Droht jetzt die Baustoff-Inflation?

Foto: Wolfgang BeckerBunkert für seine Kunden so viel Ware wie möglich: Alexander Delmes in der Ausstellung der bauwelt in Seevetal. Foto: Wolfgang Becker

bauwelt-Geschäftsführer Alexander Delmes über einen Markt, der in mehrfacher Hinsicht durchgerüttelt wird.

Bauherren und Handwerker müssen sich weiterhin auf einen teils kräftigen Anstieg bei den Preisen für Baumaterialien einstellen. Warum, das erläuterte Alexander Delmes, einer der führenden Baustoffhändler in der Metropolregion Hamburg, im Gespräch mit B&P. Die Nachrichten von der Preisfront sind zwar betrüblich, aber es gibt auch Gutes zu berichten: „Insgesamt hat sich der Materialnotstand wieder etwas entspannt – wir können immerhin wieder liefern“, sagt der Geschäftsführer der bauwelt Delmes Heitmann. Insgesamt gebe es aber viele Faktoren, die nach wie vor zu teils eklatanten Kostensteigerungen führten – zum Beispiel die Verzehnfachung der Frachtraten. Überraschend: Auch die zu geringe Recycling­rate bei Glas und Papier sorgt für Probleme.

Delmes hatte im ersten Halbjahr im B&P-Gespräch erläutert, in welchen Bereichen des Baumaterials teils massive Engpässe aufgetreten waren. Von Notstand war die Rede. Dazu zählten beispielsweise Holz und Kunststoffe. „Bei Kunststoffen, zum Beispiel für Abwasserrohre, hat sich die Lage entspannt. Das gilt auch für Holz – wir haben wieder Lagerbestände, können also liefern. Eng und knapp bleibt es jedoch bei Dämmstoffen aus Polysterol sowie Stein- und Glaswolle. Ich rechne damit, dass die Versorgungslage bis zum Frühjahr 2022 schwierig bleibt“, sagt Delmes.

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Run auf Stein- und Glaswolle

Speziell bei Glas- und Steinwolle sorgt ein verzögerter Effekt für Engpässe. Als sich der Materialnotstand unter anderem in Folge der Pandemie abzeichnete, stieg die Nachfrage rasant an. Alexander Delmes: „Die Werke, die diese Dämmstoffe produzieren, waren 30 Prozent höher ausgelastet, obwohl das Bauvolumen stabil blieb. Wir führen das auf Lagerhaltung bei den Baufirmen zurück. Die bauten Bestände auf, um weiterhin bauen zu können. Bei den Herstellern liefen die Maschinen auf Hochtouren. Speziell bei der Herstellung von Glas- und Steinwolle wird mit sehr hohen Temperaturen gearbeitet. Diese Anlagen müssen regelmäßig einer Revision unterzogen werden. Aufgrund der Nachfrage wurden diese Arbeiten verschoben, doch nun stehen die Revisionen an, die zum Teil mehrere Wochen dauern, in denen nicht produziert werden kann.“

„Wir warten noch
auf Container, die wir
2020 bestellt haben“

Einen zweiten Engpass sieht Delmes bei Gipskartonplatten, denn die Werke haben gleich ein doppeltes Problem: Zum einen werden in Deutschland immer mehr Kohlekraftwerke abgeschaltet, deren Betrieb den sogenannten Reha-Gips als Abfallprodukt erzeugt. Delmes: „Im Schatten der Kohlekraftwerke stehen meist auch Gipskartonwerke, denn so haben sie kurze Wege für die Rohstoffbeschaffung. Jetzt gehen die Kohlekraftwerke vom Netz – also muss Naturgips verwendet werden. Das bedeutet höhere Transportkosten. Von einem großen Hersteller ist mir bekannt, dass mittlerweile auch Kartonagen ein Mangelprodukt sind, weil tendenziell zu wenig Recyclingmaterial zur Verfügung steht.“ Sinkt das Angebot, steigen die Preise – Gipskarton dürfte nachhaltig teurer werden.

Auch ein weiterer Kostenfaktor hat seine Ursache in der Pandemie: Die Frachtraten für Container sind extrem angestiegen. Das bekommt auch die bauwelt zu spüren, wie
Alexander Delmes erläutert: „Früher kostete ein Container aus China – dort beziehen wir zum Beispiel Granite – 800 bis 1200 Euro. Jetzt sind es gefühlt 8000 bis 12 000 Euro. Der Grund sind die viel zu geringen Frachtkapazitäten – wir warten immer noch auf Container, die wir 2020 bestellt haben.“ Wenn Frachtraten derart explodieren, schlägt sich das auf den Preis beim Endkunden nieder. Handels­unternehmen suchen deshalb nach günstigeren Liefer-Alternativen. Alexander Delmes: „Das tun wir auch, aber so wie sich die Situation heute darstellt, steuern wir im Bereich der Baustoffe auf eine heftige Inflation in Höhe von zehn Prozent und mehr zu. Darauf müssen sich die Endverbraucher einstellen.“

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Marktentwicklungen wie die hier beschriebene haben zumeist eine komplexe Gemengelage. So kommen in diesem Fall die Pandemie (Stillstand auf Minen, Grenzschließungen, Werksschließungen), aber auch die Maßnahmen gegen den Klimawandel zusammen. Letzterer wirkt als Motor und könnte laut
Delmes einen Superzyklus auslösen – eine lang anhaltende Phase von Preissteigerungen. Experten sprechen da von zehn und mehr Jahren. Weitere Faktoren sind beispielsweise der wachsende Wohlstand in China, der mit fast 1,5 Milliarden potenziellen Konsumenten eine unglaubliche Marktrelevanz hat, und die Entwicklung der Energiepreise, die eher nach oben zeigt und sich sowohl auf industrielle Produktionsprozesse als auch die Rohstoffgewinnung auswirkt. wb

>> Web: www.bauwelt.eu