Zur richtigen Zeit am richtigen Ort die richtigen Fragen stellen . . .

Tag eins: Tortenschlacht mitten auf der Elbe. Die Geschäftsführer Dr. Wolfgang Tank (von links), Andreas Girnuweit und Oliver Groht „stoßen an“ auf 20 Jahre catworkx. Foto: Wolfgang Becker

20 Jahre im Zeitraffer: So wurde das Harburger IT-Systemhaus catworkx zu einem der größten deutschen Atlassian-Partner – eine unvorhersehbare Erfolgsgeschichte

Wissenschaftliches Know-how, eine gute Geschäftsidee, ein Markt, kaufmännisches Wissen – all das ist wichtig und hilfreich, um ein Unternehmen erfolgreich zu führen. Aber manchmal kommt ein unplanbarer Aspekt hinzu: zur richtigen Zeit am richtigen Ort die richtige Frage stellen. Was dem Harburger Unternehmen catworkx widerfahren ist, erinnert ein wenig an den berühmten „Schmetterlingseffekt“, der sich dadurch äußert, dass nicht vorhersehbar ist, in welchem Maß sich beliebig kleine Änderungen der Anfangsbedingungen eines Systems langfristig auf die Entwicklung auswirken. Eine vermeintlich kleine Änderung führte dazu, dass aus dem IT-Systemhaus catWorkX heute einer der größten sogenannten Platinum-Partner des australischen Unternehmens Atlassian im deutschsprachigen Raum geworden ist – mit Wachstumsraten von 40 Prozent pro Jahr, aktuell 70 Mitarbeitern in Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie einem für 2019 angepeilten Jahresumsatz in Höhe von 20 Millionen Euro. 20 Millionen? Das passt – catworkx, so die aktuelle Schreibweise, ist jetzt 20 Jahre alt und schafft es Jahr für Jahr, internationale Partner und Kunden aus aller Welt zum mittlerweile sechsten Midsummer Day nach Harburg zu holen.

An die ersten Jahre erinnert sich Dr. Wolfgang Tank, neben Oliver Groht und Andreas Girnuweit Gründer und Inhaber von catworkx: „Wir waren damals ein ganz normaler Anbieter von IT-Services für Kunden aus allen möglichen Branchen und hatten entsprechende Serviceverträge. Unsere Leitidee war folgende: Wir wollten gegenüber unseren Kunden transparent sein, sie sollten genau wissen, was wir für sie tun – unabhängig davon, was wir abrechnen. Für die Umsetzung suchten wir ein entsprechendes Ticketsystem, ein Software-Tool, aus dem unsere Leistungen hervorgehen und auf das sowohl wir als auch die Kunden Zugriff haben sollten. Kurz: Wir wollten alle Informationen zur Verfügung stellen, damit ein Kunde ständig nachvollziehen konnte, wie es um den Bearbeitungsstatus seiner Anfrage, seines Auftrags oder die Lösung seines IT-Problems steht.“

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Beim Aufbau ihrer Firma hatten Tank, Groht und Girnuweit frühzeitig auf sogenannte Open-Source-Software gesetzt. Das sind Programme, die im Netz frei zugänglich nutzbar sind und von einer Entwickler-Community stetig weiterentwickelt werden. Die Kommunikation zur Fehlerbehebung und Weiterentwicklung (Kommentieren, Historie einsehen) geschieht typischerweise über ein Ticketsystem – eine Sammel-Software, die alle Informationen zu einem Vorgang dokumentiert, speichert und kommentierbar macht.

Treffer in Down Under

Wolfgang Tank, CIO bei catworkx: „Ticketsysteme in der Open-Source-Szene gab es zuhauf, aber wir haben damals schnell erkannt, dass diese wirklich nur für Entwickler geeignet waren, nicht für Kunden. Das war einfach nicht benutzerfreundlich. Ich habe dann eine Recherche begonnen und mich auf die Suche nach einem passenden Ticketsystem gemacht.“ 2002 stieß Wolfgang Tank auf Mike Cannon-Brooks und Scott Farquhar, zwei Studenten, die im australischen Sydney die Firma Atlassian gegründet und eine „Software für das Fehlermanagement von Software“ namens Jira entwickelt hatten. Die Gründer: „Jira hat uns durch seine Benutzerfreundlichkeit direkt überzeugt!“ Tank: „Ich machte damals die erste deutsche Übersetzung – eher für den Eigenbedarf, denn es ging ja darum, unseren Kunden ein verständliches System für die Auftragsabwicklung anzubieten.“

Das Besondere: Jira wurde zwar mit offenem Quellcode geliefert und es war Nutzern dadurch möglich, die Software auf die spezifischen Anforderungen anzupassen, aber es war nicht kostenlos zu haben. Die Lizenzgebühr: zehn Dollar. Andreas Girnuweit (CFO bei catworkx): „Also kaufte catworkx eine Lizenz für zehn Dollar und konnte die Software nun so anpassen, dass daraus ein kundenfreundliches Ticketsystem wurde.“ Mit dem Blick zurück sagt Oliver Groht (CEO bei catworkx): „Unser Anwendungszweck führte dazu, dass catworkx neben einigen weiteren Treibern zu einem wesentlichen Impulsgeber wurde und Atlassian erkannte, dass es ein gutes Geschäft sein würde, sich für breitere Marktschichten zu öffnen. Es gab sicherlich mehrere Influencer, aber wir zählen auf jeden Fall dazu.“

Das Potenzial der Software

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2010 machte Atlassian eine Umfrage und stellte fest, dass 40 Prozent der Lizenznehmer Jira einsetzten, um einen Servicedesk aufzubauen. Erst da wurde langsam deutlich, welches Potenzial die Entwicklung hatte. Mittlerweile haben sich diverse neue Anwendungen ergeben. Die Software wird mittlerweile im großen Stil überall dort eingesetzt, wo Verläufe dokumentiert und kommentiert werden: sei es im Personalwesen, in Rechtsabteilungen, Kanzleien, öffentlichen Verwaltungen oder auch bei der Abwicklung von Vorgängen mit Kunden und Lieferanten.

Das Harburger Unternehmen catworkx, übrigens indirekt hervorgegangen aus dem Mikroelektronik-Anwendungszentrum MAZ, wurde 2002 mit dem Kauf der ersten Lizenz Atlassian-Kunde und wenige Jahre später schnell als passender Vertriebspartner in Europa identifiziert. 2007 wurde catworkx offizieller Atlassian-Partner und durfte nun selbstständig die Lizenzen verkaufen und daran mitverdienen. Oliver Groht: „Es setzte ein viraler Effekt ein. Und das passiert nur, wenn ein Produkt gut ist. Erstaunlich ist für mich nach wie vor, dass Atlassian keinerlei Patente besitzt, mit etwa 150 000 Kunden und einem Jahresumsatz von mehr als einer Milliarde US-Dollar aber zu den weltweit führenden Softwareunternehmen zählt.“

Holding mit drei Gesellschaften

Mittlerweile ist catworkx aufgrund des hohen Umsatzes zum Platinum-Partner aufgestiegen. Kein anderer Atlassian-Partner hat so viele zertifizierte Systemberater wie catworkx (20), keiner arbeitet mit einer Holding-Struktur, unter deren Dach sich die drei Gesellschaften in Deutschland (mit Niederlassungen in Köln, Stuttgart und München), Österreich und der Schweiz vereinen. Seit 2014 konzentriert sich catworkx zu 100 Prozent auf die Rolle als Atlassian-Partner. Und das offenbar mit großem Erfolg: Binnen der vergangenen drei Jahre wurde die Mitarbeiterzahl von 25 auf 70 erhöht.

Fazit: Aus der Idee, die Abwicklung von Kundenaufträgen transparent zu gestalten, wurde ein Geschäftsmodell mit ungeahnter und vor allem unvorhersehbarer Dynamik, die nun im Zuge der allgemeinen Digitalisierungsbestrebungen noch weiter befeuert wird, im Grunde aber zu deren Ursprungsimpulsen zählen dürfte. wb

Web: www.catworkx.de