Schöne neue Einkaufswelt . . .

Foto: Tobias PuschEiner der Teilnehmer, Georg Lempke von Stade aktuell ist optimistisch: "Trotz aller Widrigkeiten bin ich optimistisch, dass bei den anstehenden Veränderungen etwas Gutes herauskommt, wenn es uns gelingt, alle Akteure an einen Tisch zu bringen."|| Foto: Tobias Pusch

B&Pimpact zu Gast im Modehaus Stackmann: So können Innenstädte der drohenden Verödung trotzen.

Steigende Mieten, mächtige Konkurrenz aus dem Internet – und dann auch noch die Corona-Pandemie. Die Aussichten des stationären Einzelhandels in unseren Städten waren wirklich schon einmal rosiger als in diesen Tagen. Der Leerstand von Gewerbeflächen (siehe Artikel auf der vorherigen Seite) wirkt aktuell wie eine permanente Mahnung an die Akteure vor Ort: Tut etwas, sonst wird die Verödung rasch weiter um sich greifen.

Mit Sicherheit keine leichte Aufgabe also, vor der die Betroffenen stehen. Doch Ideen, wie die Wende geschafft werden kann, sind vorhanden. Das zeigte die Diskussionsveranstaltung B&Pimpact unter dem Motto: „Schöne neue Einkaufswelt? Überlebensstrategien für den Einzelhandel in den Innenstädten“. Im Roten Salon im Obergeschoss des Buxtehuder Modehauses Stackmann kamen sieben Fachleute zu einer exklusiven Runde zusammen, um ihre Standpunkte zu dem Thema auszutauschen.

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Neben Gastgeber Fabian Stackmann, Geschäftsführer des Modehauses, fanden unter der Moderation von B&P-Redaktionsleiter Wolfgang Becker auch Sinje-Swala Buschmann (Leitung Retail-Services bei Engels & Völkers), Melanie-Gitte Lansmann (City-Managerin Harburg), Georg Lempke (Vorstand der Kaufleute-Arbeitsgemeinschaft Stade Aktuell), Kerstin Maack (Leiterin der Wirtschaftsförderung Buxtehude) sowie Kathrin Wiellowicz (Handelsreferentin IHK Stade) zusammen. Für die wissenschaftliche Sicht auf die Thematik war Stadtentwicklungsexperte Prof. Dr. Thomas Krüger von der Hafencity-Universität Hamburg zuständig.

„Ein Ort der Einzigartigkeit“

Und der zeigte gleich zu Beginn im Rahmen eines Impulsvortrags, was in seinen Augen die zentralen Maßnahmen sind, um die Innenstädte trotz des gerade stattfindenden Strukturwandels als beliebte und belebte Orte zu erhalten. „Die Innenstädte der Zukunft müssen einen neuen, attraktiven Nutzungsmix finden, der auch mit weniger Einzelhandels-Anteil funktioniert. Sie müssen sich zu einem Ort der Einzigartigkeit wandeln, zu einem Ort, an dem die Besucher etwas erleben.“

Doch damit meint Krüger nicht zwingend die – allerortens grassierende – Eventisierung. „Es geht vielmehr um eine Sache, die ich als ‚Soziales Erleben‘ bezeichnen würde. In den Innenstädten sollten deutlich mehr öffentliche Einrichtungen vertreten sein, beispielsweise Bibliotheken, Dependancen von Museen und Seminarräume von Universitäten oder Schulen.“ Es gehe darum, dass auch abseits des Konsums Leben in diesen Gegenden herrsche. „Die Mitte der Stadt ist eine Angelegenheit der Stadtgesellschaft und ein Raum für alle, nicht nur für eine bestimmte Szene.“

Bündnis für die Innenstadt

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Um die benötigte Transformation stemmen zu können, sei ein Bündnis für die Innenstadt nötig. „Gewerbetreibende, Immobilieneigentümer und Kommunen müssen gemeinsam einen Masterplan entwickeln, der als Zielbild dient. Gemeinsam werden dann Maßnahmen vorbereitet und anschließend zusammen mit den Akteuren umgesetzt. Auch kurzfristige Interventionen seien vorstellbar, beispielsweise das Ankaufen leer stehender Gebäude. Krüger: „Wer sonst sollte das Heft in die Hand nehmen, wenn es darum geht, eine Schrottimmobilie in eine Fläche umzuwandeln, in der Pop-up-Stores eröffnen können und die somit für eine Belebung sorgt?“

Am Geld sollte die angestrebte Transformation jedenfalls nicht scheitern, zumindest nicht in Stade, Buxtehude, Buchholz und Winsen: Sie erhalten etwa 1,1 Millionen beziehungsweise 750 000 Euro (Winsen) aus dem EU-Sofortprogramm „Perspektive Innenstadt!“, das als Reaktion auf die Corona-Krise aufgelegt wurde. „Da muss man auch mal eine Lanze für die viel gescholtene Politik brechen“, sagte Kathrin Wiellowicz von der IHK Stade. „Diese Förderprogramme können wirklich viel bewegen, das ist echt gut gelaufen. Auch deswegen, weil hier ausdrücklich Experimentierfelder vorgesehen sind, die wir dringend benötigen.“

Alle an einen Tisch!

Auch Kerstin Maack von der Wirtschaftsförderung Buxtehude gab sich optimistisch: „Das ist natürlich eine tolle Hilfe. Jetzt wollen wir alle an einen Tisch bekommen, um über Fragen wie Infrastruktur und Aufenthaltsqualität zu sprechen.“ Bereits jetzt habe Buxtehude einen Marketingbeirat, in dem viele Akteure zusammenkommen, wenngleich – wie Maack einräumt – noch die Immobilienwirtschaft fehle. „Klar ist, dass das Herz unsere Altstadt mit dem Modehaus Stackmann als Herzmuskel ist.“

Das sind Worte, die Fabian Stackmann natürlich gern hört. Doch übermäßig euphorisch ist er nach 20 Monaten Corona-Krise nicht. „Wir haben in all dieser Zeit daran gearbeitet, ein attraktiver Einkaufsort zu sein. Aber wir müssen auch als Gesamtstadt Attraktivität ausstrahlen“, sagt er. „Unser Haus hat unternehmerischen Mut gezeigt und vor dem Hintergrund von Corona weiter investiert. Aber als Einzelkämpfer wird es schwer, die Leute wieder zurück in die Stadt zu holen.“ Auch die anderen Unternehmer und die Politik müssten ihren Teil dazu beitragen.

„. . . mit zwei quengelnden Kindern“

Ein Thema, das Fabian Stackmann besonders am Herzen liegt, ist die Mobilität. „Es wird immer schwieriger, sich hier zu bewegen. Da fehlt es mir an einer Perspektive.“ Ein Punkt, den Georg Lempke von Stade Aktuell sogleich aufgriff: „Politik und Einzelhandel müssen mehr machen und miteinander sprechen. Man hat manchmal den Eindruck, dass nur noch Radfahrer erwünscht sind, dabei ist ein gutes Mobilitätskonzept weit mehr, als nur eine Veloroute zu bauen.“

Auch Sinje-Swala Buschmann, Einzelhandelsexpertin bei Engels & Völkers, sieht durchaus eine Daseinsberechtigung für Autoverkehr in den Citys. „Einfach nur die Pkw aus der Innenstadt zu vertreiben, wie man das jetzt in Hamburg macht, halte ich nicht für zukunfts­trächtig. Wieso sollte sich eine Familie aus Pinneberg nach dem Weihnachtsshopping schwer bepackt mit zwei quengelnden Kindern in die S-Bahn setzen und sich am Zielort noch in den Bus zwängen – wenn per Auto auch bequem ein Einkaufszentrum zu erreichen ist?“, fragte sie provokant. „Durch solche Maßnahmen verlieren die Innenstädte massiv an Attraktivität.“ Und noch einen anderen Punkt erachtet sie als zentral: „Den Städten fehlen heutzutage oft Diversität, Individualität und gute Gastronomie.“

Das sieht Melanie-Gitte Lansmann ebenso. „Jede Stadt sollte ihre Individualität betonen – denn es geht jetzt auch darum, der Uniformität entgegenzutreten. Mit Geschichte kann man beispielsweise viel Identität schaffen“, machte die Citymanagerin aus Harburg Städten wie Buxtehude und Stade Mut.

In ihrem Zuständigkeitsbereich hat sie beim Thema Branchenmix und Belebung gute Erfahrungen mit dem Instrument des Business Improvement District (BID) gemacht. „Wir waren ganz unten, aber mittlerweile sind wir ein Vorzeigeprojekt.“ Doch ein Punkt sei bei diesem Instrumentarium zentral. „So ein BID läuft über ein paar Jahre, und anschließend lösen sich die Strukturen häufig auf. Deswegen ist es wichtig, diese Art der Zusammenarbeit zu verstetigen, so wie das beispielsweise auch am Tibarg in Hamburg-Niendorf oder am Neuen Wall zu sehen ist.“ Georg Lempke von Stade Aktuell mahnte unterdessen, dass ein BID kein Allheilmittel sei: „So ein Projekt ist halt immer nur punktuell. Es hat lediglich Feigenblatt-Charakter, denn oft könnte die ganze Stadt einen solchen Impuls benötigen.“

Einigkeit herrschte bei allen Teilnehmern der Impact-Diskussion darüber, dass bei allen guten Ideen nicht mehr besonders viel Zeit bleibe, um diese auch umzusetzen. Fabian Stackmann verwendete zur Verdeutlichung ein eindringliches Bild: „Wir stehen an einem Punkt, an dem wir es noch in der Hand haben, etwas zu unternehmen. Aber wenn noch einige Dominosteine fallen, dann kann alles kippen.“