Hamburgs Hafen im Spannungsfeld  zwischen Globalisierung und Industrie 4.0

Die bisherigen Überlegungen liefern Grund zu der Annahme, dass sich durch den Einsatz additiver Fertigungsverfahren weitreichende Rückwirkungen auf den Logistiksektor ergeben. Ursächlich hierfür dürfte insbesondere die deutlich höhere Materialeffizienz sein, da quasi nur das tatsächlich benötigte Rohmaterial transportiert und gelagert werden muss. Ein Beispiel aus dem Flugzeugbau: Für die Herstellung von 30 Tonnen Aluminiumteilen werden beim konventionellen Fräsen 300 Tonnen Aluminium benötigt. 270 Tonnen verunreinigte Metallspäne fallen an. Für die Herstellung im 3D-Druck werden für die gleiche Menge lediglich 32 Tonnen Metallpulver benötigt. Das bedeutet ein erheblich geringeres Transportvolumen sowohl in der Beschaffungs- als auch in der Entsorgungslogistik.

Mögliche Rückwirkungen auf den Logistikstandort Hamburg und den Hafen

Wie bereits angedeutet, wird sich der industrielle 3D-Druck voraussichtlich schon bald zu einem „Mainstreamphänomen“ entwickeln. Dabei gilt als sehr wahrscheinlich, dass bereits innerhalb der nächsten fünf Jahre vollautomatisierte Hochleistungssysteme für den 3D-Druck entstehen werden, die selbst große Mengen von Standardbauteilen wirtschaftlich herstellen. General Electric geht beispielsweise davon aus, dass in 20 Jahren annähernd 50 Prozent seiner Teile mit additiven Fertigungsverfahren hergestellt werden. Weil diese Produktion extrem flexibel ist, wird es zu einer breiten Individualisierung und Fragmentierung vieler Produktkategorien kommen. Dies wiederum lässt den Marktanteil der herkömmlichen Massenprodukte weiter sinken.

Die Hamburger Politik hat dieses Themenfeld zwischenzeitlich besetzt und im rot-grünen Koalitionsvertrag die Forderung nach einer politikfeldübergreifenden 3D-Druck-Strategie aufgestellt. Tatsächlich gehören die „Light Experts“ mit dem iLAS an der TUHH (Forschung und Erstausbildung), der LZN Laser-Zentrum Nord GmbH (industrielle Entwicklung und Weiterbildung), der Bionic Production GmbH als jüngstes Start-Up sowie der Unternehmensberatung Light Consulting zu den weltweit führenden Kompetenzzentren im industriellen 3D-Druck. Auch der in Hamburg ansässige Flugzeughersteller Airbus zählt zu den Pionieren im industriellen 3D-Druck. Seit rund 12 Monaten befindet sich ein Airbus A350 im Einsatz, dessen Kabinenhalter aus Titan mittels 3D-Druck hergestellt wurde. Eine Serienfertigung 3D-gedruckter Titan-Bauteile ist Anfang 2016 angelaufen und Mitte des Jahres sollen Edelstahl-Bauteile im 3D-Druckverfahren gefertigt werden.

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Demgegenüber sind im Hafen- und Logistikumfeld bislang noch keine weitreichenden Aktivitäten erkennbar. Die von der Hamburg Port Authority (HPA) forcierte smartPORT Initiative verfolgt zwar laut eigenen Angaben das Ziel, die Effizienz des Hafens als wichtigen Teil der Lieferkette zu erhöhen. Das Thema Additive Manufacturing findet sich in diesem Kontext bislang allerdings noch nicht wieder.

Für den Hamburger Hafen bestehen im Zusammenhang mit dem Thema 3D-Druck vom Grundsatz her drei mögliche Handlungsfelder:

l Hamburger Hafen als Zentrum für Grundstofflogistik: Für den Einsatz in additiven Fertigungsverfahren wird ein pulverisierter Grundstoff benötigt, der durch Druck oder Hitze schichtweise aufgetragen wird. Die Entwicklung derartiger Materialien gilt als weiterer Katalysator für den 3D-Druck-Boom. In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche Kunststoffe und Metallpulver entwickelt, die für 3D-Druck geeignet sind. Durch die zunehmende Etablierung von 3D-Drucksystemen könnte sich langfristig die Angebotssituation auf den Rohstoffmärkten ändern. Aufgrund des prinzipiell im Hafen vorhandenen Know-hows bezüglich Umschlag, Lagerung, aber auch Qualitätsprüfung unterschiedlichster Rohstoffe besteht die Perspektive, im Hafen ein Kompetenzzentrum für die Beschaffung und Verarbeitung sowie die Weiterentwicklung von Grundstoffen zu etablieren.

l Hamburger Hafen als 3D-Druckstandort für die maritime Industrie: Ähnlich wie in Rotterdam könnte der Aufbau einer Datenbank von Ersatzteilen für die maritime Industrie, die zum 3D-Druck geeignet sind, Ausgangspunkt für weiterführende Aktivitäten in diesem Bereich sein. Mit Blohm & Voss zählt bereits ein wichtiger Akteur aus der maritimen Industrie zu den Partnern des LZN.

l Hamburger Hafen als Plattform für den 3D-Druck: Plattformen mit deren Hilfe andere Unternehmen fertigen und kommunizieren werden in Zukunft eine zentrale Position im Wertschöpfungsnetzwerk einnehmen. Auch wenn bereits viele Unternehmen und Standorte um diese Position wetteifern, ist sie heute noch weitgehend unbesetzt. Ganz grundsätzlich kommt dem Plattforminhaber sehr viel Macht zu, denn die Produktion selbst wird mit der Zeit an Bedeutung verlieren. Erste Unternehmen errichten bereits Auftragsdruckerparks („Printer Farms“), die Produktion On-Demand letztlich zur Massenware machen werden. Aufgrund seiner zentralen Lage in Hamburg und seiner guten Verkehrsanbindung könnte im Hamburger Hafen eine derartige Plattform ent-stehen.

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Die drei Handlungsfelder sind lediglich als Einstieg in die Diskussion zur zukünftigen strategischen Ausrichtung des Hafens zu verstehen. Der eher abstrakt anmutende Begriff „Hafen“ ist dabei eher Synonym für die im Hafen ansässigen oder mit dem Hafen verflochtenen Industrien und Wirtschaftszweige, Behörden, Institutionen und Verbände zu sehen. Mit Blick auf die beschriebenen Herausforderungen gilt es, für die Zukunftsthemen des Hamburger Hafens möglichst kurzfristig relevante Treiber der Entwicklung zu identifizieren, um mit deren Hilfe entsprechende Pilotprojekte zu initiieren. Dabei scheint es ungeachtet der bisherigen Erfolge in Forschung und Entwicklung zwingend geboten, die Bemühungen in puncto wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesen Themen weiter voranzutreiben, um Hamburgs Rolle als Technologiestandort zu stärken.

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2016/02/11/quo-vadis-hamburg-hafen-und-logistik-im-spannungsfeld-zwischen-globalisierung-und-industrie-4-0/