Testfall Winsen

Bahntochter ioki erprobt Einsatz von flexiblen On-Demand-Shuttles für den ländlichen Raum

Der für 2021 in Hamburg geplante Kongress für intelligente Verkehrssysteme und Services (ITS) wirft seine Schatten voraus: Ab Dezember 2020 kommt der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) in drei weiteren Landkreisen im Großraum Hamburg fast bis an die Haustür. Im Rahmen von Teilprojekten des „Reallabor Hamburg“ führt die Deutsche Bahn-Tochter ioki für die drei Testregionen Ahrensburg, Stormarn und die Süderelbe-Region zunächst Mobilitätsanalysen durch. Die jüngste Untersuchung von Pendlerströmen und Mobilitätsverhalten in der Süderelbe-Region zeigt: Das größte Potenzial für ein flexibles Angebot nach Bedarf – also ohne feste Fahrpläne und Haltestellen – hat dort die Stadt Winsen im Landkreis Harburg. Im zweiten Schritt entwickelt ioki die Plattform für den Betrieb der On-Demand-Shuttles, der sowohl in Ahrensburg und Stormarn als auch in Winsen noch in diesem Jahr startet.

„Unsere Analysen geben Antworten auf die drängenden Zukunftsfragen in der Mobilität. Wie können wir den ÖPNV noch attraktiver machen und so den Klimaschutz voranbringen? Mit Mobilitätsanalysen können wir schon vorab berechnen, wo On-Demand-Angebote den größten Nutzen bringen. In Hamburg selbst haben wir bereits mehrere Analysen durchgeführt und weitreichende Praxis-Erfahrungen gesammelt. Jetzt geht es darum, dass auch der ländliche Raum außerhalb der Hansestadt von neuen Mobilitätsformen profitiert“, sagt Dr. Michael Barillère-Scholz, Geschäftsführer von ioki.

Für die Auswahl in der südlichen Metropolregion Hamburg hat ioki rund eine Million Wege in den Landkreisen Harburg, Stade und Lüneburg analysiert. Dabei lag der Fokus auf privaten wie beruflichen Autofahrten. Das Ergebnis: Rund 70 Prozent aller Fahrten in Winsen verlaufen direkt von der Haustür zum Ziel. Die übrigen 30 Prozent sind sogenannte Zubringerfahrten, beispielsweise zum Bahnhof und von dort weiter mit dem Zug. Diese Einzel-Pendler-Autofahrten könnten mithilfe eines bedarfsgerechten Angebots intelligent gebündelt und rasch in den klimafreundlichen ÖPNV integriert werden. Durch die bequemere, individuellere Anbindung an das bestehende Bahn- und Busnetz wird das öffentliche Mobilitätsangebot auch für die erste Gruppe, die bislang ausschließlich das Auto wählt, attraktiver.

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Eine Million Wege analysiert

„Das Thema Mobilität, auch in Verbindung mit Fachkräftemangel und Wohnen, gewinnt rund um Hamburg an Bedeutung. Ich bin zuversichtlich, dass es uns mit diesem Projekt gelingt, den Menschen hier eine Mobilitätsalternative anzubieten und damit ihr Leben zu erleichtern. Das steigert die Attraktivität der Region, was sich unmittelbar auf die Wirtschaftskraft auswirkt“, sagt Dr. Olaf Krüger, Vorstand der Süderelbe AG, die das Projekt koordinieren wird.

„Für Winsen und Teile der Winsener Elbmarsch ist das neue Angebot ein doppelter Gewinn: Dank des nachhaltigen Verkehrskonzeptes entlasten wir die Straßen in der Region, bieten den Menschen eine Mobilitätsalternative und erleichtern damit ihr Leben. Damit steigern wir die Attraktivität der Süderelbe-Region und stärken Wirtschaftskraft und Wohnqualität“, ordnet Rainer Rempe, Landrat Landkreis Harburg ein.

Erfahrungen in Hamburg

Allen voran bekommen die Elbmarsch und die umliegenden Gemeinden einen deutlich besseren Anschluss ins Stadtgebiet von Winsen und so auch zur Schienenanbindung Richtung Hamburg. Den Berechnungen zufolge kann mit nur fünf Fahrzeugen ein großer Mehrwert erzeugt werden. Denn die On-Demand-Shuttles werden in den bestehenden öffentlichen Nahverkehr integriert. Ab Ende 2020 geben die Fahrgäste über die von ioki entwickelte Smartphone-App Start- und Zie lort ein und erhalten die Abfahrts- und Ankunftszeiten des Shuttles.

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Die Analyse für den Kreis Stormarn und die Stadt Ahrensburg mit Mobilitäts- und Betriebssimulationen, Umweltbewertung sowie einem Systemvergleich des Flächen- und Linienverkehrs laufen aktuell noch. Die Ergebnisse werden im Herbst vorgestellt. Bereits seit Juli 2018 erprobt ioki den Einsatz von On-Demand-Verkehren als Teil des ÖPNV in den Hamburger Stadtteilen Lurup, Osdorf und Billbrook. Dort ziehen die Deutsche Bahn und die Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein eine positive Bilanz. Binnen eines Jahres hatten mehr als 215 000 Fahrgäste das Angebot genutzt, etwa die Hälfte ließ sich mit ioki zu größeren ÖPNV-Haltestellen bringen. Das war der Stand Mitte 2019. Aktuellere Zahlen gab ioki nicht bekannt. Corona dürfte sich allerdings nicht positiv ausgewirkt haben.

So funktioniert’s

Barrierefreie Fahrzeuge mit Elektroantrieb und bis zu sechs Sitzplätzen im Kreis Stormarn und mit Platz für bis zu acht Personen sowie nach Möglichkeit alternativen Antriebsformen in der Süderelbe-Region transportieren die Fahrgäste von vorgegebenen Haltepunkten zur nächsten Bus- oder Bahnstation oder zu einer zentralen Gemeinde. Über eine Smartphone App geben die Nutzer Start- und Zielort ein und erhalten die Abfahrtszeiten des Shuttles. Unterwegs können Passagiere mit ähnlichem Fahrtziel zusteigen (Ridepooling).

Umgesetzt wird der On-Demand-Verkehr von den Verkehrsbetrieben Hamburg Holstein (VHH) sowie der KVG Stade. Die On-Demand-Plattform wurde von ioki entwickelt, dem Geschäftszweig der Deutschen Bahn (DB) für intelligente Mobilitätslösungen jenseits der Schiene. Die Fördermittel sind vom Bundesverkehrsministerium genehmigt. Sogenannter Leadpartner des Projektes ist der Landkreis Harburg. Im Süden des Kreises Stormarn steht das Gebiet für den Modellbetrieb bereits fest. In der Süderelbe-Region startet zunächst die Analyse, welche Gebiete das größte Potenzial für ein ergänzendes Angebot bieten. Zur Auswahl stehen Modellregionen um die Städte Lüneburg, Stade, Buxtehude, Buchholz und Winsen/Luhe. Die TUHH begleitet das Projekt mit Evaluationsmaßnahmen.

Über das RealLabHH

Im Reallabor Hamburg (RealLabHH) soll die Mobilität von morgen im Hier und Jetzt einer Metropole erprobt werden und darauf aufbauend eine Blaupause für die digitale Mobilität der Zukunft entstehen. Die gesellschaftliche Debatte zu digitalen Mobilitätsservices steht im Zentrum, um wichtige Erkenntnisse darüber zu liefern, welche Ansätze sich in der Praxis bewähren. Die geplanten elf Teilprojekte des RealLabHH reichen vom Mobilitätsbudget anstelle eines Dienstwagens über die Schaffung einer anbieterunabhängigen Mobilitätsplattform bis hin zu Lösungen für besonders schutzbedürftige Verkehrsteilnehmer. Unter der Konsortialführerschaft der Hamburger Hochbahn AG ist dabei die kontinuierliche und umfassende Einbeziehung der Bürger vorgesehen. Auf dem ITS-Weltkongress 2021 werden die Ergebnisse des RealLabHH präsentiert. Unterstützt vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) ist die Freie und Hansestadt Hamburg Gastgeber des weltweit größten Kongresses für intelligente Verkehrssysteme und Services (ITS), welcher vom 11. bis 15. Oktober 2021 stattfindet.

Die Projekt- und Kooperationspartner von Teilprojekt 5

  • Süderelbe-Landkreise: Planung und
    Einführung des Shuttle-Verkehrs
  • Kreis Stormarn: Planung und Einführung des Shuttle-Verkehrs
  • ioki GmbH: Planung und Durchführung
    der Mobilitätsanalyse – Bereitstellung der On-Demand-Plattform
  • TUHH: Technische Universität Hamburg – Projektevaluation
  • VHH: Verkehrsbetriebe Hamburg Holstein – Betrieb des Shuttle-Verkehrs im Kreis Stormarn
  • KVG Stade: Betrieb des Shuttle-Verkehrs in der Süderelbe-Region
  • Süderelbe AG: Projektkoordination
    und -kommunikation

Ab Ende 2020 geben die Fahrgäste über die von ioki entwickelte Smartphone-App Start- und Zielort ein und erhalten die
Abfahrts- und Ankunftszeiten des Shuttles.