer Chef kommt. Die Zeiten sind auch anders. Ganz nebenbei: Ich bin im 73. Lebensjahr, da wird es schon schwieriger, die Dinge in der Geschwindigkeit umzusetzen, die nötig ist, um so einen Betrieb zu führen. Franco Barletta hat eine wesentlich bessere Ausbildung als ich – ich bin weder Mechatroniker noch Kaufmann, sondern von Haus aus Lehrer.

Anzeige

Barletta: Die Mitarbeiter haben gespürt, dass zwischen uns kein Blatt Papier passt. Die wussten, dass es eine Lösung geben muss.

Die Zeiten sind anders. Was hat sich in diesem Jahr verändert? Ich denke, auch Daimler leidet wie alle anderen unter der Chip-Krise, oder?

Barletta: Davon sind wir stark betroffen. Wir haben in der Lkw-Sparte einen herausragenden Auftragseingang, aber eine schwache Auslieferung – in der Folge also einen unglaublichen Auftragsbestand. Wir sind im Grunde genommen nächstes Jahr schon ausverkauft.

Gibt es dafür eine nachvollziehbare Erklärung?

Barletta: Das hängt mit den Produkten von Mercedes Benz zusammen. Durch Actros 5 ist es dem Hersteller gelungen, die Qualität und die Einsatzbedingungen in der Lkw-Sparte deutlich zu optimieren. Außerdem haben die Wettbewerber aufgehört, ihre Fahrzeuge zu Dumpingpreisen zu verkaufen. Und wir haben zusätzliche Verkäufer eingestellt – das zahlt sich aus. Allerdings zurzeit noch nicht im Ergebnis, sondern im Auftragseingang. Das Ergebnis kommt also im nächsten Jahr. Im Transporter- und im Pkw-Geschäft verhält es sich genauso.

Wird es 2022 gelingen, den Stau abzubauen?

Barletta: Es wird sich verbessern, aber nicht auf das Normalmaß zurückkommen. Wir müssen davon ausgehen, dass künftig von allen Herstellern eher ein Auto weniger gebaut wird als der Markt nachfragt. Sie haben jetzt alle erkannt, dass sich die Preise besser durchsetzen lassen, als in Zeiten der Überproduktion, die wir hatten. Das heißt: Die Fahrzeugpreise werden steigen, zumindest aber nicht mehr auf ein Niveau sinken, wie wir es vor der Krise kannten. Die Situation führt zudem zu einer besseren Auslastung in unseren Werkstätten, denn die Autos werden jetzt länger gefahren – also werden mehr Wartungen und die eine oder andere Verschleißreparatur durchgeführt.

Da ergeben sich sehr interessante kausale Zusammenhänge. Wir kommen aus dem Überfluss in eine Mangelsituation, die sich im Handel positiv bemerkbar macht – klingt fast paradox, ist aber logisch . . .

Barletta: In den Werkstätten haben wir eine gute Auslastung – und zwar in allen drei Sparten. Deshalb blicken wir verhalten optimistisch in die Zukunft.

Sie haben durch die Fusion mit Tesmer ein großes Gebiet hinzubekommen – haben sie sich schon alles anschauen können?

Barletta: Wir sind gestartet in einer pandemischen Lage, mit Kontaktbeschränkungen, Homeoffice, zeitweise geschlossenen Verkaufsflächen. Wir haben in den ersten zwei Monaten 30 Prozent Umsatzeinbruch und damit einen siebenstelligen Verlust gehabt. Bis Mai durften wir keine Probefahrten machen. Erst ab Mai war es dann das erste Mal möglich, zumindest an den einzelnen Standorten Betriebsversammlungen zu machen und die Mitarbeiter über den Verlauf der Fusion zu informieren. Klar, da sind manche Dinge auch nicht so gut gelaufen – das gehört auch zur Wahrheit dazu. Führen Sie mal zwei Buchhaltungssysteme im laufenden Betrieb zusammen. Trotzdem können wir heute sagen, dass wir die Herausforderungen gut gemeistert und ein wirtschaftliches Ergebnis erreicht haben, das deutlich über dem Jahr 2019 liegt – dem letzten normalen Jahr. So konnten wir unseren Mitarbeitern auch eine Corona-Prämie bezahlen.

Mohrmann: Die Mitarbeiter waren am Anfang schon skeptisch, aber mittlerweile haben sie gemerkt, dass Dinge, die auf Betriebsversammlungen angekündigt werden, auch tatsächlich umgesetzt werden. Wenn es beispielsweise darum geht, für optimale Arbeitsbedingungen zu sorgen, dann wird das auch gemacht. Schließlich sind es doch unsere Mitarbeiter, die am Ende das Geld für den Betrieb verdienen.