So wird die Aushilfe zum wirtschaftlichen Risiko

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Von Gunter Troje, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Schlarmann&von Geyso

Welcher Arbeitgeber kennt und schätzt sie nicht: die sogenannten Aushilfen, die als geringfügig Beschäftigte nur arbeiten, wenn sie gebraucht und auch nur in diesem Falle vergütet werden. Dass jedoch in diesen Arbeitsverhältnissen viele rechtliche Probleme stecken, ist wohl den wenigsten bekannt. Denn abgesehen davon, dass es sich bei diesen Aushilfen um reguläre Arbeitnehmer mit sämtlichen Rechten bis hin zum Kündigungsschutz handelt, hat der Gesetzgeber jüngst eine Vorschrift geändert, die ohnehin vielen Arbeitgebern bislang nicht bekannt gewesen sein wird; diese Änderung hat es nun aber besonders in sich.

Wird ein Arbeitnehmer, wie oft bei Aushilfen üblich, nur zur Arbeit gerufen, wenn er gebraucht wird, handelt es sich um sogenannte „Arbeit auf Abruf“. Eine solche ist aber gesetzlich insbesondere nur zulässig, wenn eine vertragliche Vereinbarung zur wöchentlichen Arbeitszeit getroffen wird. Gerade dies geschieht in vielen Aushilfsverträgen aber gerade nicht, weil der Arbeitgeber sich ja nicht festlegen möchte. Fehlt aber eine solche Vereinbarung, fingierte das Gesetz bis Ende 2018 pauschal zehn Wochenstunden als vereinbart. Folge davon war, dass der Arbeitgeber auch zehn Stunden wöchentlich zu vergüten hatte – egal, ob die Arbeit geleistet wurde oder nicht. Wenn diese Ansprüche nicht geltend gemacht wurden, lag dies zumeist an der Unkenntnis auch der Arbeitnehmer.

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Seit Januar 2019 gelten nun aber nicht mehr zehn, sondern 20 Wochenstunden als vereinbart. Dies stellt eine deutliche Erhöhung des wirtschaftlichen Risikos dar, insbesondere wenn man die Auswirkungen in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht bedenkt. Dies mag folgendes Beispiel veranschaulichen:

Ein Arbeitnehmer (A) ist seit 2018 mit einem Stundenlohn von zehn Euro geringfügig beschäftigt. Hinsichtlich der Arbeitszeit ist im Vertrag „je nach Bedarf“ vereinbart. Dies führt nach der gesetzlichen Regelung dazu, dass seit 2019 20 Stunden pro Woche als vereinbart gelten. A macht hier (zunächst) keine Ansprüche geltend. Ende 2019 kommt es jedoch zu einer Prüfung der Rentenversicherung. Diese stellt anhand des Vertrages fest, dass A eigentlich Anspruch auf Vergütung für 20 Wochenstunden, mithin 866,66 Euro monatlich, besaß. Sie fordert daher vom Arbeitgeber die Zahlung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge für 2019 auf 10 400 Euro. Dass eine Zahlung dieser Vergütung an A gar nicht erfolgt ist, spielt hier – anders als bei der Lohnsteuer – keine Rolle. Zudem ist eine Erstattung der Arbeitnehmeranteile nur für die letzten drei Monate und auch nur zulässig, wenn A noch beschäftigt ist.

Das Beispiel zeigt anschaulich, welche erheblichen wirtschaftlichen Risiken spätestens seit der aktuellen Gesetzesänderung bestehen – sogar wenn der Arbeitnehmer keine Ansprüche geltend macht. Es ist daher dringend anzuraten, bestehende wie auch künftige „Aushilfsverträge“ hinsichtlich der Arbeitszeit entsprechend zu prüfen und anzupassen.

Fragen an den Autor? troje@schlarmannvongeyso.de

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