Das „Modell Horch“ macht Schule

Interview-Termin mit B&P: Frank Horch hat das historische Senatsgehege im Hamburger Rathaus und die Chefetage in der Wirtschaftsbehörde freiwillig verlassen und gegen ein kleines Büro in der City eingetauscht. Foto: Wolfgang Becker

PORTRÄT: Hamburg Wirtschaftssenator a. D. Frank Horch zieht Bilanz

Mützelfeldwerft, HDW, Phoenix AG, ThyssenKrupp Industries, Harburg-Freudenberger Maschinenbau, Blohm + Voss und dann der Wechsel in die Welt der Funktionäre und Politiker: Präsident des Industrieverbandes Hamburg IVH, Präses der Handelskammer Hamburg und schließlich Wirtschaftssenator der Freien und Hansestadt Hamburg – der Werdegang von Frank Horch, mittlerweile Senator a. D., ist bemerkenswert und markiert den Weg eines Industriemanagers in ein hohes politisches Amt. Jetzt, nachdem der Terminkalender nicht mehr überquillt und das Amt mit Pflichterfüllung einhergeht, schaut ein Mann zurück, der gern noch etwas weitergemacht hätte, am Ende aber eine persönliche Entscheidung traf, die berührt. Frank Horch kümmert sich verstärkt um die Betreuung seiner Ehefrau, die seit Jahren an den Spätfolgen einer schweren Erkrankung leidet.

13 Jahre an den Schaltstellen der Hamburger Wirtschaftspolitik – das hinterlässt Spuren und häuft Erfahrungen an. „Beim Amtsantritt als Wirtschaftssenator ist das natürlich ein hochinteressantes Feld. Da stellten sich viele Themen, denen ich begeistert nachjagte. Doch wenn man in die Tiefe der politischen Arbeit einsteigt, dann wird erst deutlich, wie kompliziert die Dinge sind. Als Wirtschaftssenator stand ich in einem Dreieck zwischen Berlin, der EU und dem Hamburger Senat. Hier die Unterstützung im eigenen Haus suchen, dort die Unterstützung des Bundes und dann noch die Unterstützung auf EU-Ebene. Wenn das geschafft ist, geht es in die politischen Instanzen – hier insbesondere die Ausschüsse, in denen alle Parteien der Bürgerschaft vertreten sind, von der Linken bis zur CDU. Hier zu bestehen, ist die schwierigste Aufgabe. Ich sage heute: Als Einzelperson ist das nicht leistbar, das funktioniert nur in einem guten Team innerhalb der Behörde.“

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Ein echter Hanseat
Die Themen, mit denen Frank Horch als Senator für Wirtschaft, Verkehr und Innovation zu tun hatte, hatten es allesamt in sich: Windkraft, Energiewende, Wasserstoff, Fahrrinnenanpassung, A26 und A7, Baustellenchaos, Startup-Förderung, der Hafen, Mobilität, der ITS Weltkongress und so weiter. Der Planfeststellungsbeschluss zur A26 und der Beginn der Elbvertiefung kamen gerade rechtzeitig zum selbstverordneten Dienstschluss. Dauerbrenner der Hamburger Politik, zum Teil Jahrzehnte alt, aber dennoch zwei „Geschenke“ zum Abschied. „Alles komplexe Themen, die dem Bürger kaum zu vermitteln sind“, resümmiert der 70-Jährige, der 2011 von Olaf Scholz als Parteiloser in den Senat berufen wurde. Dass die SPD damals die absolute Mehrheit in Hamburg holte, wurde anschließend unter anderem auf diesen geschickten Schachzug zurückgeführt. „Welt“-Autor Martin Kopp titulierte ihn als „Hanseat vom Scheitel bis zur Sohle“ und traf damit ziemlich exakt das, was Horch auch heute noch ausstrahlt – eine integre freundliche Persönlichkeit mit hohem Kooperationspotenzial und Empathie sowie Selbstdisziplin und Selbsterkenntnis. Ein Mann im Dienste seiner Stadt.

Die eigentlich gar nicht seine Stadt war, denn aufgewachsen ist Frank Horch in Geversdorf im Land Hadeln bei Cuxhaven. Unter der Rubrik „Söhne und Töchter des Ortes“ ist sein Name der einzige, der aufgeführt wird. „Dass ein Junge aus dem kleinen Dorf einmal Wirtschaftssenator in Hamburg werden würde, ist ja auch nicht selbstverständlich“, sagt er mit einem Lächeln, als sei den beinharten Hanseaten an der Elbchaussee ein personeller Fauxpas durchgerutscht. Dass dem nicht so war, zeigte der Abschied aus dem politischen Amt. Selbst die Grünen versuchten, den scheidenden Wirtschaftssenator noch umzustimmen. Und auch Bürgermeister Peter Tschentscher sah nicht glücklich aus, als er im Rathaus vor Journalisten verkündete, dass er Frank Horch auf dessen Wunsch aus dem Senatorenamt entlassen musste. Der aber hatte die Segel gesetzt und die Leine gekappt.

Binnen acht Jahren war der studierte Schiffbauingenieur zu einer sicheren Bank im Senat geworden, zu einem Kämpfer für das Wohl der Stadt, in der die Wirtschaft seit jeher eine wichtige Rolle spielt, und in der die Handelskammer, die Horch einst als Präses geführt hatte, nun dabei war, sich eigenständig zu zerlegen – ein Zustand, der bis heute anhält und nicht auf die Amtszeit von 2008 bis 2011 zurückfällt.

Grundübel Egoismus
Bereits seit einigen Jahren wohnt Frank Horch in der Hafencity. Unweit seiner Wohnung hat er ein kleines Büro bezogen und regelt von dort aus allerlei Dinge, die sich in der Wirbelschleppe des Senatoren-Daseins ergeben – Anfragen, Angebote, Termine. „Jetzt kann ich mir das in Ruhe aussuchen. In acht Jahren als Wirtschaftssenator baut sich ein unglaubliches Netzwerk an Kontakten auf. Ich habe viele Erfahrungen in dieser Zeit gesammelt und kenne die Zusammenhänge. Da wird doch häufiger mal nachgefragt und um eine Einschätzung gebeten.“

Als erprobter Fußgänger in der City kommen weitere Erfahrungen hinzu: „Was ich täglich mit Fußgängern, Fahrradfahrern und Autofahrern im Straßenverkehr erlebe, ist geradezu abenteuerlich“, sagt der Mann, der sich vehement für das Mobilitätsthema in der Stadt stark gemacht hat. Sein Traum: ein Verkehrsangebot on demand. „Doch es ist ein gesellschaftlicher Prozess, die Mobilität der Zukunft an den Bürger heranzubringen.“ Und: „Die Verkehrssituation in Hamburg muss auf Toleranz basieren. Heute müssen wir allerdings sagen: Der Egoismus ist riesengroß. Dieses Grundübel basiert auf dem hohen Wohlstand – den Umgang miteinander, wie wir ihn heute häufig erleben, gab es in den vorherigen Jahrzehnten so nicht“, sagt Frank Horch und führt auch das legendäre Scheitern der Hamburger Olympia-Bewerbung auf die selbstzufriedene Haltung einiger Hamburger zurück.

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Der Nachfolger
Geradezu geräuschlos hat sich der Wechsel an der Spitze der Wirtschaftsbehörde vollzogen. Mit Michael Westhagemann (61) setzt der Senat auf das bewährte Modell: Mit Stationen bei Nixdorf und Siemens hat ebenfalls ein parteiloser Industriemanager das Amt übernommen. Er ist ebenfalls in einem Dorf (Beckum/Münsterland) aufgewachsen, war Präsident des IVH und Vize-Präses der Handelskammer. Das Horch-Modell macht Schule. Von Wolfgang Becker