„Die Welt, die wir mal hatten, gibt es so nicht mehr“

Sie zogen die Halbjahresbilanz der Sparkasse Harburg-Buxtehude: Holger Iborg (von links), der Vorstand mit Andreas Sommer und Sonja Hausmann sowie Immobilien-Chef Bodo Ihlenburg. Foto Wolfgang Becker

Zwischen Digitalisierung und Prämiensparen: So positioniert sich die Sparkasse Harburg-Buxtehude in der Corona-Pandemie – Halbzeitbilanz in einem Ausnahmejahr

Der Satz von Sonja Hausmann ging fast ein bisschen unter: „Die Welt, die wir mal hatten, gibt es so nicht mehr.“ Sie ist im Vorstand der Sparkasse Harburg-Buxtehude für den Marktbereich verantwortlich und hatte gemeinsam mit dem Vorstandsvorsitzenden Andreas Sommer und den beiden Stellvertretern Holger Iborg (Firmenkunden) und Bodo Ihlenburg (Immobilien) zur Vorstellung der Halbzeitbilanz 2020 eingeladen – ein Anlass, den es vor Corona so auch noch nicht gab. Die Pandemie, flankiert von der anhaltenden Nullzins-Phase, stellt vieles auf den Kopf und auch zur Disposition.


5500 Altverträge werden gekündigt

Unter anderem wird die Sparkasse das Prämiensparen einstellen und abwickeln – ein Anachronismus, der laut Sonja Hausmann als Produkt seit Jahren nicht mehr nachgefragt ist, aufgrund zahlreicher Altverträge auf der Passivseite aber für 90 Prozent der Negativzinsen verantwortlich ist, die die Sparkasse an die Zentralbank zahlen muss. Jetzt werden rund 5500 noch vorhandenen Altverträge gekündigt (15 Jahre und älter). Betroffen sind etwa 4500 Kunden – mit denen die Sparkasse über alternative Anlageformen sprechen will.
Andreas Sommer ließ das erste Halbjahr noch einmal Revue passieren, hatte aber die gute Nachricht: „Wir sind als Sparkasse bislang gut durch die Krise gekommen. Auf jeden Fall besser, als es im März noch zu erwarten war – das stimmt uns optimistisch.“ Die größte Herausforderung sei es nun, die Konjunktur wieder in Gang zu kriegen und als Sparkasse zu schauen, inwieweit sich die Kreditrisiken im Einzelfall erhöht haben. Sommer rechnet damit, dass Unternehmen in die Insolvenz rutschen werden, bislang sei die Lage aber noch vergleichsweise stabil. Eine Lehre aus Corona: „Die Hausbank hat sich als traditionelles Konstrukt bewährt. Wer als Unternehmer Hilfe brauchte, der konnte froh sein, wenn er direkte Ansprechpartner vor Ort hatte. Die Hausbank ist in diesen Zeiten wichtiger denn je.“ Ein kleiner Seitenhieb auf die digitalen Online-Banken.
Schub für die Hausbank
Auch Sonja Hausmann schlägt in diese Kerbe: „Nach Corona gab es schnell vollmundige Förderversprechen der Politik. Kein Unternehmen sollte an der Pandemie zugrunde gehen. Aber wie geht das konkret? Unternehmen ohne eine Hausbank, die die Situation einschätzen kann, hatten durchaus Schwierigkeiten, an Fördergelder heranzukommen.“


Alle 20 Filialen bleiben erhalten
Die Aufrechterhaltung der Filialnetze ist bei Banken und Sparkassen seit Jahren ein großes Thema, weil sich Kundenaktivitäten immer stärker ins Internet verlagern. Zugleich ist Präsenz vor Ort gerade in den ländlichen Regionen ein Muss, um den Kundenkontakt zu halten. 20 BeratungsCenter hat die Sparkasse Harburg-Buxtehude. Ansage von Sonja Hausmann: „Auf absehbare Zeit werden wir keine Standorte schließen.“ Auf Nachfrage erläuterte sie, dass derzeit drei bis vier Jahre absehbar sind. Weiter lasse sich nicht vorausschauen. Gleichwohl soll der Service an den digitalen Wandel angepasst werden. Hausmann: „Unsere Kunden sprechen durchaus auch per Video mit uns.“
Wie hoch der Handlungsdruck ist, zeigt das Beispiel Sprötze. Dort gibt es einen automatengestützten Service-Punkt, den sich die Sparkasse mit der Volksbank Lüneburger Heide teilt – früher undenkbar, heute wirtschaftlich geboten. Sonja Hausmann: „Betriebswirtschaftlich wäre das dort sonst nicht mehr darstellbar gewesen.“

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Zentrale in Harburg wird modernisiert
Trotz der umwälzenden Ereignisse setzt die Sparkasse Harburg-Buxtehude ihren Modernisierungskurs fort. In Buxtehude steht ein Neubau an. Das Altgebäude in der Bahnhofstraße wird abgerissen. Bodo Ihlenburg: „Dort hatten wir 5000 Quadratmeter Fläche. Im Neubau werden wir nur noch 1500 Quadratmeter haben. Hinzu kommen Büroflächen und fast 30 Wohnungen, die vermietet werden. Dort entsteht bis 2023 ein ganz neues Quartier.“ Auch die Zentrale in Harburg wird in Kürze umgestaltet. Schalterhallte war gestern, die schöne neue Sparkassenwelt, wie sie in Buchholz schon realisiert ist, wird nun auch am Sand einziehen.
Der geringere Flächenbedarf, Beispiel Buxtehude, ist auch dem aktuellen Wandel in der Arbeitswelt geschuldet. Andreas Sommer: „Wir haben heute ein Verhältnis von Mitarbeiter zu Arbeitsplatz von 1 zu 1,15, das heißt: Auf einen Mitarbeiter entfallen rechnerisch 1,15 Arbeitsplätze. In der Planung ist 0,78 bis 0,8.“ Nachdem es in der Pandemie bereits erhebliche Verschiebungen gegeben hat (die Mitarbeiterzahl im digitalen BeratungsCenter wurde beispielsweise um 50 Prozent erhöht), sei eine Personalreduzierung aufgrund neuer Strukturen mittelfristig nicht auszuschließen. Allerdings werde es keine Kündigungen geben, wie Sonja Hausmann betonte.


Die große Antragsflut blieb aus
Dass es in Corona-Krisenzeiten manchmal Überraschungen gibt, machte Holger Iborg deutlich: „Die große Flut der Förderanträge von Unternehmen ist ausgeblieben. Wir haben gerade mal 70 KfW-Anträge mit einer Gesamtsumme von 22 Millionen Euro bewilligt. Nur ein halbes Dutzend Antragsteller gingen leer aus, weil sie die Vorgaben der KfW nicht erfüllten.“ Auch die Sparkasse berichtet über Fälle, in denen an sich gesunde Unternehmen versucht hätten, an subventioniertes billiges Geld zu kommen.
Insgesamt stellt sich das Kreditgeschäft sehr vital dar. Im Vergleich zum Vorjahr wurden 39 Millionen Euro mehr (auf 192 Millionen gesamt /Januar bis Juni) ausgegeben, ein Wachstum von 25 Prozent. Laut Iborg legten auch die Baufinanzierungen zu – 85 Millionen Euro wurden zugesagt: „Bisher haben wir noch keine negativen Auswirkungen zu verzeichnen.“ Die Provisionserlöse liegen zur Jahresmitte stabil bei 34 Millionen Euro, lediglich das geplante Wachstum um vier Prozent wurde im Zuge der Corona-Krise zurückgestuft. Ebenfalls bemerkenswert: Trotz erheblicher Kursschwankungen nahm das Wertpapiergeschäft um 26 Prozent zu. Iborg: „Wir haben 521 neue Wertpapierdepots angelegt.“


Corona-Hilfe für Vereine
Die Sparkasse Harburg-Buxtehude hat im Rahmen ihres öffentlich-rechtlichen Auftrags der Daseinsvorsorge auch einen Blick für die gesellschaftlichen Strukturen – sprich Vereine und Kultureinrichtungen. Sommer: „Für uns gilt ‚gemeinsamdadurch‘: Wir haben eine Corona-Hilfe ins Leben gerufen, die mit 100 000 Euro ausgestattet ist. Hier können notleidende Einrichtungen bis maximal 5000 Euro Soforthilfe beantragen.“ wb

o Eine ausführliche Analyse der Situation auf dem Immobilienmarkt lesen Sie in der nächsten Ausgabe von B&P.


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