Tiplu schreibt eine Harburger Erfolgsgeschichte

Foto: Wolfgang BeckerSo revolutionieren Dr. Lukas Aschenberg, Tim Aschenberg und Peter Molitor das Abrechnungswesen der Krankenhäuser || Foto: Wolfgang Becker

Das Abrechnungswesen der Krankenhäuser wird revolutioniert

Was passiert, wenn ein Mediziner, ein IT-Spezialist und ein Vertriebler aufeinandertreffen? Sie veranstalten ein kollektives Brainstorming, entwickeln eine Geschäftsidee und fangen einfach mal an. Ganz so einfach war der Start von Dr. Lukas Aschenberg, seinem Bruder Tim Aschenberg und Peter Molitor nicht, aber die Geschäftsidee, die 2016 mit der Gründung der Tiplu GmbH in Harburg begann, sollte sich als Volltreffer erweisen: Das Trio, das als Start-up in einem kleinen Büro im hit-Technopark damit begann, eine Software zur Überprüfung von Abrechnungen im Krankenhaus/Klinik-Bereich zu vermarkten, traf einen Nerv und blickt gerade mal vier Jahre später auf eine sensationelle Geschäftsentwicklung zurück.

Der Begriff „sensationell“ wird zugegebenermaßen oft überstrapaziert, aber in Zeiten, in denen erfolgversprechende Start-ups von risikofreudigen Investoren mit Venture Capital überschüttet werden, zeigt die Performance von Tiplu, dass sich gute Ideen auch ohne externe Hilfe durchsetzen können. Anfang 2016 hatten die Aschenberg-Brüder damit begonnen, eine Software zu entwickeln. Im Februar 2017 stießen Trixi Mausch, heute Personalleiterin, und Luca Böttcher dazu, ein Informatiker von der Technischen Universität Hamburg. Er leitet heute die Entwicklung.

Start im hit-Technopark

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Als B&P 2017 zum ersten Mal einen Besuch bei Tiplu im hit-Technopark machte, bestand das junge Unternehmen aus visionären Gründern, einer Handvoll von Entwicklern, die in einem abgedunkelten Raum vor Bildschirmen saßen und programmierten, und einem Dutzend Kunden – Kliniken, die bereit waren, ihre Abrechnungsdateien durch das Programm „Momo“ laufen zu lassen. Heute beschäftigt Tiplu 85 Mitarbeiter, belegt zwei Etagen im Channel Tower, betreut 330 Kliniken in Deutschland (fast alle Häuser mit mehr als 400 Betten), macht einen Jahresumsatz von mehr als zehn Millionen Euro, hat ein Tochterunternehmen in der Schweiz und eine Entwicklungsabteilung mit 15 Mitarbeitern in Berlin, die sich speziell um den Einsatz Künstlicher Intelligenz kümmern. Frei nach dem Motto „Stillstand ist Rückstand“ ist der Aufbruch in „neue IT-Galaxien“ ein dauerpräsentes Thema.

Am Anfang der Geschichte steht jedoch „Momo“. Wer jetzt an die Unendliche Geschichte von Michael Ende denkt, liegt genau richtig. Die Software schenkt Krankenhäusern vor allem Zeit, denn sie checkt die Abrechnungen vollautomatisch und auf Basis einer anonymisierenden Textanalyse. Dr. Lukas Aschenberg, selbst Mediziner, weiß um die komplexen Kodierungsaufgaben, denen sich Ärzte stellen müssen, wenn sie ihre Diagnosen in die Krankenkassen-Sprache übersetzen. Zahllose Codes aus Buchstaben und Ziffern stehen für ebenso zahllose Diagnosen. Die Fehlerwahrscheinlichkeit ist relativ hoch, denn eine leistungsgerechte Vergütung der ärztlichen Leistung ist häufig nur gegeben, wenn die Codes richtig kombiniert sind. Diese Fehler spürt „Momo“ auf. Lukas Aschenberg: „Fachleute gehen davon aus, dass es pro Jahr etwa um einen Betrag in Höhe von zwei Milliarden Euro Streit und Diskussionen zwischen den Kliniken und den Krankenkassen gibt. Wir meinen: Das muss nicht sein.“ Momo erspare den Kliniken viel Zeit und sorge für eine exakte Abrechnung.

„Momo ist nie fertig“

Allein in Harburg arbeiten heute 65 Mitarbeiter, darunter sechs Ärzte, vier Kodierfachkräfte sowie 40 Entwickler, die programmieren, Algorithmen schreiben und am Design der Software arbeiten. Dr. Lukas Aschenberg: „Momo ist nie fertig. Die Optimierung und Verfeinerung der Software ist ein permanenter Prozess.“ Da Tiplu auf sensible Daten zugreift, ist ein Höchstmaß an IT-Security gefordert. Die Lösung: Alle Kliniken werden mit einem eigenen System ausgestattet, das ausschließlich intern arbeitet.

Der finanzielle Aufwand für das Harburger Unternehmen ist immens, aber Sicherheit ist oberstes Gebot, wie Lukas Aschenberg betont. Allerdings hat er auch weitreichende gesundheitspolitische Fragen, denn aus anonymisierten Patientendaten ließe sich viel mehr machen als nur eine Abrechnungsoptimierung. Mithilfe der Künstlichen Intelligenz ließen sich bei entsprechend großer Daten- und Fallmenge beispielsweise Muster in Krankheitsverläufen erkennen, aus denen Prognosen abgeleitet werden könnten – beispielsweise Hinweise auf eine bevorstehende Sepsis. Aschenberg: „Dann könnte dem Patienten prophylaktisch geholfen werden.“ Auch mit diesem Thema befassen sich die Spezialisten in Berlin – die übrigens in der Bundeshauptstadt sitzen, weil dort besser entsprechende Mitarbeiter gefunden werden. Leiter ist Dr. Moritz
Augustin, vormals TU Berlin. Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie bekommt der Prognoseansatz noch einmal eine ganz andere Dimension.

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Eine echte Harburg-Story

Tiplu ist trotz der Ableger in Berlin und in der Schweiz eine echte Harburg-Geschichte, wie Trixi Mausch sagt. Sie hat BWL und Recht in Lüneburg studiert und stieg noch während der Bachelorarbeit infolge persönlicher Kontakte 2017 in der Aufbauphase bei Tiplu ein. Heute verantwortet sie den Personalbereich und arbeitet seit zweieinhalb Jahren in Vollzeit: „Viele Tiplu-Mitarbeiter und das Gründerteam haben einen Harburg-Bezug. Zum Beispiel über die TUHH und über die Hockey-Abteilung der TG Heimfeld. Das ist etwas Besonderes und trägt dazu bei, dass wir hier eine ausgesprochen positive und familiäre Unternehmenskultur pflegen.“