„Bremerhaven braucht keine klugen Ratschläge“

Foto: ScheschonkaDer Online-Handel und die Corona-Krise bedrohen die Innenstädte von Bremerhaven und Bremen gleichermaßen. Gleichwohl will Bremens Regierungschef Andreas Bovenschulte (SPD) das Thema nicht auf der Landesebene bearbeiten. Er sieht da die größere Kompetenz bei den einzelnen Kommunen. || Foto: Scheschonka

Bremens Regierungschef Andreas Bovenschulte über Innenstadtgestaltungen und Hafenwirtschaft.

Das Land hilft, wo es helfen kann. Auch in Bremerhaven. Aber wenn es um die Zukunft der Innenstädte geht, dann ist das ganz klar eine Aufgabe der kommunalen Selbstverwaltung, also der Bremerhavener Politik und des Oberbürgermeisters. Melf Grantz ist da, das weiß ich, sehr aktiv und hat sich richtig reingehängt, um einen guten Weg für die City zu finden. Die Bremerhavener haben in den vergangenen Jahren auch immer wieder bewiesen, dass sie mit schwierigen Lagen umgehen können und haben die Stadt vorangebracht. Das Letzte, was man dort gebrauchen kann, glaube ich, sind kluge Ratschläge des Senatspräsidenten.

Es geht nicht um Ratschläge der Landesregierung für Bremerhaven. Es geht um gemeinsame Analysen und Strategien. Oder um die Frage, ob nicht beide Städte gemeinsam besser mit Kaufhauskonzernen und Immobilienfirmen verhandeln könnten?

Es ist wirklich nicht so, dass wir Bremerhaven allein stehen lassen. Der größte Teil des Bremen-Fonds ist für Herausforderungen des Landes vorgesehen, also solche in Bremen und auch in Bremerhaven. Das zeigt, dass das Land beide Städte unterstützt. Konkret sind rund 900 Millionen für das Land vorgesehen. Dazu kommen die kommunalen Fonds mit rund 300 Millionen Euro für Bremen und 70 Millionen Euro für Bremerhaven. Das Land steht hinter seinen beiden Städten, auch hinter Bremerhaven. Aber wenn es um die Entwicklung der Innenstadt geht, städtebaulich und bezüglich der Struktur des Einzelhandels, ist das doch eine ganz klare kommunale Angelegenheit.

Anzeige

Aber es gibt auch gemeinsame Strategien. Mehr Events und Veranstaltungen in den Innenstädten, ein besserer Mix mit Wohnen und Arbeiten. Also: Es gibt Argumente für einen Gleichschritt.

Was in der einen Stadt hilft, kann auch in der anderen gut sein, das stimmt. Und natürlich sind wir auch im Gespräch und tauschen Ideen aus. Aber noch mal: Wenn es um die Umsetzung an Ort und Stelle geht, um Einzelhandelskonzepte und städtebaulichen Konzeptionen – dann wissen die Bremerhavener selbst am besten, was gut für ihre Stadt ist.

Es ist aber schon auffällig, dass Sie in Bremen den Innenstadt-Gipfel anregen und der OB in Bremerhaven betont, er brauche keinen runden Tisch. Warum diese unterschiedlichen Herangehensweisen?

Das hat mit unterschiedlichen Ausgangslagen zu tun. Und deshalb müssen die Lösungen ja auch in den jeweiligen Städten gefunden werden. Als Senatspräsident sind mir beide Städte gleichermaßen wichtig. Aber mir jetzt anzumaßen, den Bremerhavenern zu sagen, was die richtige Strategie ist, was vielleicht abgerissen oder neu gebaut werden muss – dazu bin ich nicht berufen. Bremerhaven hat übrigens in den vergangenen Jahren gezeigt, dass es gut mit Krisen umgehen und die Stadt voranbringen kann. Hier folgt man dem Leitsatz: Durch Aufgeben hat noch keiner gewonnen!

Die Corona-Krise scheint Bremerhaven härter zu treffen. In der Innenstadt verabschieden sich Karstadt und Saturn, zwei große Frequenzbringer. Und im Hafen ist der Autoumschlag eingebrochen. Was will die Landesregierung unternehmen, um ein Abrutschen der Wirtschaft in Bremerhaven zu verhindern?

Anzeige

Wir sind insgesamt ein Land mit einer hohen Exportquote und einem hohen Anteil an industrieller Wertschöpfung. Beides ist in einer dynamischen Wirtschaft gut, aber in Zeiten der Krise macht uns das verletzlich. Das gilt für beide Städte, aber Bremerhaven hat noch etwas weniger zuzusetzen als Bremen. Das liegt an der strukturell höheren Arbeitslosigkeit und an den größeren sozialen Problemen. Deshalb ist es ja so wichtig, dass der Bund ein großes Konjunkturprogramm aufgelegt hat, um eine wirtschaftliche Abwärtsspirale in Deutschland zu verhindern. Und deshalb ist es so wichtig, dass wir hier im Land den Bremen-Fonds zur Abmilderung der Auswirkungen der Corona-Pandemie beschlossen haben.

Aber was kann das Land machen? Ich erinnere daran, dass im vergangenen Jahr eine landesweite Wasserstoffstrategie beschlossen wurde mit großen Testkapazitäten in Bremerhaven. Aber dann hat man ein halbes Jahr lang wenig gehört. Was soll getestet werden? Wo will man hin? Inzwischen stürzen sich alle bundesweit auf das Thema. Verspielen wir unseren Vorsprung?

Das sehe ich nicht so. In Bremerhaven wird für 20 Millionen Euro ein Elektrolyse-Testfeld für die Gewinnung von Wasserstoff aufgebaut. Dadurch soll die Seestadt zum Wasserstoff-Kompetenzzentrum werden. Damit sind wir bundesweit ganz vorne dabei. Und es geht ja nicht nur um Wasserstoff. Wir wollen auch ganz gezielt die Werftindustrie in Bremerhaven stärken. Wir setzen uns zum Beispiel beim Bund dafür ein, den Neubau des Forschungsschiffes „Polarstern 2“ an norddeutsche Werften zu vergeben. Also, hoffentlich, zumindest zum Teil auch an eine Bremerhavener Werft. So eine zentrale Technologie, die für die Erforschung des Klimawandels so entscheidend ist, die dürfen wir nicht aus der Hand geben.

Die Corona-Krise hat auch die Kreuzfahrtbranche heftig getroffen. Es ist unklar, in welchem Ausmaß sie sich wieder erholen wird. Hält der Senat trotzdem an der Sanierung des Kreuzfahrtterminals fest, die die Naturschützer heftig kritisiert hatten?

Im aktuell beschlossenen Haushalt werden die Mittel für die Sanierung der Columbus-Kaje bereitgestellt – als Voraussetzung für die weitere Sanierung des Kreuzfahrtterminals. Ich sehe keinen Grund, davon abzuweichen.

Die Bereitschaft des Senats, die Ertüchtigung der Bremerhavener Stromkaje in Angriff zu nehmen, wurde von Eurogate begrüßt. Gleichwohl steht die Branche unter Druck, durch die mächtigen Reederei-Konsortien, durch die harte Konkurrenz der Westhäfen, weltweite Überkapazitäten und die aufstrebenden Mittelmeerhäfen. Es wird mit Hamburg über eine Kooperation verhandelt. Hamburg, Bremerhaven und Wilhelmshaven in einer Hand. Wie kann die Politik sicherstellen, dass Bremerhaven am Ende nicht der Verlierer ist?

Sie haben die Wettbewerbssituation richtig beschrieben. In so einer Situation hat man zwei Möglichkeiten. Entweder: Augen verschließen und wider besseres Wissen hoffen, dass alles automatisch gut geht. Oder: Die eigene Wettbewerbsfähigkeit weiter verbessern. Ich halte die zweite Variante für zielführender. Wir müssen die Lage nüchtern zur Kenntnis nehmen und alles tun, was die eigene Position stärkt. Die große Frage dabei lautet: Sind wir gemeinsam stärker als alleine? Es wäre fahrlässig, das nicht zu prüfen. Klar ist aber auch: Jeder Hafen muss für sich eine Zukunft haben. Sonst ergibt ein solcher Zusammenschluss keinen Sinn.

Wird angesichts großer Überkapazitäten Hamburg womöglich Hafenareale umnutzen, um so Platz zu schaffen für innovative, neue Wirtschaftszweige mit hoher Wertschöpfung? Mit der Folge, dass Umschlag in Richtung Bremerhaven und Wilhelmshaven abwandern könnte?

Ich kenne die Hamburger Überlegungen dazu nicht. Sicher werden auch dort alle Möglichkeiten zur Steigerung der Wertschöpfung genutzt. Das ist aber keine Alternative zum Hafenbetrieb, insbesondere nicht für Bremerhaven. Bremerhaven bleibt Hafenstandort, und in den werden wir weiter investieren. Denn die Schifffahrt ist und bleibt die kostengünstigste Art, Güter zu transportieren. Und das wird sich auch nicht ändern, davon bin ich fest überzeugt. Vor Jahren gab es schon einmal Prognosen, dass die große Zeit der Häfen vorbei sei. Anschließend erlebten sie einen enormen Aufschwung.